Recht und Steuern

A1 Nr. 167

A 1 Nr. 167
Vereinbarkeit der FENEX-Schiedsklausel mit Art. 33, 41 CMR (Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr)
In einem Beförderungsvertrag, auf den die CMR anwendbar ist, ist nach Art. 41 CMR t jede Vereinbarung nichtig, die von den Bestimmungen dieses Übereinlkommens abweicht. Nach Art. 33 CMR muss eine die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ausschließende Schiedsklausel zwingend vorsehen, dass das Schiedsgericht dieses Übereinkommen anzuwenden hat. Die FENEX-Schiedsklausel – Klausel 15 der Bedingungen für die Wertschöpfungslogistik bzw. Art. 23 der Niederländischen Speditionsbedingungen – erfüllt diese Voraussetzung.
OLG Koblenz Urt.v. 22.2.2007 - 6 U 1162/06; Transportrecht 2007, 250 = RKS A 1 Nr. 167
Aus dem Sachverhalt:
Die SEL B.V. beauftragte die Beklagte gem. Lagerungs- und Logistikvertrag vom 15.11.2004 mit der Beförderung von 141 Monitoren. Bei der Empfängerin kamen nur 64 an. Die klagende Transportversicherung regulierte den Schaden und nimmt gegen die Bekl. Regress. Diese erhebt die Schiedseinrede. Die Kl. behauptet, die Schiedsklausel entspreche nicht den Anforderungen des Art. 33 CMR und sei nach Art. 41 CMR unwirksam.Der Lagerungs- und Logistikvertrag enthält u.a. folgende Regelungen:
11. Gerichtsstand
„Dieser Vertrag unterliegt dem holländischen Gesetz, ohne Rücksicht auf die Kollisionen von Gesetzesbestimmungen.
Jegliche Streitigkeiten, die nicht gütlich beigelegt werden können, werden in Übereinstimmung mit Klausel 15 der Bedingungen für die Wertschöpfungslogistik, die durch die FENEX in der Geschäftsstelle des Bezirksgerichts in Rotterdam am 15.11.1995 hinterlegt wurden, und den hölländischen Speditionsbedingungen (FENEX) endgültig beigelegt. Schlichtungsort ist Den Haag, die Sprache ist englisch.”
Klausel 15 der Bedingungen für die Wertschöpfungslogistik lautet:
„Alle Streitigkeiten, die sich aus den Bedingungen ergeben, müssen in der höchsten Instanz durch drei Schlichter, mit dem Ausschluss des ordentlichen Gerichts, beigelegt werden. ...
Die Schlichter erlassen ihren Schiedsspruch als gute Menschen in Fairness unter der Verpflichtung, die obligatorischen gesetzlichen Bestimmungen, einschließlich der Bestimmungen über internationale Transport-Staatsverträge, einzuhalten. Sie müssen entscheiden, wie die Schlichtung behandelt werden wird, wobei dies stets unter der Voraussetzung gilt, dass den Parteien in jedem Fall eine Gelegenheit gegeben wird, ihre Ansichten schriftlich zu erläutern und sie mündlich zu erklären. ...”
Der einschlägige Art. 23 der Niederländischen Speditionsbedingungen, die durch die FENEX in ihrer aktuellen Fassung am 1.7.2004 bei den Geschäftsstellen der Arrondissementsgerichte in Amsterdam, Arnheim, Breda und Rotterdam hinterlegt worden sind, lautet u.a. wie folgt:
„Streitigkeiten. Artikel 23. 1. Alle zwischen dem Spediteur und seinem Vertragspartner eventuell entstehenden Streitigkeiten werden unter Ausschluss des ordentlichen Gerichts in höchster Instanz von drei Schiedsrichtern entschieden. ...
7. Die Schiedsrichter urteilen »als goede mannen naar billijkheid« (als gute Männer nach Billigkeit) mit der Verpflichtung, die anwendbaren zwingenden Rechtsvorschriften zu berücksichtigen. Sofern zutreffend, werden sie ferner die Bestimmungen internationaler Beförderungsverträge, u.a. das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR), anwenden. Die Schiedsrichter bestimmen das schiedsrichterliche Verfahren in dem Sinne, dass die Parteien jedenfalls die Gelegenheit bekommen, ihren Standpunkt schriftlich darzulegen und mündlich zu erläutern.”
Aus den Gründen:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der Zulässigkeit der Klagen steht die wirksame Schiedsvereinbarung gem. § 1032 Abs. 1 ZPO entgegen, nachdem die Bekl. die Schiedseinrede ordnungsmäßig erhoben hat.
Zwischen der SEL B.V. und der Bekl. ist unstreitig durch Zi. 11.2.des Lagerungs- und Logistikvertrages eine Schiedsgerichtsklausel in das zwischen ihnen bestehende Vertragsverhältnis einbezogen worden. Diese Klausel ist weder gem. Art. 41 CMR i.V.m. Art. 33 CMR nichtig, noch bewirkt diese nur einen neben den gem. Art. 33 CMR verbleibenden Zuständigkeiten staatlicher Gerichte entstehenden zusätzlichen und gleichrangigen »Gerichtsstand«.
Die CMR ist anwendbar, da es sich bei dem dem vorliegenden Regressverfahren zugrundeliegenden Vertrag zwischen der SEL B.V. und der Bekl. um einen Beförderungsvertrag i.S.d. Art. 1 CMR handelt. Insoweit ist zwar die Schiedsvereinbarung kein materiellrechtlicher Gestaltungsakt, durch welchen die materielle Rechtslage geändert wird, sondern ein Prozessvertrag (vgl. BGH 3.12.1986 BGHZ 99, 143, 147 = ZZP 100, 452). Soweit die Kl. jedoch im Wege des Regresses an sie abgetretene und auf sie übergegangene Rechte ihres Versicherten - der SEL B.V. - geltend macht, ist sie Rechtsnachfolgerin und tritt in das Schiedsvertragsverhältnis ein; es finden die Regeln des materiellen Rechts Anwendung (Zöller/Geimer ZPO 26.Aufl. § 1029 Rd-Nr. 15). Diese Wirkung der Schiedsabrede auch im Verhältnis des Versicherers zum Vertragspartner seines Versicherten richtet sich insoweit nach dem ergänzend anwendbaren nationalen Recht (Herber/Piper 1996 CMR Art. 33 Rd-Nr. 5).
Nach Art. 41 CMR ist jede Vereinbarung, die unmittelbar oder mittelbar von den Bestimmungen dieses Übereinkommens abweicht, nichtig und ohne Rechtswirkung. Gem. Art. 33 CMR kann dabei der Beförderungsvertrag eine Bestimmung enthalten, durch die die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts begründet wird. Hierbei muss jedoch diese Schiedsklausel »vorsehen« (englisch: »provide«; französisch »prévoie«), dass das Schiedsgericht »dieses Übereinkommen« - die CMR - »anzuwenden hat«.
Die Literatur knüpft die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung daran, dass die Bestimmung ausdrücklich vorsieht, dass das Schiedsgericht die CMR anzuwenden hat (Fremuth/Thume Komm. zum Transportrecht, 2000, Art. 33 CMR Rd-Nr. 2; Thume/Demuth Komm. zur CMR, 1995, Art. 33 CMR Rd-Nr. 3; Staub/Helm Großkomm. HGB 4. Aufl. 2002 Anh. VI § 452 Art. 33 CMR Rd-Nr. 5), dass sie die Anwendung ausdrücklich vorschreibt (Koller Transport-recht 5. Aufl. 2004 Art. 33 CMR Rd-Nr. 1; Herber/Piper a.a.O. Art. 33 Rd-Nr. 2) bzw. dass sie das Schiedsgericht ausdrücklich zur Anwendung der CMR verpflichtet (vgl. MünchKomm/ Basedow 4. Aufl. 2001 Art. 33 Rd-Nr. 1). Die generelle Bezugnahme bzw. Verweisung auf das jeweilige nationale Recht eines Vertragsstaates, dessen Teil die CMR ist, soll dabei grundsätz-lich nicht genügen (Herber/Piper a.a.O. Art. 33 Rd-Nr. 2; Thume/Demuth a.a.O. Art. 33 Rd-Nr. 3). Es müsse zudem auch bezweifelt werden, ob die Parteien - und Gerichte - diesen mittelbaren Hinweis durchschauten (Staub/Helm a.a.O. Art. 33 CMR Rd-Nr. 5).
Es kann vorliegend offen bleiben, ob die durch Zi. 11.2. des Lagerungs- und Logistikvertrages in Bezug genommene Klausel 15 der Bedingungen für die Wertschöpfungslogistik, die durch die FENEX am 15.11.1995 in der Geschäftsstelle des Bezirksgerichts in Rotterdam hinterlegt wurde, bereits eine zwingende Bindung an die CMR festlegt, so wie es das LG ausgeführt hat, oder ob – in Anlehnung an die Entscheidungen des OLG Hamm vom 29.6.1998 (Az.: 18 U 19/98; BB-Beilage 2001 Nr. 6, 22-23 = RKS A 1 Nr. 113) und des OLG Köln vom 2.8.2005 Az.: 3 U 21/05 TransportR 2005, 472f.) zur im Wortlaut ähnlichen Schiedsgerichtsklausel Art. 23 Nr. 7 der niederländischen Speditionsbedingungen in der Fassung vom 4.1.1999 – eine solche zwingende Bindung nicht erkennbar ist, wie es die Kl. geltend macht.
Die dem Rechtsstreit zugrunde liegende aktuelle Fassung (Stand: 1.7.2004) des Art. 23 Nr. 7 der niederländischen Speditionsbedingungen sieht nämlich eine solche, dem Sinn und Zweck der Art. 41 und 33 CMR gerecht werdende, zwingende Bindung des Schiedsgerichts an die Bestimmungen der CMR vor.
Zunächst ergibt sich aus dem Wortlaut, dass zwar den Schiedsrichtern ein Ermessensspielraum eingeräumt werden soll, wenn es dort heisst: »als goede mannen naar billijkheid«. Allerdings sollen sie damit nicht in erster Linie nach reinen Billigkeitsgesichtspunkten entscheiden, da zugleich dem Schiedsgericht die »Verpflichtung« auferlegt wird, die anwendbaren »zwingenden« Rechtsvorschriften zu berücksichtigen. Hieraus ergibt sich auch nicht, dass das Schiedsgericht im Rahmen der »Berücksichtigung« sogar von diesen Regeln absehen könne, da ihm primär durch eine »Verpflichtung« und nicht nur durch eine fakultative Heranziehung auferlegt wird, die entsprechenden Rechtsvorschriften, die zudem noch als »zwingend« charakterisiert werden, im jeweils zu entscheidenden Einzelfall anzuwenden. Durch den nachfolgenden Satz dieser Klausel, »Sofern zutreffend, werden sie ferner die Bestimmungen internationaler Beförderungsverträge, u.a. das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR), anwenden«, ergibt sich auch mit hinreichender Deutlichkeit, dass das Regelwerk der CMR – sofern es hinsichtlich des zu entscheidenden Einzelfalls einschlägig ist – zwingend Anwendung findet. Dieser Satz steht in unmittelbarem Kontext zu den im vorangehenden Satz angeführten »zwingenden Rechtsvorschriften« und ist mithin auch von der vorgenannten »Verpflichtung« des Schiedsgerichts mit umfasst.
Der Senat sieht sich hierbei auch in Übereinstimmung mit der Entscheidung des OLG Köln vom 2.8.2005 (s.oben). Der dortige Senat hat nämlich – obwohl in jenem Verfahren gar nicht einschlägig – ausgeführt, dass »in Übereinstimmung mit der wohl allgemeinen Ansicht in der Literatur ein ausdrücklicher Verweis auf die vorrangige Geltung der CMR erforderlich (ist), wie ihn die aktuelle Fassung der FENEX (in den niederländischen Speditionsbedingungen) vom 1.7.2004 auch vorsieht. «
Die damit wirksame Schiedsgerichtsklausel begründet entgegen der Auffassung der Kl. nicht lediglich einen »zusätzlichen Gerichtsstand«, sondern sondern bewirkt in der hier streitgegenständlichen Formulierung der Ziffer 11.2. des Lagerungs- und Logistikvertrages vom 2.8./5.8.2002 einen Ausschluss der staatlichen Gerichte.
Eine rein prorogierende und nicht derogierende Wirkung lässt sich zunächst nicht aus dem Wortlaut des Art. 31 Abs. 3 S. 1 CMR herleiten. Danach können zwar die Parteien zusätzlich die internationale Zuständigkeit weiterer Gerichte von Vertragsstaaten vertraglich vereinbaren, nicht jedoch ausschließen, so dass eine Derogation unwirksam ist (u.a. Koller Transportrecht a.a.O. Art. 31 CMR Rd-Nr. 5). Entgegen der Auffassung der Kl. bezieht sich diese Bestimmung und ihre Wirkung jedoch nicht auf »Schiedsgerichte«, sondern allein auf eine vertraglich eröffnete Möglichkeit der Bestimmung weiterer »staatlicher Gerichte«.
Der Kl. ist zwar zuzugestehen, dass in der deutschen Fassung der CMR tatsächlich die von ihr vertretene Auffassung nicht völlig fern liegt, da im Art. 31 Abs. 1 S. 1 von »Gerichte von Vertragsstaaten« und im Art. 33 CMR von einem »Schiedsgericht« die Rede ist. Allerdings ist die deutsche Fassung nicht verbindlich; allein verbindlich und daher bei der Auslegung dieser Bestimmungen heranzuziehen sind gem. Art. 51 CMR die Urschriften dieses Übereinkommens in englischer und französischer Sprache (Koller Transportrecht a.a.O. Art. 31 CMR Rd-Nr. 5). Unter Heranziehung dieser Fassungen wird durch Gegenüberstellung der Begriffe »the courts or tribunals of a country« (Art. 31) zu »arbitration tribunal« (Art. 33) sowie »jurisdictions du pays« (Art. 31) zu »tribunal arbitral« (Art. 33) hinreichend deutlich, dass »Schiedsgerichte« gerade nicht dem Begriff »Gericht« im Sinne des Art. 31 CMR unterfallen. Dies wird im Übrigen auch von der Kommentar-Literatur so gewertet (Herber/Piper a.a.O. Rd-Nr. 1; MünchKomm/Basedow a.a.O. Art. 31 CMR Rd-Nr. 24).
Soweit sich die Kl. auf die Kommentierung in Koller Transportrecht Art. 33 CMR Rd-Nr. 1 beziehen, ist tatsächlich dort die Einschätzung des Kommentators zu finden, dass »die Vereinbarung nach h.M. die Zuständigkeit der Gerichte i.S.d. Art. 31 CMR nicht ausschließe«. Diese Auffassung wird indes – trotz des entgegenstehenden verbindlichen englischen und französischen Wortlauts (s. oben) – nicht weiter begründet, wobei sich der Verfasser lediglich auf eine Kommentarstelle im Großkommentar zum HGB (Staub/Helm) bezieht. Dort wird tatsächlich zunächst in Frage gestellt, ob durch die Klausel (des Art. 33 CMR) die gesetzlichen Zuständigkeiten des Art. 31 Abs. 1 S. 1 ausgeschlossen werden, oder ob den Beteiligten statt dessen auch eine der gesetzlichen internationalen Zuständigkeiten zur Verfügung stehen solle. Zugleich wird jedoch, auch unter der Annahme, dass die letztere der Auffassungen »wohl herrschende Meinung sei«, festgehalten, dass dies aber im Regelfall der feststehenden Entscheidung der Parteien, die staatlichen Gerichte auszuschließen, nicht entgegensteht, so dass dann im international zuständigen Mitgliedsland ein Schiedsgericht angerufen werden muss (Staub/Helm a.a.O. Art. 33 CMR Rd-Nr. 1).
Eine solche Entscheidung der Vertragsparteien, dass die Anrufung der staatlichen Gerichte hinsichtlich eines durch die vertragliche Beziehung entstandenen Rechtsstreits ausgeschlossen werden solle, ist vorliegend gegeben. Das ergibt sich bereits in aller Deutlichkeit aus Ziffer 11.2. des Lagerungs- und Logistikvertrages, wonach »jegliche Streitigkeiten« durch Schiedsgerichte »endgültig beigelegt« werden sollen. Dies korrespondiert sowohl mit der Klausel 15 Ziffer 1 der Bedingungen für die Wertschöpfungslogistik, als auch mit Art. 23 Ziffer 1 der niederländischen Speditionsbedingungen. Hiernach »müssen alle Streitigkeiten mit dem Ausschluss der ordentlichen Gerichte beigelegt werden« (Klausel 15 Ziffer 1) bzw. »werden alle zwischen dem Spediteur und seinem Vertragspartner eventuell entstehenden Streitigkeiten unter Ausschluss des ordentlichen Gerichts« (Art. 23 Ziffer 1) durch ein Schiedsgericht entschieden. Die hierin auftauchende Wortwahl »in höchster Instanz von drei Schiedsrichtern« besagt dabei nichts weiteres, als dass dieser Schiedsspruch für alle Beteiligten bindend und nicht revisibel sein soll. Eine Eröffnung des ordentlichen Gerichtsweges als »untere Instanz« ergibt sich hieraus nicht und widerspräche im Übrigen der eindeutigen Zielrichtung der jeweiligen Regelwerke.
Der Klage steht daher die seitens der Bekl. erhobene Einrede der Schiedsvereinbarung nach § 1032 Abs. 1 ZPO entgegen. Hierbei ist unerheblich, dass der mithin gegebene allein zuständige Schieds- bzw. Schlichtungsort in Den Haag und damit nicht in Deutschland liegt. Nach dem Wortlaut des § 1025 Abs. 2 ZPO ist nämlich auch in einem solchen Fall § 1032 ZPO anwendbar; darauf, welchem Recht die Schiedsvereinbarung dann unterliegt, kommt es ebenfalls nicht an (Stein/Jonas/Schlosser ZPO 22.Aufl. 2002 § 1032 Rd-Nr. 23).
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.