Recht und Steuern

A1 Nr. 165

A 1 Nr. 165
§§ 148, 1032, 1062, 1066 ZPO - Umfang einer Schiedsklausel im Testament
1. Die Schiedsklausel in einem gemeinschaftlichen Testament „für den Fall, dass unsere letztwillige Verfügung Anlass zu Streitigkeiten unter den Erben in irgendeiner Weise wegen der Auslegung unseres letzten Willens Anlass geben sollte” erfasst auch Ansprüche eines Miterben gegen einen anderen Miterben auf Nutzungsentschädigung und auf Erstattung von Erhaltungsaufwand für ein zum Nachlass gehöriges Grundstück.
2. Dies gilt auch, nachdem ein Miterbe seinen Anteil an einen anderen Miterben veräußert hat, die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt und der Nachlass geteilt ist. Auf den Stand der Auseinandersetzung oder die Zahl der Streitenden kommt es nicht an.
3. Eine Aussetzung gem. § 148 ZPO bis zur Erledigung eines beim OLG gestellten Antrags auf Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens kommt nicht in Betracht, weil einem solchen Antrag das Rechtsschutzinteresse fehlt, nachdem in einem anhängigen Verfahren vor einem staatlichen Gericht die Schiedseinrede erhoben wurde.
LG Mainz Urt.v. 17.4.2008 - 1 O 405/06; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2008, 263 = RKS A 1 Nr. 165
Aus dem Sachverhalt:
Der Kläger verlangt von der Beklagten, seiner Schwester, Nutzungsentschädigung sowie Erstattung von Schönheitsreparaturen und notwendige Arbeiten für das von ihr allein bewohnte Elternhaus, das zu einem Drittel in ihrem und - nach Ankauf eines Drittels der weiteren Schwester M. - zu zwei Dritteln im Eigentum des Klägers steht. Die am 10.2.2001 verstorbene Mutter und der vorverstorbene Vater der Parteien hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem u.a. geregelt ist:
„Unsere ledigen Kinder H. (Bekl.), M. und N. (Kl.) werden Eigentümer des Hauses. ... Den Nutzungsberechtigten, die ihr Nutzungsrecht nicht ausüben, ist von den Nutzungsrecht ausübenden eine monatliche Entschädigung zu zahlen. Der oder die Nutzungsausübenden sind zur Werterhaltung des Hauses verpflichtet. Die Kosten werden anteilig von allen Nutzungsberechtigten getragen.
Für den Fall, dass unsere letztwillige Verfügung Anlass zu Streitigkeiten unter den Erben in irgendeiner Weise wegen der Auslegung unseres letzten Willens Anlass geben sollte, entscheidet ein sachverständiger Schiedsrichter verbindlich unter Ausschluss des Rechtsweges. Dasselbe gilt, wenn es bei der Ausführung unserer Anordnungen und der Aufteilung des Nachlasses zu Streitigkeiten unter den Erben kommen sollte.”
Durch notarielle Verträge 2003 wurde der Grundbesitz im Wege der Erbauseinandersetzung zu je einem Drittel auf jede der Parteien und die weitere Schwester M. übertragen. Diese verkaufte 2005 ihren Eigentumsanteil an den Kl. Der Kl. trägt vor, nach der Regelung im Gemeinschaftlichen Testament sei die Bekl. zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung sowie von Erhaltungskosten verpflichtet. Die Bekl. beantragt Klageabweisung. Die Klage sei wegen der Schiedsgerichtsbestimmung unzulässig. Der Kl. meint, die Schiedsabrede gelte im vorliegenden Fall nicht, weil die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt, der Nachlass geteilt sei und der Kl. ein Drittel käuflich erworben habe; dieses Drittel habe nichts mehr mit der Erbschaft zu tun, der Kl. trete hier wie ein Dritter auf, der Rechte aus der Gemeinschaft geltend mache.
Mit Schriftsatz vom 28.3.2008 hat der Kl. beim OLG Koblenz einen „Antrag nach § 1062 ZPO” eingereicht zur Feststellung, dass bezüglich der hier streitgegenständlichen Ansprüche das schiedsrichterliche Verfahren unzulässig sei, hilfsweise Bestellung eines namentlich benannten Rechtsanwalts als Schiedsrichter . Im Hinblick auf diesen Antrag wurde die Aussetzung des vorliegenden Verfahrens gem. § 148 ZPO beantragt.
Aus den Gründen:
1. Die Klage ist unzulässig. Das Gemeinschaftliche Testament der Eltern der Parteien enthält eine Schiedsgerichtsklausel (auch) für Streitigkeiten unter den Erben über die Auslegung des letzten Willens sowie über die Ausführung von Anordnungen, die wegen des ausdrücklichen „Ausschlusses des Rechtsweges” nicht als bloße Schiedsgutachterbestimmung zu werten und auch nicht als unzulässige Fremdbestimmung i.S.d. § 2065 BGB anzusehen sind (Palandt zu § 317 BGB Rd-Nr. 8 und § 2065 BGB Rd-Nr. 14).
Die bereits erfolgte Auseinandersetzung betrifft nur den Komplex „Aufteilung des Nachlasses”, bei dem es keine Streitigkeiten beizulegen gab und der nicht streitgegenständlich ist. Die Wirksamkeit der Schiedsgerichtsklausel im Übrigen bleibt hiervon unberührt. Betreffend den gewollten Inhalt der Regelung von Nutzung und Instandhaltung des Hausgrundstücks, das ursprünglich dreien der fünf Kinder der Erblasser in ungeteilter Erbengemeinschaft zufiel, gibt es nunmehr Streit, und zwar Streit unter Erben „wegen der Auslegung” des „letzten Willens” der Eltern. Solche Streitigkeiten sollten nach dem ausdrücklich erklärten Erblasserwillen nicht öffentlich vor staatlichen Gerichten ausgetragen, sondern von einem intern zu beauftragenden Schiedsrichter entschieden werden.
2. Die Tatsache, dass eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft stattgefunden hat, ist in diesem Zusammenhang ebenso unerheblich wie die weitere unstreitige Tatsache, dass eines der drei Mitglieder der ursprünglichen Erbengemeinschaft den ihm zugefallenen Miteigentumsanteil an ein anderes Mitglied verkauft hat. Denn nach Zuweisung von Miteigentumsanteilen waren weiterhin die früheren Mitglieder der Erbengemeinschaft am Gesamtgrundstück „beteiligt”, nach dem Verkauf des einen Drittels an den Kläger verblieben immer noch zwei Erben, die zusammen alle „Beteiligungen” am Gesamtgrundstück halten. Streitigkeiten zwischen Erben sollen aber, ohne dass es auf den Stand der Auseinandersetzung oder die Zahl der Streitenden ankommt, ausschließlich vom Schiedsrichter beigelegt werden.

Gem. §§ 1066, 1032 ZPO ist die vor dem staatlichen Gericht erhobene Klage bei - hier vorliegender - Rüge der Beklagtenseite als unzulässig abzuweisen.
3. Eine Aussetzung der Verhandlung gem. § 148 ZPO kam nicht in Betracht. Der Annahme einer Vorgreiflichkeit im Sinne dieser Vorschrift steht im Verhältnis der Schiedsgerichte zu staatlichen Gerichten grundsätzlich die sog. Kompetenz-Kompetenz des Staatsgerichts entgegen (Thomas/Putzo § 1032 ZPO Rd-Nr 1, 1040 Rd-Nr. 8) Eine Aussetzung im Hinblick auf dem vom Kl. beim OLG Koblenz gestellten Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens kommt deswegen nicht in Betracht, weil einem derartigen Antrag nach § 1062 bei rechtshängigem Verfahren vor einem staatlichen Gericht mit erhobener Schiedseinrede das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (BayObLG Beschl.v. 7.10.2002 NJW-RR 2003, 354 = RKS A 1 Nr. 120; OLG Koblenz OLGR 2000, 4). Eine Aussetzung im Hinblick auf ein Verfahren, das eben wegen der Rechtshängigkeit des auszusetzenden Verfahrens wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses alsbald mit Antragsverwerfung enden muss, macht keinen Sinn.