Recht und Steuern

A1 Nr. 170

A 1 Nr. 170
§§ 123, 139 BGB; § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO - Wirksamkeit der Schiedsabrede trotz Anfechtung, Unwirksamkeit des Hauptvertrages
Die Schiedsklausel ist eine von den übrigen Vertragsbestimmungen unabhängige Vereinbarung; dies ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Daher ist die Wirksamkeit einer Schiedsabrede, nach der ein Schiedsgericht über Streitigkeiten aus einem Vertrag entscheiden soll, bei Unwirksamkeit dieses Hauptvertrages nicht nach § 139 BGB zu beurteilen. Gleichwohl kann im Einzelfall eine Schiedsvereinbarung gem. § 123 BGB anfechtbar sein, wenn die für den Abschluss des Hauptvertrages ursächliche Drohung oder Täuschung auch den Abschluss der Schiedsvereinbarung unmittelbar beeinflusst hat.
BGH Beschl.v. 27.11.2008 - III ZB 59/07; Hamburger Zeitschrift für Schifffahrtsrecht 2009, 5 = RKS A 1 Nr. 170
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin begehrt nach § 1025 Abs. 2 i.V.m. § 1032 S. 2 ZPO die Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens, das von der Antragsgegnerin auf der Grundlage eines in englischer Sprache abgefassten Managementvertrages wegen eines Schadensersatzanspruches beim ICC International Court of Arbitration mit dem Schiedsort Brüssel anhängig gemacht worden ist. Der Vertrag enthält unter Nr. 19.1 (Applicable Law) eine Rechtswahlklausel für das belgische Recht und unter Nr. 19.2 (Arbitration) eine Schiedsklausel, nach der die sich aus dem Vertrag ergebenden Streitigkeiten gem. der Vergleichs- und Schiedsordnung der Internationalen Handelskammer von einem oder mehreren gemäß dieser Ordnung ernannten Schiedsrichtern endgültig entschieden werden, belgisches Recht anwendbar ist und der Schiedsort in Brüssel liegt. Das Schiedsgericht hat sich noch nicht konstituiert. Die ASt., der während der Vertragsverhandlungen ein in deutscher Sprache abgefasster Mustervertrag vorgelegen hatte, in dem unter den Nrn. 19.1 und 19.2 jeweils die Anwendung des deutschen (materiellen und Verfahrens-) Rechts vorgesehen war, hat den Managementvertrag durch anwaltliches Schreiben vom 10.9.2006 wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und unter jedwedem weiteren rechtlichen Gesichtspunkt angefochten.
Die Rechtsbeschwerde der ASt. gegen die Zurückweisung ihres Antrags durch das OLG ist nicht zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO).
Das OLG ist unter Bezug auf § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO, der einem allgemeinen Rechtsgrundsatz der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit entspricht (Stein/Jonas/Schlosser 22.Aufl. 2002, Anh. § 1061 Rd-Nr. 39, § 1040 Rd-Nr. 3), zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Schiedsklausel als eine von den übrigen Vertragsbestimmungen unabhängige Vereinbarung darstellt, deren Wirksamkeit unabhängig vom Bestand des Hauptvertrages zu beurteilen ist. Danach ist die Wirksamkeit einer Schiedsabrede, nach der ein Schiedsgericht über Streitigkeiten aus einem Vertrag entscheiden soll, bei Unwirksamkeit dieses Hauptvertrages nicht nach § 139 BGB zu beurteilen (vgl. Senatsurteil vom 6.6.1991 NJW 1991, 2215, 2216 = RKS A 1 Nr. 65). Das schließt freilich im Einzelfall nicht aus, dass eine Schiedsvereinbarung in den Fällen des § 123 BGB anfechtbar ist, wenn die für den Abschluss des Hauptvertrages ursächliche Drohung oder Täuschung auch ihren Abschluss unmittelbar beeinflusst hat (BGH Beschl.v. 23.5.1991 - III ZR 144/90 - BGHR ZPO § 1025 Wirksamkeit 1). Dies hat das OLG schon deshalb verneint, weil die ASt. nicht hinreichend dargelegt habe, dass ein zur Anfechtung berechtigender Inhaltsirrtum oder eine arglistige Täuschung für den Abschluss der Schiedsvereinbarung ursächlich gewesen sein könnten; auch die in dem in deutscher Sprache abgefassten Mustervertrag enthaltene Schiedsklausel habe die Vergleichs- und Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer mit dem Schiedsort Brüssel vorgesehen, so dass die (ergänzende) Anwendung des belgischen Verfahrensrechts von keiner oder nur ganz untergeordneter Bedeutung sei. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Insbesondere ergibt sich hieraus keine Verletzung des Rechts der ASt. auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Vielmehr durfte das OLG das Beweisanerbieten der ASt., sie hätte den Vertrag bei Kenntnis der einseitigen Änderung der Klauseln in den Nrn. 19.1 und 19.2 „so nicht unterzeichnet”, als nicht hinreichend substantiiert ansehen. Im Übrigen hat das OLG die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung sowohl nach deutschem als nach belgischem Recht beurteilt.
Die von der ASt. für grundsätzlich bedeutend gehaltene Frage, ob eine überraschende oder ungewöhnliche Klausel nur dann zur Unwirksamkeit führe, wenn sie zusätzlich den Vertragspartner benachteilige, stellt sich nicht, da das OLG die Anwendung des § 305c Abs. 1 BGB nach dem Verständnis des Senats allein deshalb abgelehnt hat, weil es angesichts der im Einzelnen näher erläuterten Umstände an einer überraschenden Klausel fehle.