Recht und Steuern

A1 Nr. 153

A1 Nr. 153
§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB; §§ 1034, 1042 ZPO - Schiedsklausel in AGB - Einschränkung des Schiedsrichterernennungsrechts einer Partei - Begrenzte Freiheit der Verfahrensgestaltung
1. Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Schiedsvereinbarung ist als solche keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners; insbesondere muss ein besonderes Bedürfnis für die Einsetzung eines Schiedsgerichts seitens des Verwenders nicht vorliegen.
2. Die (namentliche) Festlegung der Person des Schiedsrichters in einem formularmäßigen Schiedsvertrag dürfte den Vertragspartner des AGB-Verwenders unangemessen benachteiligen.
3. Eine unzulässige Beschränkung des Ernennungsrechts einer Partei hat nicht die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung zur Folge; die benachteiligte Partei kann gem. § 1034 Abs. 2 ZPO bei Gericht beantragen, den oder die Schiedsrichter abweichend von der erfolgten Ernennung oder der vereinbarten Ernennungsregelung zu bestellen.
Die Schiedsvereinbarung unterliegt nach dieser auch dem AGB-Recht vorgehenden Spezialregelung einer Kontrolle durch das staatliche Gericht in Bezug auf die integre Zusammensetzung des Schiedsgerichts.
4. § 1042 ZPO räumt den Parteien eine weitgehende Dispositionsfreiheit und dem Schiedsgericht im Falle fehlender Parteienvereinbarung ein freies Ermessen bei der Verfahrensgestaltung ein. Diese Grenzen sind gewahrt, wenn lt. Schiedsvereinbarung das Schiedsgericht "das Verfahren nach den einschlägigen Vorschriften der Zivilprozessordnung nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt".
BGH Urteil vom 1.3.2007 - III ZR 164/06; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2007, 163 = RKS A 1 Nr. 153
Aus dem Sachverhalt:
Auf Grund eines notariell beurkundeten Vertrags vom 29.2.2000 veräußerte die Beklagte an die Kläger ein Grundstück und errichtete darauf ein Einfamilienhaus. Der Vertrag bestimmte in dem Abschnitt "Schiedsvertrag" u.a. Folgendes:
"§ 1 Über alle Streitigkeiten aus dem Bauträgervertrag gemäß Abschnitt 1 zwischen den Parteien soll, soweit gesetzlich zulässig, unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges ein Schiedsgericht entscheiden, dessen Entscheidung endgültig und verbindlich ist.
§ 2 Das Schiedsgericht besteht aus einem Schiedsrichter. Schiedsrichter ist Herr R., Vorsitzender Richter am Landgericht L. Sollte dieser Schiedsrichter aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht bereit oder in der Lage sein, das Schiedsamt zu übernehmen, so benennt der Präsident des OLG Hamm auf Antrag einer der Parteien den Schiedsrichter. Dieser muss in jedem Fall die Fähigkeit zum Richteramt haben. Nach Einleitung des Schiedsgerichtsverfahrens hat eine Partei, die Einwendungen gegen die Person des Schiedsrichters hat, diese binnen 14 Tagen von der Kenntnis der Einleitung des Schiedsgerichtsverfahrens der anderen Partei und dem Schiedsrichter mitzuteilen. Anderenfalls sind nach Eröffnung des Schiedsverfahrens Einwendungen gegen die Person des Schiedsrichters ausgeschlossen.
§ 3 Das Schiedsgericht bestimmt das Verfahren nach den einschlägigen Vorschriften der ZPO nach pflichtgemäßem Ermessen. ..."
Die Kl. fordern von der Bekl. einen Vorschuss von 2.262 Euro nebst Zinsen für Aufwendungen, die zur Beseitigung von Baumängeln notwendig sein sollen.
Die Bekl. hat die Einrede der Schiedsvereinbarung erhoben. Amtsgericht und Berufungsgericht haben die Klage als unzulässig abgewiesen.
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Die in dem Vertrag vom 29.2.2000 getroffene Schiedsvereinbarung erfüllt die Formanforderungen des bei Beteiligung eines Verbrauchers, hier der Kl., anwendbaren § 1031 Abs. 5 ZPO. Die vorgeschriebene schriftliche Form ist hier durch die notarielle Beurkundung ersetzt worden (vgl. § 126 Abs. 4 BGB); wegen der notariellen Beurkundung war es ferner nicht vonnöten, die Schiedsvereinbarung in einer besonderen Urkunde niederzulegen (vgl. § 1031 Abs. 5 S. 3 Halbs. 1 Alt. 1 und Halbs. 2 ZPO; s.auch Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts im Folgenden: Begründung BT-Drucks. 13/5274 S. 37; Stein/Jonas/Schlosser ZPO 22. Aufl. 2002 § 1031 Rd-Nr. 13).
Die Rüge der unangemessenen Benachteiligung der Kl. bei der Schiedsrichterernennung und der mangelnden Bestimmung des Verfahrensrechts dringt nicht durch.
Der Senat hat die Frage, ob und inwieweit eine formularmäßige Schiedsklausel über die - im Streitfall erfüllten - strengen Anforderungen des § 1031 Abs. 5 hinaus überhaupt der Kontrolle nach dem hier noch anwendbaren (vgl. Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB) AGB-Gesetz zu unterwerfen ist, offen gelassen (vgl. BGHZ 162, 9, 15 = RKS A 1 Nr. 135); sie muss auch jetzt nicht entschieden werden. Soweit das AGB-Gesetz anwendbar sein sollte, führte das jedenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung.
Zu 1. Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen niedergelegte Schiedsvereinbarung stellt als solche keine unangemessene Benachteiligung (§ 9 Abs. 1 AGBG, jetzt § 307 Abs. 1 S. 1 BGB) des Vertragspartners dar; insbesondere muss ein besonderes Bedürfnis für die Einsetzung eines Schiedsgerichts seitens des Verwenders nicht vorliegen (BGHZ a.a.O. S. 16).
Zu 2. Die (namentliche) Festlegung der Person des Schiedsrichters in einem formularmäßigen Schiedsvertrag dürfte allerdings den Vertragspartner des AGB-Verwenders unangemessen benachteiligen; denn er verliert dadurch praktisch jeden Einfluss auf die Besetzung des Schiedsgerichts (vgl. Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. 2005 Kap. 9 Rd-Nr. 10; Mankowski EWiR 2000, 411, 412).
Zu 3. Eine solche unzulässige Einschränkung des Ernennungsrechts einer Partei hat aber nach der Einführung des § 1034 Abs. 2 ZPO durch das Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22.12.1997 (BGBl. I S. 3224) nicht mehr die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung zur Folge (so noch zu §§ 1025 ff. ZPO a.F.: BGHZ 54, 392, 394 f. = HSG A 4 a Nr. 9) zurückhaltender bei ausländischen Schiedssprüchen dagegen Senatsurteil BGHZ 98, 70, 73 ff.). Gemäß § 1034 Abs. 2 S. 1 ZPO (n.F.) kann die benachteiligte Partei bei Gericht beantragen, den oder die Schiedsrichter abweichend von der erfolgten Ernennung oder der vereinbarten Ernennungsregelung zu bestellen, wenn die Schiedsvereinbarung der anderen Partei bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts ein Übergewicht gibt. Die Schiedsvereinbarung unterliegt nach dieser auch dem AGB-Recht vorgehenden Spezialregelung einer Inhaltskontrolle durch das staatliche Gericht in Bezug auf die integre Zusammensetzung des Schiedsgerichts; im Falle einer Beanstandung hat das staatliche Gericht gemäß § 1034 Abs. 2 S. 1 ZPO durch die Bestellung unanbhängiger und unparteiischer Schiedsrichter (vgl. § 1035 Abs. 5 S. 1 ZPO) für eine ausgewogene Zusammensetzung des Schiedsgerichts zu sorgen. Die Schiedabrede als solche bleibt wirksam (vgl. Begründung a.a.O. S. 39; Stein/Jonas/Schlosser a.a.O. § 1029 Rd-Nr. 26 und § 1034 Rd-Nrn. 2 und 5; MüKommZPO/Münch, 2. Aufl. 2001 § 1034 Rd-Nrn. 6 und 8; Musielak/Voit ZPO 5. Aufl. 2007, § 1034 Rd-Nr. 5; Schwab/Walter a.a.O. Kap. 9 Rd-Nr. 12; s.auch Zöller/Geimer ZPO 26. Aufl. 2007 § 1034 Rd-Nr. 13; vgl. auch Mankowski a.a.O., der die formularmäßige Benennung gem. § 9 AGBG unwirksam hält und die Anwendung des § 1035 Abs. 3 ZPO befürwortet).
Zu 4. Die Revision sieht diesen Punkt letztlich nicht anders, meint aber, im Streitfall komme hinzu, dass nicht klar sei, welches Verfahrensrecht für den Schiedsrichter gelten solle. Dieser weitere Gesichtspunkt bringt die Schiedsvereinbarung und damit die Schiedseinrede aber ebensowenig zu Fall.
Zur Durchführung des schiedsrichterlichen Verfahrens sieht § 1042 Abs. 1 ZPO vor, dass die Parteien gleich zu behandeln sind und ihnen rechtliches Gehör zu gewähren ist; Rechtsanwälte dürfen als Bevollmächtigte nicht ausgeschlossen werden (§ 1042 Abs. 2). Im übrigen können die Parteien - vorbehaltlich der zwingenden Vorschriften des 10. Buches der ZPO - das Verfahren selbst regeln (§ 1042 Abs. 3 ZPO). Soweit eine Vereinbarung der Parteien nicht vorliegt und das 10. Buch der ZPO keine Regelung enthält, werden die Verfahrensregeln vom Schiedsgericht nach freiem Ermessen bestimmt (§ 1042 Abs. 4 Ziffer 1 ZPO). Das Gesetz räumt mithin den Parteien eine weitgehende Dispositionsfreiheit und dem Schiedsgericht im Falle fehlender Parteivereinbarung ein freies Verfahrensermessen ein. Dann kann es aber nicht beanstandet werden, wenn wie hier eine Schiedsvereinbarung getroffen worden ist, wonach das Schiedsgericht "das Verfahren nach den einschlägigen Vorschriften der Zivilprozessordnung nach pflichtgemäßem Ermessen" bestimmt (§ 3 S. 1 des Schiedsvertrages). Denn das Verfahrensermessen des Schiedsgerichts ist nicht einmal völlig "frei" (in den von § 1042 ZPO genannten Grenzen), sondern ist in Beziehung zu den einschlägigen Vorschriften der ZPO gesetzt. Damit ist der gesetzliche Dispositionsrahmen keinesfall überschritten.