Recht und Steuern

A1 Nr. 160

A 1 Nr. 160
§ 1061 ZPO, § 879 Abs. 3 österr. ABGB - Vereinbarung ausländischen Schiedsgerichts (New York)
Die Vereinbarung eines ausländischen Schiedsgerichts in einem Franchise-Vertrag, dessen sämtliche Leistungen von beiden Seiten in Deutschland zu erbringen sind, beeinträchtigt den Franchisenehmer gröblich i.S.v. § 879 Abs. 3 AGBG und ist nichtig. Dies gilt für privatrechtliche Verträge aller Art, und zwar auch dann, wenn der Franchisenehmer mit Abschluss des Vertrages nicht mehr Verbraucher, sondern Unternehmer ist.
OLG Dresden Beschl.v.7.12.2007 - II Sch 8/07; Internationales Handelsrecht (IHR) 2008, 119 = RKS A 1 Nr. 160
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin, eine niederländische Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist eine Franchisegeberin für gastronomische Betriebe, die Sandwiches und Salate unter dem Markennamen „Subway” vertreibt. Der Antragsgegner ist lt. Vertrag vom 31.5.2005 Franchisenehmer für eine gastronomische Subway-Einrichtung in Meißen. Unter Ziffer 10 c haben die Parteien eine Schiedsklausel vereinbart. In der deutschen Übersetzung (der verbindliche Vertragstext ist der englische) heisst es dort:
„...Alle Streitfälle, die dieser Vertrag vorsieht, werden unmittelbar einem Schiedsgericht vorgelegt. ... Die Schiedsgerichtsbarkeit findet entsprechend der Schiedsgerichtsordnung der UN-Kommission für internationales Handelsrecht (UNCITRAL-Schiedsgerichtsordnung) statt, ausgeübt durch das International Centre for Dispute Resolution, einem Mitglied der American Arbitration Association, bei einer in New York, USA, abzuhaltenden mündlichen Verhandlung. Das Schiedsverfahren findet in englischer Sprache statt und wird von einem Einzelschiedsrichter entschieden. ...”
Im englischen Text ist nicht, wie die deutsche Übersetzung nahelegt, das International Centre for Dispute Resolution dasjenige Schiedsgericht, was ausschließlich Streitigkeiten aus dem Vertrag zu entscheiden hat; das International Centre for Dispute Resolution ist nur als Beispiel für ein mögliches Schiedsgericht genannt („... such as the International Centre for Dispute Resolution ...”).
Der Ort des Schiedsgerichtsverfahrens ist mit New York verbindlich festgelegt, auch im englischen Text.
Der AGg. hatte mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, weil in der unmittelbaren Umgebung seines Subway-Restaurants eine umfangreiche Straßenbaustelle den Kundenverkehr behinderte. Er meinte, die ASt. müsse auf diese Situation Rücksicht nehmen und zahlte eine Zeitlang die geschuldeten Franchisegebühren nicht. Die ASt. versuchte vergeblich, den Konflikt im Gesprächsverfahren zu lösen und rief danach als Schiedsgericht das American Dispute Resolution Centre Inc. in Glastonbury an. Der Einzelschiedsrichter erließ am 2.4.2007 den Schiedsspruch, dessen Vollstreckbarerklärung die ASt. begehrt.
Der AGg. beantragt die Aufhebung. Vertrag und Schiedsklausel benachteiligten ihn unangemessen und seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam, der Schiedsspruch verstoße gegen den deutschen Ordre Public. Die ASt. verteidigt den Vertragstext: Sie habe den Vertrag unter die Herrschaft des Liechtensteinischen Rechts gestellt, weil die amerikanische Muttergesellschaft aus steuerlichen Gründen die Zentrale außeramerikanische Niederlassung in Liechtenstein angesiedelt habe. Deswegen sei die Vereinbarung des Liechtensteinischen Rechts für sie besonders praktisch gewesen. Die europäische Franchisegeberin sei in den Niederlanden gegründet worden, weil weil dies wiederum unter steuerlichen Gesichtspunkten am günstigsten gewesen sei. New York sei als Ort der Schiedsgerichtsverhandlung bestimmt worden, weil dies für die amerikanische Muttergesellschaft am einfachsten gewesen sei. Mit keiner dieser Bestimmungen habe man den Antragsgegner besonders benachteiligen oder um die Wahrung seiner Rechte bringen wollen. Diese Argumentation hat die ASt. im Schriftsatz vom 3.12.2007 noch einmal vertieft.
Aus den Gründen:
Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs war zu versagen, weil der Antragsgegner den Beweis erbracht hat, dass die Vereinbarung nach dem Recht, dem die Parteien sie unterstellt haben, ungültig ist. Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung richtet sich nach Art. 5 UNÜ vom 10.7.1958, § 1061 ZPO.
Die Parteien haben ihren Vertrag dem Liechtensteinischen Recht unterstellt (Ziffer 13 des Vertrages). Es kann dahinstehen, ob die Geltung Liechtensteinischen Rechts in AGB wirksam vereinbart werden konnte; denn die ASt. muss sich an ihren eigenen AGB festhalten lassen.
In Liechtenstein gilt das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch. In § 879 Abs. 3 AGBG heisst es:
„Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, ist jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt.”
Diese Vorschrift ist auf den vorliegenden Vertrag anwendbar, auch wenn der AGg. mit Abschluss des Vertrages nicht mehr Verbraucher, sondern Unternehmer ist. Denn Abs. 3 verdeutlicht nur „bruchstückhaft” den allgemeinen „Grundsatz in Form einer Generalklausel”, die Abs. 1 des § 879 normiert: „Ein Vertrag, der ... gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig” (Krejci in Rummel Kommentar zum ABGB 1990 Anm. 2 zu § 879). Die Vorschrift gilt für privatrechtliche Verträge aller Art (a.a.O. Rd-Nr. 4).
Die Schiedsklausel ist eine Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt.
Sie benachteiligt den AGg. unter Berücksichtigung der Umstände des Falles gröblich. Die ASt. bildet ihren Willen nicht autonom in Amsterdam, sondern wird von der US-Amerikanischen Zentrale Doctor–s Association Inc. gesteuert. Das erklärt ihr Interesse am Sitz des Schiedsgerichts in New York, aber es rechtfertigt nicht, den AGg. zur mündlichen Verhandlung nach New York zu zwingen. Die amerikanische Muttergesellschaft kontrolliert weltweit über 20 Franchisenehmer. Das gibt ihr eine drückende Überlegenheit gegenüber dem AGg. Für die ASt. ist es ein Leichtes, jeden Gerichtsstand im Umkreis des AGg. zu erreichen. Sie verfügt über ein Netz von Betreuern in Deutschland und über einen mit ihrer Vertretung ständig beauftragten Rechtsanwalt. Für den AGg. ist es ungleich schwieriger, einen Termin in New York wahrzunehmen und einen amerikanischen Anwalt zu beauftragen, der ihn dort angemessen vertreten kann. Auf den Preis des Flugtickets kommt es dabei nicht an. Die Orientierungsschwierigkeiten des AGg. geben bei der Betrachtung den Ausschlag.
Der Franchisevertrag selbst wird in Deutschland abgewickelt. Die Lizenz steht zwar der amerikanischen Muttergesellschaft zu, wird aber von der niederländischen Tochterfirma an den einzelnen Franchisenehmer in Europa vergeben. Sämtliche sonstigen Vertragsleistungen werden von beiden Seiten in Deutschland erbracht. Außer der Bequemlichkeit für die Muttergesellschaft der ASt. gibt es keinen nachvollziehbaren Grund dafür, dass ein Franchisenehmer, der in Meißen Sandwiches und Salate verkauft, zur Lösung seiner Konflikte mit der Ast. nach New York reisen muss.