Recht und Steuern

A1 Nr. 98

A1 Nr.98
§ 197 öAktG, §42 öGmbHG, §§ 577, 594 öZPO, §§ 83b, 104 Jurisdiktionsnorm Anfechtung vonGmbH-Gesellschafterbeschlüssen, Schiedsfähigkeit nach österreichischem Recht
Nach österreichischem Recht ist die Anfechtung von GmbH-Gesell­schafter­beschlüssenschiedsfähig, wenn sämtliche Gesellschafter, für und gegen die ein dieNichtigkeit erklärendes Urteil wirkt, an der Schieds­verein­barung beteiligtsind. Das ist der Fall, wenn die Schieds­klausel in der Satzung derGesellschaft enthalten ist.
OGH WienBeschluss vom 10.12.1998 - 7 Ob 221/98w; Neue Zeitschrift fürGesellschaftsrecht 1999, 307 = RKS A 1 Nr. 98
Aus denGründen:
DieAusschließlichkeit des Gerichtsstandes für die Anfechtung von Gesell­schafter­beschlüssenim Aktien- und GmbH-Recht (§ 42 Abs. 2 öGmbHG, § 197 Abs. 1 öAktG) ist derVereinbarung einer schiedsgerichtlichen Zuständigkeit nicht hinderlich, weildie Ausschließlichkeit eines Gerichtsstandes einer Gerichts­stand­verein­barung(§ 104 JN = Jurisdiktionsnorm) nicht im Weg steht. Der in der Sicherstellungeiner gemeinsamen Entscheidung mehrerer Anfechtungsklagen liegende Zweck des §197 Abs. 3 S. 2 öAktG („Mehrere Anfechtungsprozesse sind zur gemeinsamen Verhandlungund Entscheidung zu verbinden”) kann auch im Schieds­verfahren erreicht werden.Aber auch die Erhebung des ausschließlichen Gerichtsstandes für die Anfechtungvon General­versammlungs­beschlüssen zum Zwangsgerichtsstand durch § 83b JNschließt eine Erledigung der Streitsache durch Schiedsspruch nicht aus. Diediesbezüglichen Bestim­mungen der Juris­diktions­norm sind nur für Rechtssachenrelevant, die vor das ordentliche Gericht gebracht werden, nicht aber fürRechtssachen, die auf Grund einer Parteienvereinbarung vor ein Schieds­gerichtgebracht werden können. Selbst die einschränkende Ansicht, dass dasProrogations­verbot einer Schieds­verein­barung dann entgegenstehe, wenn es denSchutz des wirtschaftlich Schwächeren bezwecke, kommt hier nicht zum Tragen,weil dies auf das Prorogationsverbot des § 83b JN, das die Erwirkungeinheitlicher Gerichts­entschei­dungen für gleich­gelagerte Rechts­verhältnissebezweckt, nicht zutrifft.
Die gesetzliche Rechtskrafterstreckung auf sämtliche Gesellschafter (§ 42 Abs.6 öGmbHG: „ein die Nichtigkeit erklärendes Urteil wirkt für und gegen sämtlicheGesellschafter”) ist ebenfalls kein Hindernis für die Schiedsfähigkeit. DerWortlaut des § 594 Abs. 1 öZPO („der Schiedsspruch hat unter denParteien die Wirkung eines rechts­kräftigen gericht­lichen Urteils”) stehteiner Rechtskrafterstreckung des Schieds­spruchs auf die nicht amAnfechtungsprozess beteiligten Gesellschafter nicht zwingend entgegen, weil erkeine zusätzliche Einschränkung wie „nur” oder „aus­schließ­lich” enthält. DieSchiedsfähigkeit ist zu bejahen, wenn die von der Rechtskrafterstreckungbetroffenen Gesellschafter an der Schiedsvereinbarung beteiligt sind. DieseVoraus­setzung ist erfüllt, wenn die Schiedsklausel - wie im vorliegenden Fall- in der Satzung der Gesellschaft enthalten ist.
Auch derEinwand der mangelnden Vergleichsfähigkeit steht der Schiedsfähigkeit nichtentgegen: § 577 Abs. 1 öZPO soll verhindern, dass die Parteien mittels einerSchieds­vereinbarung Rechtsfolgen herbeiführen, die sie durch Rechtsgeschäftnicht herbeiführen können. Kann ein einmal gefasster Gesellschafterbeschlussdurch neuerliche Beschluss­fassung der Gesellschafter mit Wirkung ex tuncaufgehoben werden, so ist die objektive Schiedsfähigkeit gegeben....DieKlägerin könnte durch ein der Anfechtung stattgebendes Urteil keine andereRechtsposition erlangen als durch Änderung des Gesellschafterbeschlusses extunc.
Hinweis:Die Fundstelle enthält zahlreiche Nachweise zur österreichischen und deutschenLiteratur und Rechtsprechung.