A1 Nr. 161
A 1 Nr. 161
§§ 1034, 1035, 1040, 1046 ZPO - Wirksame Schiedsklausel trotz Verweisung auf beabsichtigten, aber nicht abgeschlossenen Schiedsvertrag. Sog. Mehrparteien-Schiedsgerichtsbarkeit (Verfahren mit aus mehreren Personen bestehender Partei): Schiedsrichterernennung durch das Gericht. Widerklage gegen Dritten
1. Die Klausel „Streitigkeiten unter den Partnern über Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag entscheidet unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig und bindend ein Schiedsgericht gemäß dem gesondert geschlossenen Schiedsvertrag” enthält den notwendigen Inhalt einer Schiedsvereinbarung und ist wirksam, auch wenn der gesonderte Schiedsvertrag nicht abgeschlossen wurde. Dies gilt erst recht, wenn die Parteien rechtskundig sind.
2. Eine Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit, d.h. ein Verfahren mit einer aus mehreren Personen bestehenden Partei, ist grundsätzlich zulässig. Zwar kann das Recht jeder Partei auf Ernennung eines Schiedsrichters zu einem prozessualen Übergewicht der Einzelpartei, die einen Schiedsrichter benennen kann, gegenüber der Mehrpersonenpartei, die sich auf einen Schiedsrichter einigen muss, führen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Schiedsvertragsparteien bei der Bildung des Schiedsgerichts ist nicht verletzt, wenn sie bei Abschluss der Schiedsvereinbarung die Möglichkeit eines solchen Verfahrens vorhersehen konnten und mit seiner Durchführung mindestens konkludent einverstanden sind. Gemäß dem Prinzip der „prozessualen Waffengleichheit” sind dann jedoch beide Schiedsrichter durch das Gericht zu ernennen, wenn sich die mehreren auf der einen Seite beteiligten Personen nicht auf einen Schiedsrichter einigen können.
3. Eine Widerklage gegen einen Dritten ist im Schiedsverfahren zulässig, wenn die bisherigen Parteien und die neu einzubeziehende Partei von derselben Schiedsvereinbarung gebunden sind. Zweifel, ob die widerklagend erhobenen Ansprüche der Schiedsklausel unterliegen, stehen nicht entgegen; darüber hat das Schiedsgericht zu entscheiden. Gegen einen Zwischenentscheid, in dem das Schiedsgericht seine Zuständigkeit bejaht, ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO zulässig.
KG Beschl.v.21.4.2008 - 20 SchH 4/07; NJW 2008, 2719 = RKS A 1 Nr. 161
Aus dem Sachverhalt:
Der Antragsteller begehrt die Benennung eines gemeinsamen Schiedsrichters für die Antragsgegner im Hinblick auf ein durchzuführendes Schiedsverfahren über die Auseinandersetzung einer Anwaltssozietät, hilfsweise zusätzlich die Benennung eines neuen Schiedsrichters auch für ihn. Im Sozietätsvertrag heisst es:
Ablösungsklausel. Diese Vereinbarung regelt abschließend die Rechtsbeziehungen zwischen den Partnern an Stelle ihrer bisherigen Sozietäts-/Partnerschaftsregelungen.
Schiedsklausel. Streitigkeiten unter den Partnern über Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag entscheidet unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig und bindend ein Schiedsgericht gemäß dem gesondert geschlossenen Schiedsvertrag.
Ein zwischen den Verfahrensbeteiligten gesondert geschlossener Schiedsvertrag existiert nicht. Die bisher am beabsichtigten Schiedsverfahren nicht beteiligten Gesellschafter D, L, M und T haben sich ebenfalls der Schiedsklausel im Sozietätsvertrag unterworfen. Mit Schreiben vom 9.3.2007 forderte der ASt. die Ag. auf, binnen eines Monats einen gemeinsamen Schiedrichter zu benennen. Die Ag. weigerten sich und bestellten stattdessen jeder einen eigenen Schiedsrichter. Gegenstand des beabsichtigten Schiedsverfahrens soll eine Klage des ASt. gegen die Ag. auf Zahlung von knapp 200.000 Euro als Gesamtschuldner sowie gegen jeden Ag. einzeln auf Zahlung eines Betrags aus der Auseinandersetzungsbilanz, auf Auskunft und auf Ersatz des anteiligen Zinsaufwandes hinsichtlich eines Darlehns für den Ankauf eines Grundstücks sein, wobei zwischen dem ASt. und den Ag. streitig ist, ob der letztgenannte Anspruch der Schiedsvereinbarung unterfällt.
Der Senat hat das Amt der bisher benannten vier Schiedsrichter für beendet erklärt und zwei Richter am KG zu Schiedsrichtern bestellt.
Aus den Gründen:
1. Der Antrag auf Bestellung eines gemeinsamen Schiedsrichters für die Ag. ist gem. §§ 1062 Abs. 1 Nr. 1, 1035 Abs. 3 Nr. 3 ZPO zuläsig und mit der Maßgabe begründet, dass gem. § 1035 Abs. 3 S. 3, 1034 Abs. 2 ZPO auch für den ASt. ein Schiedsrichter zu bestellen iat.
Die im Sozietätsvertrag vom 15.10.1998 unter § 26 zwischen den Parteien vereinbarte Schiedsklausel ist gem. § 1029 ZPO wirksam. Der Senat folgt insoweit den zutreffenden Entscheidungsgründen des Urteils vom 12.12.2006 (14 U 6/06). Dass die Schiedsvereinbarung noch von dem Abschluss eines Schiedsvertrages abhängig sein sollte, ist auch angesichts des Zusatzes „gemäß dem gesondert geschlossenen Schiedsvertrag” nicht ersichtlich; denn nach dem Wortlaut der Regelung sollten Streitigkeiten unter den Partnern über Rechte und Pflichten aus dem Sozietätsvertrag unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültg und bindend von einem Schiedsgericht entschieden werden. Da die Schiedsvereinbarung den notwendigen Inhalt enthält, würde selbst die Unwirksamkeit aller sonstigen fakultativen Verfahrensvereinbarungen nicht nach § 139 BGB automatisch zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung führen. Diese bleibt im Zweifel vielmehr bestehen, für die Konstituierung des Schiedsgerichts und dessen Verfahren gelten dann die gesetzlichen Regeln (Zöller/Geimer ZPO 26.Aufl. § 1029 Rd-Nr. 31). Gleiches muss für den Fall eines beabsichtigten, dann aber nicht geschlossenen Schiedsvertrags gelten. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass den rechtskundigen Parteien des Sozietätsvertrags bekannt sein musste, dass die Schiedsvereinbarung auch ohne weitere zusätzliche Vereinbarung Rechtswirksamkeit entfalten würde. Es wäre ihnen unbenommen geblieben, die Schiedsklausel eindeutig von dem Abschluss eines Schiedsvertrags im Sinne einer Bedingung abhängig zu machen.
2. Zulässigkeit einer Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit: Da die Parteien keine Vereinbarung über die Anzahl der Schiedsrichter getroffen haben, ist die Anzahl der Schiedsrichter gem. § 1034 Abs. 1 S. 2 ZPO drei. Zwar haben die Ag. zutreffend darauf hingewiesen, dass die Regelungen des 10. Buches der ZPO ein Mehrparteienschiedsgerichtsverfahren nicht vorsehen.
Der BGH hat es in seinem Urteil BGHZ 132, 278 = NJW 1996, 1753 = RKS A 1 Nr. 84 (zur Schiedsfähigkeit von Gesellschaftenbeschlüssen) abgelehnt, das schiedsrichterliche Verfahren insoweit im Rahmen richterlicher Rechtsfortbildung zu regeln, und auf den Gesetzgeber verwiesen. In Kenntnis dieser Entscheidung hat der Gesetzgeber aber wiederum bei der Neufassung der ZPO zum 1.1.1998 bewusst keine Regelung getroffen, um die Problematik „angesichts ihrer Vielschichtigkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht weiterhin der Lösung durch die Rechtsprechung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls” zu überlassen (Erl.d.Reg.-Begr. zu § 1030 I 1 ZPO, BT-Dr 13/5274 S. 35). Daher obliegt es der Rechtsprechung, im Einzelfall unter Auslegung der vertraglichen Regelung der Parteien eine Entscheidung zu treffen.
Bei der Bildung eines Dreierschiedsgerichts gem. § 1034 Abs. 1 S. 2 ZPO könnte das Recht der Parteien, die sich zu mehreren auf einer Seite befinden, auf jeweilige Ernennung eines eigenen Schiedsrichters beeinträchtigt sein, das nur dann eingeschränkt werden darf, wenn ein solcher Eingriff aus einer besonderen Rechtslage heraus gerechtfertigt ist. Die gesetzlich vorgesehene Parteiernennung würde auch zu einem prozessualen Übergewicht der Einzelpartei führen, die weil sie „ihren” Schiedsrichter frei ernennen könnte einen ungleich größeren Einfluss auf die Besetzung des Schiedsgerichts hätte als die sich aus mehreren Personen zusammensetzende Gegenpartei, die gezwungen wäre, sich auf einen gemeinschaftlichen Schiedsrichter zu einigen bzw. einen zwangsbestellten Schiedsrichter zu akzeptieren, sofern eine Einigung nicht herbeigeführt werden kann. Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien bei der Bildung des Schiedsgerichts ist aber dann nicht verletzt, wenn die Parteien mit der Durchführung eines solchen Schiedsverfahrens einverstanden sind, wobei ein dahingehender Parteiwille, sofern er nicht ausdrücklich geäußert wurde, durch Auslegung der Schiedsvereinbarung zu ermitteln ist (Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 10 Rd-Nrn. 14f.; Stein/Jonas/Schlosser ZPO 22. Aufl. § 1034 Rd-Nr. 21; Berger RIW 1993, 702). So kann bei einem multilateralen Vertrag, der lediglich eine Standardschiedsklausel enthält, auf eine stillschweigende Vereinbarng eines Mehrparteienschiedsverfahrens geschlossen werden, wenn die Parteien voraussehen konnten oder mussten, dass aus der Vertragsbeziehung entstehende Streitigkeiten nicht in angemessener Weise durch jeweils bilaterale Schiedsverfahren zu entscheiden wären (Schwab/Walter Kap. 10 Rd-Nrn. 14f.; Berger RIW 1993, 702 705).
Im vorliegenden Fall haben die Parteien des Schiedsvertrags bewusst die Streitigkeiten unter den Partnern über Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag und damit auch bei einer Auseinandersetzung der Sozietät ausdrücklich der Schiedsgerichtsbarkeit unterstellt. Es musste ihnen als Rechtsanwälten daher klar sein, dass in diesem Falle auf einer Seite die Sozietät bzw. die verbleibenden Gesellschafter und auf der anderen Seite die ausscheidenden Gesellschafter beteiligt sein konnten, die nur einen Schiedsrichter bestellen durften. Es würde jedoch Treu und Glauben und dem Prinzip der prozessualen Waffengleichheit (vgl. Cour de Cassation, RvArb 1992, 470 = BB 1992 Beil. Nr. 15, 27) widersprechen, wenn die auf der einen Seite des Verfahrens allein stehende Partei auf ihrem Ernennungsrecht besteht, während zugleich die auf der anderen Seite stehenden Personen gezwungen sind, einen gemeinsamen Schiedsrichter hinzunehmen. Es ist daher eine Korrektur über § 1034 Abs. 2 ZPO in der Weise herbeizuführen, dass in den Fällen, in denen keine notwendige Streitgenossenschaft vorliegt und sich die Beteiligten wie hier vorliegend auf einer Seite in einem mehrseitigen Konflikt befinden und sich nicht auf einen Schiedsrichter einigen können, die Benennung beider Schiedsrichter durch das Gericht erfolgt (vgl. auch OLG Frankfurt a.M. SchiedsVZ 2006,219 = RKS A 2 Nr. 41; Stein/Jonas/Schlosser § 1034 Rd-Nr. 17; Münch in MünchKomm-ZPO 2. Aufl. § 1035 Rd-Nr. 35; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 66. Aufl. § 1035 Rd-Nr. 7; Musielak/Voit ZPO 5. Aufl. § 1035 Rd-Nr. 7; Lachmann Hdb.f.d.Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Kap. 29 Rd-Nr. 2820).
3. Soweit die Ag. meint, die Durchführung des Schiedsverfahrens beeinträchtige sie in ihren Rechten, da sie beabsichtige, Widerklage gegen hier nicht beteiligte Gesellschafter zu erheben, kann auch dieser Einwand nicht greifen. Nach § 1046 Abs. 3 ZPO ist die Widerklage im Schiedsverfahren zulässig. Nach neueren Tendenzen in der Literatur und der Rechtsprechung des Internationalen Schiedsgerichtshofs der ICC ist auch eine Widerklage gegen einen Dritten im Schiedsverfahren möglich, wenn die bisherigen Parteien und die neu einzubeziehende Partei von derselben Schiedsvereinbarung gebunden sind (Kleinschmidt SchiedsVZ 2006, 142 145f.).
Dass es auch um die Geltendmachung von Ansprüchen geht (Grundstück), die u.U. nicht der Schiedsklausel unterfallen, vermag die grundsätzliche Auseinandersetzung der Sozietät in einem Schiedsverfahren nicht auszuschließen. Über die Frage der Geltung der Schiedsklausel für die Ansprüche betr. das Grundstück hat das Schiedsgericht gem. § 1040 Abs. 2 + 3 zu befinden; gegen einen Zwischenentscheid, wonach sich das Schiedsgericht für zuständig hält, ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO zulässig.