Recht und Steuern

A1 Nr. 151

A1 Nr. 151
§§ 563, 592 ff., 1032 ZPO - Schiedsabrede im Rahmenvertrag. Schiedseinrede im Urkundenprozess
1. Durch eine Schiedsvereinbarung ist grundsätzlich außer der ordentlichen Klage auch der gewöhnliche Urkundenprozess vor dem staatlichen Gericht abbedungen. Die anders lautenden Grundsätze zum Wechselprozess können nicht auf den gewöhnlichen Urkundenprozess übertragen werden.
2. Wenn die Parteien in einem Rahmenvertrag für ihre auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung eine Schiedsvereinbarung treffen, ist im Interesse einer einheitlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichts anzunehmen, dass sie auch für die im Rahmen dieser Geschäftsverbindung abzuschließenden Einzelverträge gelten soll.
BGH Urteil vom 31.5.2007 - III ZR 22/06; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2007, 216 = RKS A 1 Nr. 151
Aus dem Sachverhalt:
Auf Grund eines Konzessionsvertrages vom 16.9.1997 hatte die Beklagte als Vertragshändler der Klägerin deren Produkte in Deutschland zu verkaufen. Im Konzessionsvertrag hieß es u.a.:
"Art. 21 - Geltendes Recht - Gerichtsstand
21.1. Für den vorliegenden Vertrag gilt das deutsche Recht.
21.2. Bei Streitfällen und Streitigkeiten, die sich aus dem vorliegenden Vertrag ergeben, oder von Streitfragen wegen der Abfassung des Vertrages oder einer dessen Klauseln werden die Vertragspartner sich einem Schiedsspruch von drei Schiedsrichtern fügen, deren jeweils einer von beiden Parteien und deren Dritter vom Präsidenten der Handelskammer St. bestellt wird. Außerdem gilt die Ordnung des Schiedsgerichts der internationalen Handelskammer in Paris."
Aus Lieferungen der Kl. an die Bekl. im Rahmen des Konzessionsvertrages waren bis zum 12.9.2003 offene Forderungen der Kl. in Höhe von 1.781.478 Euro aufgelaufen. Zur Erledigung dieser Forderungen trafen die Parteien am 19.9.2003 eine schriftliche Rückzahlungsvereinbarung. Die Bekl. erkannte darin an, der Kl. den vorgenannten Betrag zu schulden, und verpflichtete sich, ihn in bestimmten Raten abzuzahlen. Gestützt auf die Vereinbarung macht die Kl. im Urkundenprozess einen Anspruch auf Zahlung von 500.000 Euro nebst Zinsen geltend. Die Bekl. hat die Einrede des Schiedsvertrages erhoben.
Das Landgericht hat die Bekl. verurteilt und ihr die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Die Berufung blieb erfolglos. Die Revision ist begründet.
Aus den Gründen:
1. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Schiedseinrede für nicht durchgreifend gehalten, weil die im Konzessionsvertrag getroffene Schiedsabrede jedenfalls die vorliegende Urkundenklage vor dem staatlichen Gericht nicht ausschließe. Der Gläubiger eines urkundsmäßig verbrieften Rechts verzichte regelmäßig nicht auf den besonderen Vorteil einer solchen vorläufigen Rechtsdurchsetzung gem. §§ 592 ff. ZPO.
Diese Erwägungen stehen im Widerspruch zu dem in BGHZ 165, 376 veröffentlichten Senatsurteil vom 12.1.2006 (RKS A 1 Nr. 142), das von dem Berufungsgericht allerdings noch nicht berücksichtigt werden konnte. Danach ist durch eine Schiedsvereinbarung grundsätzlich außer der ordentlichen Klage auch der gewöhnliche Urkundenprozess vor dem staatlichen Gericht abbedungen; die anders lautenden Grundsätze zum Wechselprozess können nicht auf den (gewöhnlichen) Urkundenprozess übertragen werden.
Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (vgl. § 563 ZPO). Es besteht kein Anhalt, dass die in dem Konzessionsvertrag vom 16.9.1997 getroffene Schiedsabrede abweichend von der vorbeschriebenen Regel die Möglichkeit der Urkundenklage vor dem staatlichen Gericht zugelassen hätte. Die Jahre später bezüglich offener Kaufpreisforderungen geschlossene Rückzahlungsvereinbarung vom 19.9.2003 enthält keinen Hinweis auch das Berufungsgericht stellt insoweit nichts fest , dass daran etwas hätte geändert werden sollen. Die Erwägung des Berufungsgerichts, durch dieses Rechtsgeschäft sollten die Forderungen vollstreckbar gemacht werden, geht fehl.
2. Die Schiedseinrede ist nicht deshalb als unbegründet zu erachten, weil die vorliegende Klage in einer Angelegenheit erhoben worden ist, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht Gegenstand der in dem Konzessionsvertrag getroffenen die ordentliche Klage wie den (gewöhnlichen) Urkundenprozess vor dem staatlichen Gericht ausschließenden Schiedsvereinbarung ist (vgl. § 1032 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat nämlich offen gelassen, ob die Schiedsvereinbarung den Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits ergreift.
Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil er die Schiedsvereinbarung selbst auszulegen befugt ist (vgl. Senatsurteil v. 4.10.2001 - III ZR 281/00 - NJW-RR 2002, 387 = RKS A 1 Nr. 115). insoweit sind weitere Feststellungen nicht zu erwarten , und weil die Sache im Übrigen zur Endentscheidung reif ist (vgl. § 563 Abs. 3 ZPO).
Eine Abrede, die Streitigkeiten aus einem Vertrag allgemein einem Schiedsgericht zuweist, ist grundsätzlich weit auszulegen (vgl. Senatsurteil vom 4.10. 2001 RKS A 1 Nr. 125 m.w.N.). Das gilt auch für die hier zu beurteilende Klausel:
"Bei Streitfällen und Streitigkeiten, die sich aus dem vorliegenden Vertrag ergeben, ... werden die Vertragsparteien sich einem Schiedsspruch ... fügen." (Art. 21.2 Satz 1 des Konzessionsvertrags).
Damit sind die sich aus dem Konzessionsvertrag "ergebenden" "Streitfälle und Streitigkeiten" insgesamt in die Zuständigkeit des Schiedsgerichts gewiesen.
Bei dem Konzessionsvertrag handelte es sich um einen Rahmenvertrag. Die Parteien schufen in Form des Vertragshändlervertrages einen rechtlichen Rahmen für ihre auf eine gewisse Dauer angelegte Geschäftsverbindung und die auf dieser Grundlage abzuschließenden Einzelverträge. Das spricht entscheidend dafür, dass die Schiedsklausel nicht nur für die (wohl eher seltenen) Streitigkeiten aus dem Konzessionsvertrag, sondern - im Interesse einer einheitlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichts (vgl. BGH Urt.v. 10.12.1970 - II ZR 148/69 - BB 1971, 369, 370 = HSG A 1 Nr. 13) - weiter für die ihn laufend vollziehenden Kaufverträge, die daraus resultierenden Ansprüche und die eventuell dazu getroffenen Vereinbarungen gelten sollte. Trifft der Konzessionsvertrag aber eine solche umfassende Schiedsvereinbarung, dann ist es ohne Belang, dass die Rückzahlungsvereinbarung vom 19.9.2003 selbst keine Schiedsklausel enthält.
Erstreckt sich die Schiedsvereinbarung mithin auf den Klageanspruch, dann ist die Klage auf Grund der von der Bekl. rechtzeitig erhobenen Schiedsabrede gem. § 1032 Abs. 1 ZPO als unzulässig abzuweisen.