Recht und Steuern

A1 Nr. 99

A1 Nr.99
§§ 1025 Abs.1, 1027 ZPO a.F. Vergleichs- und Schiedsfähigkeit öffentlichrechtlicherGebührentarife. Kommunaler Eigenbetrieb: Kaufmannseigenschaft, formloseSchiedsvereinbarung
Nach § 1025 Abs. 1 ZPO a.F. ist eine Schiedsvereinbarung nur wirksam,soweit die Parteien berechtigt sind, über den Streitgegenstand einen Vergleichzu schließen. Dies ist nicht zulässig über Entgelte, die in einer aufKommunalrecht beruhenden Satzung geregelt sind.
Nach § 1027 Abs. 1 ZPO a.F. muss eine Schiedsvereinbarung in einergesonderten Urkunde geschlossen werden, die keine anderen Vereinbarungenenthalten darf. Diese Formvorschrift gilt gemäß Abs. 2 aaO. nicht, wenn beideParteien Kaufleute sind und die Schiedsvereinbarung für beide Parteien einHandelsgeschäft ist. Juristische Personen des öffentlichen Rechts werden durchden Betrieb eines Handelsgewerbes Kaufleute, sofern der Betrieb auf dauerndeGewinnerzielung gerichtet ist, selbst wenn sie daneben zugleich in Erfüllungeiner gemeinnützigen öffentlichrechtlichen Aufgabe tätig werden. Dasstatsächlich kein Gewinn erzielt wird, steht nicht entgegen.
Die Kaufmannseigenschaft ist ausgeschlossen, wenn die Satzung desBetriebes die Absicht der Gewinnerzielung rechtmäßig ausschließt.
Bei dieser Prüfung sind auch die Verkehrsanschauung und der Schutz desguten Glaubens des Vertragspartners zu berücksichtigen.
OLG StuttgartUrteil vom 10.11.1998 – 10 U 113/98; NJW-RR 1999, 1557 = RKS A 1 Nr. 99
Aus dem Sachverhalt:
Die Klägerinbetreibt den Städtischen Schlachthof. Für die Benutzung erhebt sie ein Entgeltnach einem vom Betriebsausschuss festgesetzten Entgelttarif. In der„Betriebssatzung für den Städtischen Schlachthof” vom 23.10.1996 heißt es u.a.:
§ 1 (3) Der Schlachthof wird als Eigenbetrieb nach den Vorschriften desEigenbetriebsgesetzes geführt.
(4) Der Eigenbetrieb kann alle seinen Unternehmensgegenstand fördernden oderihn wirtschaftlich berührenden Geschäfte betreiben.
§ 3 (2) Der Eigenbetrieb schließt die Absicht der Gewinnerzielung aus.
Nach § 9 II Nr. 1 ist für die Festsetzung der Benutzungsbedingungeneinschließlich der Entgelte der Betriebsausschuss zuständig, der aus demVorsitzenden und acht Mitgliedern des Gemeinderats besteht, und bei derRegelung durch Satzung der Gemeinderat. Der Betriebsausschuss erließ den zum1.1.1997 in Kraft getretenen Entgelttarif und den am 1.8.1997 in Kraftgetretenen Entgelttarif K 5.
Die Beklagte,ein eingetragener wirtschaftlicher Verein, ist Großschlächter und führt ihreSchlachtungen im Städtischen Schlachthof durch auf Grund eines zwischen ihr unddem Schlachthof am 29.1.1997 schriftlich geschlossenen privatrechtlichenVertrages, in dem es u.a. heißt:
§ 5 Bezahlung. Die Bezahlung richtet sich nach den Entgelttarifen desStädtischen Schlachthofes.
§ 7 Schiedsgericht. Schwierigkeiten, die sich aus der Auslegung diesesVertrages ergeben, regelt für alle Teile ein Schiedsgericht.
Gegenstand desRechtsstreits sind rückständige Schlachtentgelte, weil die Beklagte die nachVertrags­schluss eingetretenen Tariferhöhungen ignorierte. Sie erhebt dieEinrede des Schiedsvertrages.
Aus denGründen:
DieSchiedsklausel ist wegen Verstoßes gegen § 1027 Abs. 1 ZPO a.F. formungültig.
Nach § 1025 Abs. 1 ZPO a.F. hat die Schiedsvereinbarung nur insoweit rechtlicheWirkung, als die Parteien berechtigt sind, über den Gegenstand des Streitseinen Vergleich zu schließen. Die ist aber hinsichtlich der Aufstellung vonEntgelttarifen nicht zulässig. Deren Aufstellung erfolgt in Übereinstimmung mitden dazu einschlägigen Normen des Kommunalrechtes und betrifft einerseits dieFrage der kommunalen Selbstverwaltung, andererseits die Frage der gebotenenGleichbehandlung der Benutzer des Eigenbetriebes. Über solche Fragen kann dieKl. mit der Bekl. keinen Vergleich schließen. Sie kann nicht hoheitlicheAufgaben an die Bekl., einen Privatrechtsträger, abtreten.
Nach § 1027ZPO a.F. darf ein Schiedsvertrag keine anderen Vereinbarungen enthalten. Einegesonderte Schieds­vertrags­urkunde haben die Parteien nicht aufgesetzt. DieVoraussetzungen des § 1027 Abs. 2 ZPO a.F., nach dem ein Schiedsvertrag auch injeder anderen Form abgeschlossen werden kann, liegen nicht vor. Voraussetzungwäre, dass der Schieds­vertrag für beide Teile ein Handelsgeschäft ist undbeide Teile Vollkaufleute sind (Röhl in AK-ZPO, 1987, Rand-Nr. 8;Thomas/Putzo, 1997, Rand-Nr. 10, Maier in Münchener Kommentar, 1992,Rand-Nr. 12, jeweils zu § 1027 ZPO a.F.). Ein Gewerbe betreibt jeder, derselbständig und berufsmäßig – also nicht nur gelegent­lich, sondern auf Dauerangelegt – eine Tätigkeit mit der Absicht ausübt, Gewinne zu erzielen. Fürdiese Gewinnabsicht spricht eine tatsächliche Vermutung (OLG München NJW 1988,1036 [1037]). Nach h.M. werden auch juristische Personen des öffentlichenRechts Kaufleute, sofern der Betrieb auf Gewinnerzielung gerichtet ist (Maierin Münchener Kommentar § 1027 ZPO a.F. Rand-Nr. 13).
Der BGH hat inseinem Urteil vom 2.7.1985 (BGHZ 95, 155 = NJW 1985, 3063) Grundsätzeaufgestellt, in welchem Fall vom Vorliegen eines Gewerbebetriebes i.S.d. § 196Abs. 1 Nr. 1 BGB (vier- statt zweijährige Verjährung) auszugehen ist. DiesenAusführungen schließt sich der Senat an. Der BGH betont die Erforderlichkeitder Absicht dauernder Gewinnerzielung in einem berufsmäßigen Geschäftsbetrieb.Darunter fällt jede auf wirtschaftlichem Gebiet im weitesten Sinne ausgeübtegeschäftliche Tätigkeit, die auf Erzielung dauernder Einnahmen gerichtet ist.Mit einer solchen Erwerbsabsicht kann auch eine öffentlichrechtliche Körperschafthandeln, und zwar unabhängig davon, ob sie daneben zugleich in Erfüllung einergemeinnützigen öffentlich­recht­lichen Aufgabe tätig wird. Voraussetzung istnur das Betreiben eines wirtschaftlichen Unternehmens, also eine Tätigkeit, dienicht allein und herkömmlich mit der Zielrichtung einer öffentlichen Aufgabebetrieben wird. Wirtschaftliche Unternehmen von Körperschaften des öffentlichenRechts sind danach solche Einrichtungen und Anlagen, die auch von einemPrivatunternehmen mit der Absicht der Erzielung dauernder Einnahmen betriebenwerden können und gelegentlich auch betrieben werden.
UnterAnwendung dieser Grundsätze hat der BGH die Gewerbeeigenschaft der DeutschenBundesbahn angenommen, da diese einen wirtschaftlichen Erfolg anstrebe, der denAufwand – wenn auch nur in bescheidenem Maße – übersteige, und dass es nichterforderlich sei, eine Gewinnmaximierung anzustreben. Dass die Bundesbahn einenden Aufwand zumindest geringfügig übersteigenden wirtschaftlichen Erfolgerstrebe, entnahm der BGH dem § 33 Abs. 1 Bundesbahngesetz in der damaligenFassung, in dem die Verwendung des Jahresüberschusses geregelt war. Dass dieBundesbahn seit Jahren keinen Gewinn gemacht hatte, stand lt. BGH ihrerKaufmanns­eigenschaft nicht entgegen. Diese kann nicht davon abhängen, ob einBetrieb in einem Jahr einen Gewinn macht oder nicht.
Imvorliegenden Fall hat die Kl. für den Städtischen Schlachthof aber ausdrücklichdie Erzielung eines Gewinnes ausgeschlossen. Damit hat sie auch nichtunrechtmäßig gehandelt. Zwar hat lt. § 102 Abs. 2 BadWürttGO die Gemeindewirtschaftliche Unternehmen so zu führen, dass der öffentliche Zweck erfülltwird; soweit diese Vorschrift weiter regelt, sie sollten einen Ertrag für denHaushalt der Gemeinde abwerfen, handelt es sich um eine nicht bindendeSollvorschrift bezüglich der Rentabilität (Kunze/Bronner/Katz GO fürBaden-Württemberg 4. Aufl. § 102 Rand-Nr. 57). Auch die Literatur (s.u.a. Nicklin Ensthaler GK-HGB 1997 § 1 Rand-Nr. 2 m.w.Nachw.) hält für notwendig eine Tätigkeitin der Absicht, hieraus einen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen, aber fürunerheblich, ob ein Gewinn tatsächlich entsteht, ferner braucht die Gewinn­erzielungs­absichtnicht die dominierende oder gar ausschließliche Motivation zu sein; bei derwirtschaftlichen Betätigung Privater wird die Gewinnerzielungsabsicht vermutet,bei Unternehmen der öffentlichen Hand bedarf sie jedoch in jedem Einzelfall derFeststellung.
Nach diesen Kriterien kann der Schlachthof der Kl. nicht als Kaufmann angesehenwerden. Bei der Prüfung dieser Frage darf allerdings lt. BGH auch die Verkehrs­anschauungnicht unberücksichtigt bleiben. Diese stellt erfahrungsgemäß auf betriebliche,organisatorische und wirtschaftliche Gesichtspunkte, d.h. auf den Aufbau unddie Ausgestaltung der jeweiligen Tätigkeit ab, wie sie nach außen inErscheinung tritt: „Wenn ein solcher Betrieb nicht eindeutig von anderenLeitgedanken als dem Erwerbsstreben – im Sinne der Absicht der Erzielungdauernder Einnahmen – beherrscht wird, wird der Verkehr der Art und dem Umfangder technischen und kaufmännischen Gestaltung des Unternehmens entnehmen, ob essich im Einzelfall um einen Gewerbe­betrieb oder eine anderweitige Tätigkeithandelt” (BGHZ 155 [159] = NJW 1985, 3063).
Für dieBundesbahn ging der BGH von einem regen Wettbewerb mit privaten Personen- undGüterbeförderungsunternehmen aus und bejahte auch unter diesem Aspekt dieAnnahme eines Gewerbebetriebes. Dieser Gesichtspunkt des BGH stellt auf denguten Glauben der Vertragspartner ab. Im Rahmen der damals anstehenden Frageder kurzen normalen bzw. längeren gewerblichen Verjährung vonLieferungsansprüchen war diese Entscheidung auch richtig, da die Bundesbahn mitvielen Lieferanten in Kontakt kommt und diese nicht in jedem Fall gehalten seinkönnen, sich über die für die Bundesbahn geltenden Bestimmungen kundig zumachen.
Imvorliegenden Fall tritt dagegen eine große Erzeugergemeinschaft mit der Stadtin Kontakt und schließt mit dieser einen langfristigen Vertrag über Leistungenab, die andere Anbieter so kaum jemals anbieten. Hier bedarf die Bekl. nichtdes Schutzes des guten Glaubens an das erwerbswirtschaftliche Tätigwerden ihresVertragspartners.
Nach § 125 BGBist ein Rechtsgeschäft, das der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt,nichtig. Die Kl. verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wennsie sich auf diese Formnichtigkeit beruft. Ein solcher Verstoß wird nur beiarglistigem Verhalten und bei Existenzgefährdung des anderen Teils angenommen(Palandt/Heinrichs BGB 55. Aufl.§ 125 Rand-Nrn. 23 – 25). Im vorliegenden Fallkann weder Arglist der kl. Stadt noch Existenzgefährdung der Bekl. angenommenwerden.
Anmerkung:
Schiedsfähigsind nach § 1030 ZPO Abs. 1, 3 in der ab 1.1.1998 geltenden Fassung alle vermögensrechtlichenAnsprüche, soweit ihre Schiedsfähigkeit nicht gesetzlich ausge­schlossen ist.Die Vergleichsfähigkeit beschränkt die Schiedsfähigkeit nur noch beinichtvermögensrechtlichen Ansprüchen.
Die Form der Schiedsvereinbarung ist jetzt in § 1031 ZPO n.F. geregelt. DieVorschrift, dass die die Schieds­verein­barung enthaltende Urkunde andereVereinbarungen als solche, die sich auf das Schiedsverfahren beziehen, nichtenthalten darf, gilt gemäß § 1031 Abs. 5 S. 2 ZPO n.F. nur noch für denFall, dass ein Verbraucher an der Schieds­verein­barung beteiligt ist;Verbraucher ist eine natürliche Person, die bei dem Geschäft, das Gegenstandder Streitigkeit ist, zu einem Zweck handelt, der weder ihrer gewerblichen nochihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann.