Recht und Steuern

A1 Nr. 149

A1 Nr. 149
§ 307 BGB - AGB-Schiedsklausel mit Wahlrecht des Verwenders zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und ordentlichem Rechtsweg
1. Eine in AGB enthaltene Schiedsklausel, die dem Verwender die Wahl zwischen ordentlichem Rechtsweg und Schiedsgerichtsbarkeit einräumt, ist gem. § 307 BGB unwirksam: Der Vertragspartner weiß bei Anrufung des staatlichen Gerichts nicht, ob der Verwender das Schiedsgericht wählen wird. Das bedeutet für den Vertragspartner ein unzumutbares Zeit- und Kostenrisiko.
2. Eine Ergänzungsklausel, die dem Verwender die Anrufung des ordentlichen Gerichts nur freistellt, wenn der Käufer mit der Zahlung in Verzug ist und keine Einwendungen erhebt, verstößt nicht gegen § 307 BGB: Der Vertragspartner kann durch rechtzeitige Einwendung dem Verwender den Weg zum ordentlichen Gericht verwehren. Wenn der Vertragspartner von sich aus aktiv wird und eine Schiedsklage erhebt, liegt darin die Erhebung einer Einwendung.
3. Eine Schiedsklausel, die ein erkennbar fachfremdes und nicht kompetentes Schiedsgericht für zuständig erklärt, ist unwirksam. Für das Deutsche Wollschiedsgericht trifft dies speziell in Bezug auf Kontrakte über Maulbeerseidengarn nicht zu.
OLG Bremen Beschl.v. 28.6.2006 - 2 Sch 03/06; Hamburger Seerechts-Report 2007, 55 = RKS A 1 Nr. 149
Aus dem Sachverhalt:
Ein Käufer hatte zwei Partien Maulbeerseidengarn erworben. Bestandteil der Verträge waren die "Allgemeinen Lieferbedingungen des Wollhandels (Fassung 2002)":
Ziffer 2 - Schiedsgericht. Alle Streitigkeiten, welche sich aus dem Geschäftsverkehr ergeben, sind unter Ausschluss des Rechtsweges durch das Deutsche Wollschiedsgericht, Bremen, bzw. durch Gutachten der Sachverständigenkommission zu entscheiden. Das Schiedsgericht entscheidet, wenn nichts anderes vereinbart ist, nach deutschem Recht.
Dem Verkäufer steht es frei, wenn der Käufer mit der Zahlung im Verzug ist und Einwendungen nicht erhoben hat, das ordentliche Gericht anzurufen.
Der Käufer verweigerte nach Lieferung die Zahlung. Daraufhin stellte der Verkäufer Antrag auf Durchführung eines Wollschiedsgerichtsverfahrens. Der Käufer rügte die Zuständigkeit des Schiedsgerichts unter Hinweis auf § 2 Nr. 1 des "Regulativs für das Deutsche Wollschiedsgericht" (Regulativ):
Das Deutsche Wollschiedsgericht entscheidet unter Ausschluss des öffentlichen Rechtsweges Streitigkeiten aus Geschäften in Rohwolle, gewaschener, karbonisierter oder anders behandelter Wolle, Krempelband, Kammzug, Kämmlingen, Wollabgängen, Reisswolle, Mohair sowie in zellulosischen und synthetischen Fasern, rein und in Mischungen, auch mit Naturfasern, einschließlich Mindersorten und Abgängen.
Das Deutsche Wollschiedsgericht erklärte sich in einem Zwischenbescheid für zuständig. Die Parteien hätten durch Einbeziehung der Lieferbedingungen wirksam die Zuständigkeit des Schiedsgerichts für die konkreten Kaufverträge vereinbart. § 2 Nr. 1 Regulativ enthalte keine Selbstbindung des Wollschiedsgerichts und werde zudem durch die Parteiautonomie überlagert.
Der Käufer erhob gegen den Zwischenbescheid des Schiedsgerichts nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO Beschwerde zum OLG Bremen, das sie zurückwies.
Aus den Gründen:
1. Abs. 2 S. 2 der Lieferbedingungen ist wirksam. Zwar hat der BGB eine in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Klausel nach § 307 BGB als unwirksam angesehen, die dem Verwender die Wahl zwischen dem ordentlichen Rechtsweg und der Schiedsgerichtsbarkeit überließ (s.Hamburger Seerechts-Report 1999, 3 Nr. 2). Dies beruhte auf der Überlegung, dass der Vertragspartner des Verwenders bei Anrufung der staatlichen Gerichte nicht weiß, ob der Verwender als Beklagter von seinem Wahlrecht Gebrauch machen und die Zuständigkeit des Schiedsgerichts wählen wird. Das hiermit verbundene Zeit- und Kostenrisiko ist für den Vertragspartner nicht zumutbar.
2. Die hier vom Käufer angegriffene Klausel birgt jedoch für den Vertragspartner des Verwenders kein vergleichbares Risiko. Die Wahl einer Klage vor dem ordentlichen Gericht ist vielmehr an Voraussetzungen geknüpft, die vom Vertragspartner von vornherein zu übersehen und zu beeinflussen sind. Er hat es insbesondere in der Hand, durch rechtzeitige Geltendmachung seiner Einwendungen dem Verwender den Weg zu den ordentlichen Gerichten zu verwehren. Dabei mag dahinstehen, ob unter Berücksichtigung der zu Lasten des Verwenders eingreifenden Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB dieses Wahlrecht sowieso nur eingreift, wenn der Verkäufer als Kläger oder Schiedskläger auftritt. Wenn der Vertragspartner von sich aus durch Erhebung einer Schiedsklage aktiv wird, liegt hierin jedenfalls die Erhebung einer Einwendung im Sinne der Ziff. 2 Abs. 2 Lieferbedingungen, so dass schon aus diesem Grunde dem Verkäufer die nachträgliche Wahl der ordentlichen Gerichtsbarkeit und die Erhebung der entsprechenden Einrede verwehrt ist. Im Übrigen besteht ein berechtigtes Interesse des Verkäufers daran, bei bloßer Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit des Vertragspartners z.B. durch Betreiben des Mahnverfahrens kostengünstig und schnell für seine nicht bestrittenen Ansprüche einen vollstreckbaren Titel zu erlangen.
3. Auch aus § 2 Nr. 1 Regulativ ergibt sich nicht die Unzuständigkeit des Deutschen Wollschiedsgerichts. Eine in AGB enthaltene Schiedsabrede dürfte allerdings den Vertragspartner unangemessen benachteiligen, wenn sie ein erkennbar fachfremdes und damit nicht kompetentes Schiedsgericht für zuständig erklärt. Hiervon kann im vorliegenden Fall aber nicht die Rede sein, auch wenn reines Seidengarn nicht ausdrücklich in dem in § 2 Ziffer 2 Regulativ beschriebenen Anwendungsbereich aufgeführt ist. Da nach § 5 Ziffer 1 Regulativ der Vorsitzende ein Rechtsanwalt sein muss, ist bei diesem von vornherein nicht eine besondere Kompetenz als Warenfachmann ausschlaggebend, sondern seine juristische Qualifikation und seine Erfahrung mit den besonderen rechtlichen Problemen dieser Kaufgeschäfte. Gravierende Unterschiede in der juristischen Problematik und Handhabung beim Handel mit Maulbeerseidengarn einerseits und beim Handel z.B. mit Rohwolle, behandelter Wolle, mit zellulosischen oder mit synthetischen Fasern andererseits sind jedoch nicht erkennbar. Bei den Beisitzern wird deren Zugehörigkeit entweder zur Arbeitsgemeinschaft Lohnwäscherei und -Kämmerei oder zu verschiedenen Verbänden verlangt, zu denen nicht nur die Vereinigung des Wollhandels e.V. gehört, sondern auch der Industrieverband Garne, Gewebe, technische Textilien e.V. sowie der Verband der Deutschen Tuch- und Kleiderstoffindustrie e.V., so dass auch Erfahrungswerte mit Seidengarn vorhanden sein können. Angesichts der umfassenden Produktpalette in § 2 Zi. 2 Regulativ von Rohwolle bis zu synthetischen Fasern steht von vornherein nicht zu erwarten, dass gerade ein mit dem konkreten Kaufgegenstand vertrauter Sonderfachmann als Beisitzer zur Verfügung steht, ebensowenig wie von einem Handelsrichter in einer Kammer für Handelssachen erwartet wird oder erwartet werden kann, dass er gerade aus dem Wirtschaftsbereich kommt, in welchem der jeweilige Prozessgegenstand angesiedelt ist. Soweit Sonderfachleute benötigt werden, hat auch das Schiedsgericht die Möglichkeit,. einen Sachverständigen heranzuziehen.
Schließlich ist der Käufer durch die Einbeziehung der Schiedsklausel nicht deswegen nach § 307 BGB unangemessen benachteiligt, weil er das für ihn nicht tragbare Risiko einginge, dass das Schiedsgericht eine Entscheidung mangels eigener Zuständigkeit ablehnt. Diese Gefahr bestünde nur dann, wenn die Beschreibung des "Anwendungsbereichs" in § 2 Zi. 1 Regulativ vom Schiedsgericht als zwingende Selbstbindung zu verstehen wäre oder zumindest die ernsthafte Gefahr bestünde, dass das angerufene Schiedsgericht sich unter Berufung auf den abschließenden Charakter der Aufzählung auf eine derartige Selbstbindung beruft. Der Wortlaut des § 2 Zi. 1 Regulativ legt ein solches Verständnis jedoch nicht nahe; insbesondere ist die dortige Aufzählung der Stoffe nicht als abschließend gekennzeichnet und umfasst eine große Bandbreite von im Textilbereich verwendeten Materialien und Fasern einschließlich Mischungen mit allen Naturfasern. Dass das Deutsche Wollschiedsgericht tatsächlich - entgegen dem Zwischenentscheid des jetzt befassten Wollschiedsgerichts - eine solche Selbstbindung praktiziert, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.