Recht und Steuern

A1 Nr. 179

A 1 Nr. 179

Schiedseinrede vor dem Staatsgericht + Unzuständigkeitsrüge vor dem Schiedsgericht = Arglist

Hat eine Partei in dem Verfahren vor dem staatlichen Gericht die Schiedseinrede erhoben, so verstößt es gegen Treu und Glauben, im späteren Verfahren vor dem Schiedsgericht dessen Unzuständigkeit geltend zu machen. Ausnahmsweise ist derart gegensätzliches Verhalten in beiden Verfahren erlaubt, wenn sich die Sachlage seit dem Schluss der mündlichen Verhandlung bzw. dem gem. § 128 Abs. 2 ZPO maßgeblichen Zeitpunkt wesentlich geändert hat.

BGH Beschl.v. 30.4.2009 – III ZB 91/07; MDR 2009, 883 = RKS A 1 Nr. 179

Aus den Gründen:

Hat eine Partei vor dem staatlichen Gericht geltend gemacht, nicht das staatliche, sondern das Schiedsgericht sei zuständig, so ist es ihr i.d.R. verwehrt, sich später im schiedsgerichtlichen Verfahren darauf zu berufen, es sei doch das staatliche Gericht zuständig; ein solches gegensätzliches Verhalten einer Partei läuft auf den Versuch hinaus, dem Gegner in jeder der beiden Verfahrensarten den Rechtsschutz abzuschneiden und ihn damit praktisch rechtlos zu stellen. Dem Gegner ist es nicht zumutbar, sich durch ein solches widersprüchliches Verhalten abwechselnd von einem Rechtsweg in den anderen verweisen zu lassen. Vielmehr muss sich die Partei, die im Verfahren vor dem staatlichen Gericht den Standpunkt eingenommen hat, dieses sei nicht zuständig, der Streit gehöre vor ein Schiedsgericht, an dieser Auffassung auch später im Verfahren vor dem Schiedsgericht festhalten lassen. Sie ist deshalb nach Treu und Glauben grundsätzlich gehindert, die Einrede, das staatliche Gericht sei nun doch zuständig, anschließend in dem daraufhin von dem Gegner eingeleiteten Schiedsverfahren (§ 1040 ZPO) oder mit einem hiergegen gerichteten Feststellungsantrag zum staatlichen Gericht (§ 1032 Abs. 2 ZPO) geltend zu machen (im Erg. allgemeine Auffassung, allerdings mit unterschiedlicher Begründung: Stein/Jonas/Schlosser ZPO 22.Aufl. 2002 § 1032 Rz. 19 „unzulässige Rechtsausübung”; Münch in MünchKomm/ZPO 3. Aufl. 2008 § 1032 Rz. 21 „Rechtskraftwirkung, überdies Arglist”; Zöller/Geimer ZPO 27. Aufl. 2009 § 1032 Rz. 12 „Bindungswirkung sui generis”; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. 2005 Kap. 7 Rz. 3 ”Rechtskraftwirkung”, s.a. Rz. 4; RGZ 40, 401, [403 f.] „Arglist und Rechtskraftwirkung”; vgl. ferner – zur umgekehrten Fallgestaltung – „Beklagter macht im Schiedsverfahren die Zuständigkeit des staatlichen Gerichts geltend und erhebt später vor dem staatlichen Gericht die Schiedseinrede” – BGH v. 20.5.1968 – VII ZR 80/67 BGHZ 50, 191 [196 f.] = MDR 1968, 751 = HSG A 1 Nr. 8 „Arglist”).
Von diesen Grundsätzen abzuweichen, weil sich die Sachlage nach Schluss der mündlichen Verhandlung oder – worauf es hier ankommt – dem gem. § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO maßgeblichen Zeitpunkt geändert hätte, besteht kein Anlass. Nach den im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung gem. § 574 Abs. 2 ZPO hinzunehmenden Erwägungen des OLG besteht die Schiedsvereinbarung fort. Es liegen auch sonst nicht beachtliche Gründe vor, die ausnahmsweise das gegensätzliche Verhalten der Antragstellerin in beiden Verfahren verständlich und gerechtfertigt erscheinen ließen (vgl. BGH 20.5.1968 aaO. HSG A 1 Nr.8).