Recht und Steuern

A1 Nr. 155

A 1 Nr. 155
§ 1032 Abs. 2 ZPO Gesonderte Feststellung der (Un-)Zulässigkeit des Schiedsverfahrens
Es besteht kein Rechtsschutzinteresse für die Durchführung eines gesonderten Feststellungsverfahrens, wenn die Verfahrensbeteiligten zum Zeitpunkt der Antragstellung nach § 1032 Abs. 2 ZPO bereits in einem Hauptsacheverfahren über die Zulässigkeit des Schiedsverfahrens streiten.
OLG München Beschl.v. 10.1.2007 34 SchH 014/06; RKS A 1 Nr. 155
Aus dem Sachverhalt:
Im Gesellschaftsvertrag über eine stille Beteiligung vereinbarten die Parteien u.a.:
§ 12 Schiedsvertrag: (1) Über alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag entscheidet unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs ein Schiedsgericht. (2) Das Schiedsgericht entscheidet nach den Bestimmungen eines gesondert abzuschließenden Schiedsvertrages, der Bestandteil dieses Vertrages ist.
Eine Vereinbarung gemäß § 12 (2) wurde weder zeitgleich mit dem Gesellschaftsvertrag noch in der Folgezeit abgeschlossen. Im Rechtsstreit auf Rückzahlung der geleisteten Einlage vor dem Landgericht T. erhob die Beklagte die Schiedseinrede. Das Landgericht hat bisher nicht entschieden. Die Antragstellerin als Klägerin beantragt, die Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens festzustellen.
Aus den Gründen:
Dem Antrag fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weil bereits ein Hauptsacheverfahren vor einem staatlichen Gericht rechtshängig ist und dort die Schiedseinrede nach § 1032 Abs. 1 ZPO erhoben wurde.
Die ZPO bietet drei verschiedene Wege zur Klärung der Frage, ob anstelle staatlicher Gerichte ein Schiedsgericht zuständig ist. Zum einen kann der Beklagte vor dem erstinstanzlich zuständigen Gericht nach § 1032 Abs. 1 ZPO die Schiedseinrede erheben, zum zweiten kann ein Antrag an das zuständige OLG auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens nach § 1032 Abs. 2, § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gestellt werden, und zum dritten besteht die Möglichkeit, die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts im schiedsrichterlichen Verfahren nach § 1040 Abs. 1 S. 1 ZPO geltend zu machen. Das Gesetz enthält zwar Regelungen über das Verhältnis des schiedsrichterlichen Verfahrens gegenüber dem Verfahren vor den staatlichen Gerichten, nicht jedoch eine Bestimmung über das Rangverhältnis von § 1032 Abs. 1 ZPO und § 1032 Abs. 2 ZPO untereinander. In Übereinstimmung mit der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 7.10.2002 (4 Z Sch 8/02 RKS 1 Nr. 120 = SchiedsVZ 2003, 188 f. mit zustimmender Anmerkung Busse) sieht der Senat grundsätzlich kein sachliches Bedürfnis für die Durchführung eines gesonderten Feststellungsverfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO, wenn die Verfahrensbeteiligten zum Zeitpunkt der Antragstellung nach § 1032 Abs. 2 ZPO bereits in einem Hauptsacheverfahren nach § 1032 Abs. 1 ZPO über die Zulässigkeit des schiedsrichterlichen Verahrens streiten. Regelmäßig wird das Hauptsachegericht eine Entscheidung über die streitige Schiedsklausel treffen, indem es die Klage entweder als unzulässig abweist oder in der Sache selbst entscheidet, und damit die Unsicherheit zwischen den Parteien über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung beseitigen (Musielak/Voit ZPO 5. Aufl. § 1032 Rd-Nr. 12 m.w.N.). Überzeugende Gründe, weswegen sich ein weiteres Gericht parallel dazu mit der gleichen Fragestellung befassen soll, sind nicht ersichtlich. Die ASt. legt auch keine besonderen Umstände dar, weshalb gerade im vorliegenden Fall eine Entscheidung im bereits anhängigen Rechtsstreit nicht zu einer hinreichenden Klärung über die Geltung der strittigen Schiedsklausel führen sollte.
Zudem würde die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen gefördert, wenn man die Verfahren nach § 1032 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO selbständig nebeneinander betreiben könnte (BayObLG aaO.).
Soweit die ASt. einwendet, der vom BayObLG entschiedene Fall sei nicht vergleichbar, da nur eine Nebenintervenientin dem Rechtsweg zu den Schiedsgerichten widersprach, kann der Senat hierin keinen relevanten Unterschied erkennen. Sowohl in dem entschiedenen wie auch in dem anhängigen Verfahren streiten Verfahrensbeteiligte im Hauptsacheverfahren über die Wirksamkeit einer Schiedsklausel. Das Gericht der Hauptsache ist zur Entscheidung über diesen Streitpunktnach § 1032 Abs. 1 ZPO berufen. Jede Partei hat die Möglichkeit, die Entscheidung des Gerichts mit Hilfe eines Rechtsmittels überprüfen zu lassen. Für die Befassung eines weiteren Gerichts besteht kein schützenswertes Interesse.
Auch der Grundsatz der Prozessökonomie spricht dafür, dass bei der vorliegenden Fallkonstellation das bereits eingeleitete Verfahren vorrangig ist. Die Prozessökonomie beurteilt sich nicht danach, wie das Gericht der Hauptsache über die strittige Schiedsklausel entscheiden wird und inwieweit die Parteien diesbezüglich Rechtsmittel ankündigen. Ebenso wenig ist darauf abzustellen, wie das nach § 1032 Abs. 2 ZPO angerufene Gericht die Wirksamkeit der Schiedsklausel materiell-rechtlich beurteilen würde. Entscheidend ist vielmehr, dass bereits ein Gericht mit der Frage befasst ist und hinreichender Rechtsschutz und Rechtssicherheit für die Parteien in diesem Verfahren gewährleistet sind.
Im Übrigen kann es nicht im Belieben einer Partei stehen, mit Hilfe eines Antrags nach § 1032 Abs. 2 eine ihr unliebsame Entscheidung des Prozessgerichts zu vermeiden und stattdessen ggf. auch in einem fortgeschrittenen Stadium des Hauptsacheverfahrens ein weiteres Gericht mit der strittigen Schiedsklausel zu befassen in der Hoffnung, dieses Gericht werde sich von ihren Argumenten überzeugen lassen.