Recht und Steuern

A1 Nr. 154

A 1 Nr. 154
§ 769 Abs. 1 + 2, § 1041 ZPO Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch
Ein zum Oberlandesgericht gestellter Antrag gem. § 769 Abs. 1 ZPO auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch ist unzulässig, jedenfalls solange nicht die Vollstreckungsgegenklage zumindest durch Einreichung der Klageschrift vor dem Prozessgericht anhängig ist.
Prozessgericht ist das Schiedsgericht, falls sich die Schiedsabrede auch auf die vom Vollstreckungsschuldner erhobenen Gegenansprüche bezieht.
Es bleibt dem Vollstreckungsschuldner unbenommen, bei Vorliegen der in § 769 Abs. 2 ZPO genannten Voraussetzungen einen entsprechenden Antrag an das Vollstreckungsgericht zu stellen oder nach Maßgabe des § 1041 ZPO um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen.
OLG München Beschl.v. 10.4.2006 34 Sch 010/06; RKS A 1 Nr. 154
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist eine inzwischen in Liquidation befindliche, in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebene Sozietät von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern Der Antragsgegner war bis Jahresanfang 2003 Gesellschafter. In dem Rechtsstreit zwischen dem jetzigen Antragsgegner als Schiedskläger und der jetzigen Antragstellerin als Schiedsbeklagten erging am 4.4.2005 ein Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, lt. dessen Ziffer 2 die Beklagte u.a. an den Kläger 900.000 Euro zuzüglich Zinsen zu zahlen hatte. Lt. Ziffer 11 des Schiedsspruchs entscheidet das erkennende Schiedsgericht über alle Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit diesem Vergleich unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültig. Durch Beschluss vom 22.2.2006 (Az. 34 Sch 002/06) erklärte der Senat auf Antrag des jetzigen Antragsgegners den Schiedsspruch insoweit für vollstreckbar.
Die ASt. hat nunmehr unter Bezug auf § 769 Abs. 1 ZPO beantragt, die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung „aus dem Beschluss des OLG München Az. 34 Sch 002/06” einstweilen ohne, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung einzustellen. Sie macht Einwendungen gegen den titulierten Anspruch geltend: Der Ag. könne aufgrund der Liquidation der ASt. wegen nachvertraglicher gesetzlicher Treuepflichten eigene Ansprüche solange nicht durchsetzen, wie die Drittschuldner der Gesellschaft nicht vollständig befriedigt seien bzw. jedenfalls bis eine überschießendes Vermögen der Ast. ausweisende Liquidationsbilanz erstellt worden sei. Es sei beabsichtigt, entsprechende Einwendungen vor dem zuständigen Schiedsgericht zeitnah im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen.
Aus den Gründen:
Der zum OLG gestellte Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung ist unzulässig.
Nach § 769 Abs. 1 S. 1 ZPO kann das Prozessgericht auf Antrag anordnen, dass bis zum Erlass des Urteils über die in §§ 767, 768 ZPO bezeichneten Einwendungen die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung eingestellt oder nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werde und dass Vollstreckungsmaßnahmen gegen Sicherheitsleistung aufzuheben seien.
Die Vorschrift soll verhindern, dass aus einem Titel vollstreckt wird, dessen endgültiger Bestand fraglich ist (Putzo in Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. § 769 Rd-Nr. 1). Es handelt sich um eine prozessbegleitende Entscheidung (MünchKomm ZPO/Schmidt 2. Aufl. § 769 Rd-Nr. 9), die voraussetzt, dass die Vollstreckungsgegenklage zumindest durch Einreichung der Klageschrift bereits anhängig ist (Putzo a.a.O. Rd-Nr. 7; MünchKomm/Schmidt a.a.O. Rd-Nr. 11; Zöller/Herget ZPO 25. Aufl. § 769 Rd-Nr. 4; Musielak/Lackmann ZPO 4. Aufl. § 769 Rd-Nr. 2; weitgehend Stein/Jonas/Münzberg ZPO 22. Aufl. § 769 Rd-Nrn. 6 ff., 8, der einen Prozesskostenhilfeantrag genügen lässt). Die vorliegende Antragstellung unabhängig von einer Klageerhebung, sei diese nun beim Schiedsgericht oder beim staatlichen Gericht zulässig, genügt diesen Anforderungen nicht.
Hinzu kommt, dass Ziffer 11 des Schiedsspruchs vom 4.4.2005 Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit dem im Schiedsspruch enthaltenen Vergleich unter Ausschluss des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten ausschließlich dem Schiedsgericht zuweist. Daher bestehen, ohne dass dies hier abschließend entschieden werden müsste, erhebliche Zweifel, ob das OLG München als staatliches Gericht für eine Vollstreckungsgegenklage als Hauptsacheklage überhaupt zuständig wäre (allgemein Zöller/Herget § 767 Rd-Nr. 10, siehe auch § 1062 ZPO).
Im Übrigen bleibt es der ASt. unbenommen, bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen einen Antrag nach § 769 Abs. 2 ZPO an das Vollstreckungsgericht - dies wäre jedenfalls nicht das Oberlandesgericht - zu stellen oder nach Maßgabe des § 1041 ZPO um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen.