Recht und Steuern

A1 Nr. 169

A 1 Nr. 169
§§ 1032, 1062 ZPO, § 20 der Platzusancen für den Hamburgischen Warenhandel, Klausel „Freundschaftliche Arbitrage und Schiedsgericht gemäß den Regeln der Internationalen Handelskammer”
Die Schiedsvereinbarung „freundschaftliche Arbitrage und Schiedsgericht gemäß den Regeln der Internationalen Handelskammer, Paris” ist dahin auszulegen, dass eine Hamburger freundschaftliche Arbitrage gem. § 20 der Platzusancen für den Hamburgischen Warenhandel vereinbart ist, auf die nur ergänzend die Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer, Paris, Anwendung findet. Dagegen spricht nicht, dass die Parteien ihren Sitz in Schleswig-Holstein und einen Gerichtsstand in diesem Land vereinbart haben.
OLG Schleswig Beschl.v. 8.10.2008 - 16 SchH 1/08; OLG-Report 2009, 71 = RKS A 1 Nr. 169
Aus dem Sachverhalt:
Der Alleinvertriebsvertrag vom 25.2.2003, nach dem die Antragstellerin der Antragsgegnerin den Alleinvertrieb für im Anhang aufgeführte Produkte gewährt, bestimmt in Zi. 12:
„Das Vertragsverhältnis untersteht dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Recht. Gerichtsstand ist Pinneberg. ... Sollte keine Einigung erzielt werden können, erfolgt eine freundschaftliche Arbitrage und Schiedsgericht gemäß den Regeln der Internationalen Handelskammer, Paris.”
Die Geheimhaltungsvereinbarung vom 23.10.2002 enthält eine Schiedsvereinbarung mit demselben Wortlaut. Nach einem Schriftwechsel teilte die AGg. der ASt. mit Schreiben vom 30.5.2008 mit, sie beabsichtige, das zwischen den Parteien vereinbarte, nach den Regeln der Hamburger Arbitrage durchzuführende Schiedsverfahren in Gang zu setzen. Gegenstand des Verfahrens würden insbesondere die der AGg. zustehenden Schadensersatz-, Unterlassungs- und Auskunftsansprüche wegen der Verletzung der Geheimhaltungsvereinbarung und des Alleinvertriebsvertrages infolge des unzulässigen Vertriebs von E. durch die ASt. sein. Die AGg. benannte gem. § 20 Zi. 2 der Platzusancen für den hamburgischen Warenhandel einen Schiedsrichter und forderte die ASt. auf, ihrerseits bis zum 6.6.2008 einen Schiedsrichter zu benennen. Die ASt. beantragte am 9.6.2008 die Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gem. § 1032 Abs. 2 ZPO. Nach dem Wortlaut der Schiedsvereinbarung sei freundschaftliche Arbitrage nur eine Qualitätsarbitrage im Sinne eines Schiedsgutachtens. Da es um Vertragsfragen gehe, sei nur ein Schiedsgericht nach ICC-Regeln zulässig.
Aus den Gründen:
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Gem. § 1032 Abs. 2 ZPO kann bei Gericht bis zur Bildung des Schiedsgerichts Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt werden. Ein Schiedsgericht ist noch nicht gebildet, da die AGg. nach Benennung eines eigenen Schiedsrichters die ASt. ohne Ergebnis aufgefordert hat, ihrerseits einen Schiedsrichter zu benennen.
Das OLG Schleswig ist für die Entscheidung über den Antrag zuständig. Gem. § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist das OLG, das in der Schiedsvereinbarung bezeichnet ist oder, wenn eine solche Bezeichnung fehlt, in dessen Bezirk der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt, zuständig für Entscheidungen über Anträge betr. die Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens i.S.v § 1062 ZPO. In der Schiedsvereinbarung ist das OLG nicht bezeichnet. Der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens kann sich aus einer Vereinbarung der Partenen oder einer Bestimmung des Schiedsgerichts ergeben (§ 1043 Abs. 1 ZPO). Da ein Schiedsgericht sich noch nicht konstituiert hat und es deshalb noch keine Bestimmung eines Schiedsorts durch ein Schiedsgericht gibt, ist die Vereinbarung des Gerichtsstands Pinneberg im Vertrag vom 25.2.2003 zusammen mit der wechselseitigen Antragstellung der Parteien beim OLG Schleswig als Bestimmung über den Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens anzusehen. Die Zuständigkeit des OLG Schleswig ergibt sich entgegen der Auffassung des Ast. nicht aus §§ 1025 Abs. 3, 1062 Abs. 3 ZPO; denn die Feststellung gem. § 1032 ZPO gehört nicht zu den in § 1025 Abs. 3 ZPO genannten in den §§ 1034, 1035, 1037 und 1038 bezeichneten gerichtlichen Aufgaben.
Der Antrag ist nicht begründet. Die Schiedsvereinbarung der Parteien ist dahin auszulegen, dass eine Hamburger freundschaftliche Arbitrage gem. § 20 der Platzusancen (abgedruckt bei Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Anh. B 5) vereinbart ist, auf die nur ergänzend die Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer (ICC), Paris (abgedruckt bei Schwab/Walter, a.a.O. Anh. B 1) Anwendung findet. Entsprechend hat die AGg. gem. 20 Zi. 2 der Platzusancen unter Namhaftmachung des von ihr gewählten Schiedsrichters die ASt. schriftlich aufgefordert, binnen einer angemessenen Frist ihrerseits den Schiedsrichter zu benennen. Der Wortlaut der Schiedsvereinbarung ist nicht eindeutig. Der Begriff der „freundschaftlichen Arbitrage” spricht für die Vereinbarung einer Hamburger freundschaftlichen Arbitrage. Diese soll nach § 20 Zi. 2 der Platzusancen bei Verwendung der Begriffe „freundschaftliche Arbitrage”, Privatarbitrage”oder „Hamburger Arbitrage” vereinbart sein. Dem steht angesichts des Sitzes der Parteien in U bzw. E nicht entgegen, dass es auch eine Bremer Arbitrage gibt. Die Formulierung „Schiedsgericht gemäß den Regeln der Internationalen Handelskammer, Paris” spricht für ein Schiedsverfahren nach der Schiedsgerichtsordnung der ICC, Paris. Die bloße Aufzählung dieser beiden Schiedsgerichte, ohne Bezug zu einer bestimmten Fallgruppe zwischen den Parteien zu klärender Fragen, steht einer Bestimmung des Schiedsgerichts allein nach dem Wortlaut entgegen.
Eine ergänzende Auslegung führt dazu, dass eine Hamburger freundschaftliche Arbitrage gem. § 20 der Platzusancen als vereinbart anzusehen ist. Es gibt keine historisch gewachsene Beschränkung des Anwendungsbereichs der Hamburger freundschaftlichen Arbitrage auf Qualitätsarbitragen. Gemäß § 20 Zi. 1 der Platzusancen ist unter Arbitrage die Entscheidung von Streitigkeiten im Schiedswege unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte nicht nur über Qualitätsfragen, sondern auch über alle anderen aus dem Geschäft entstehenden Streitpunkte, insbesondere auch über Rechtsfragen zu verstehen, es sei denn, dass in dem Vertrag ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Eine entsprechende Formulierung war schon in der Fassung der Platuzusancen im Jahre 1904 enthalten (Korte SchiedsVZ 2004, 240). Danach ist also die Beschränkung der Hamburger freundschaftlichen Arbitrage auf Qualitätsfragen die ausdrücklich zu vereinbarende Ausnahme. Nach dem Wortlaut der Schiedsvereinbarung ist keine Ausnahme in dem Sinne vereinbart, dass bei Qualitätsfragen eine Hamburger freundschaftliche Arbitrage und bei Vertragsauslegungsfragen, wie sie hier in Rede stehen, ein Verfahren nach der ICC-Schiedsordnung durchzuführen ist. Denn die beiden Möglichkeiten werden durch das Wort „und” ohne Bezug zu unterschiedlichen Fallgruppen verbunden.
Durchgreifend für die Vereinbarung eines Schiedsverfahrens nach § 20 der Platzusancen spricht, dass die Unvollständigkeit der Regelungen in § 20 der Platzusancen als Nachteil empfunden wird (Korte a.a.O. S. 244) und Zi. 6 eine ausdrückliche Regelung dafür enthält, wie mit Verweisen auf andere Geschäftsbedingungen und dgl. zu verfahren ist. Danach gelten, wenn im Zusammenhang mit der Abrede „freundschaftliche Arbitrage”, „Privatarbitrage” oder „Hamburger Arbitrage” auf andere Geschäftsbedingungen, Kontrakte oder dgl. mit oder ohne Beifügung eines Zusatzes wie „im Übrigen”, „nach”, „auf Basis”, „im Anschluss an” oder dgl. verwiesen wird, die in Bezug genommenen Bestimmungen nur insoweit, als sie nicht zu § 20 in Widerspruch stehen. In der Schiedsvereinbarung wird mit Beifügung des Zusatzes „gemäß” auf eine andere Schiedsgerichtsordnung verwiesen.
Da die Hamburger freundschaftliche Arbitrage nicht voraussetzt, dass die Schiedsparteien in Hamburg ansässig sind, ergibt sich aus dem Sitz der Parteien in Schleswig-Holstein kein Argument gegen diese. Dass die Parteien ausdrücklich Pinneberg als Gerichtsstand vereinbart haben, während § 20 Zi. 5 Hamburg als Gerichtsstand vorsieht, ist als Argument für die Bestimmung des Schiedsgerichts zu vernachlässigen, da es auf Unkenntnis der insoweit in den Platzusancen getroffenen Regelung beruhen kann.
Es bleibt nach alledem nur die sprachlich unglückliche Verbindung der beiden Satzteile durch „und”. Diese führt schon deshalb nicht zu der von der ASt. gewünschten Auslegung, weil es sich um eine historisch gewachsene Formulierung zu handeln scheint. Eine entsprechende Formulierung, nämlich „Meinungsverschiedenheiten sind durch Verkäufers Wahl entweder durch Hamburger freundschaftliche Arbitrage und Schiedsgerichtoder durch die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung zu bringen” ist bereits Gegenstand des BGH-Urteils v. 3.3.1955 (II ZR 323/53 BB 1955, 552) gewesen, in dem die Vorinstanz für den BGH bindend eine Hamburger freundschaftliche Arbitrage als vereinbart angesehen hat. Entsprechend kann man aus der sprachlich vergleichbaren Schiedsabrede „Hamburger freundschaftliche Arbitrage und Schiedsgericht in accordance with rules and conditions of the Waren-Verein der Hamburger Börse” keinesfalls folgern, dass das Schiedsgericht des Waren-Vereins vereinbart ist (LG Hamburg 27.7.1990 - 70 O 56/89 Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht § 1041 ZPO mit Anmerkung Frankenheim = RIW 1991, 419).