Recht und Steuern

A1 Nr. 147

A1 Nr. 147
§§ 1029, 1032, 1033, 1043 ZPO - Gerichtsstand- und Schiedsvereinbarung im selben Kontrakt
Die Klausel "Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag und über seine Wirksamkeit ist das für den Sitz des Lieferers zuständige Gericht" schließt eine wirksame Schiedsvereinbarung nicht aus.
Die Klausel behält neben einer Schiedsvereinbarung Bedeutung:
- für die Bestimmung des Ortes des Schiedsverfahrens (§ 1043 Abs. 1 S. 2 ZPO)
- für vorläufige und sichernde Verfahren (§ 1033 ZPO)
- falls der Beklagte die Einrede der Schiedsvereinbarung nicht erhebt (§ 1032 ZPO).
BGH 25.1.2007 VII ZR 105/06; Hamburger Seerechts-Report 2007, 37 = RKS A 1 Nr. 147
Aus dem Sachverhalt:
Ein Unternehmer hatte Arbeiten an einer Strombrücke übernommen. Er und sein Auftraggeber unterzeichneten am 28.3.2000 ein Verhandlungsprotokoll mit u.a. folgenden Regelungen:
"20. Vertragsbestandteile
Bei Auftragserteilung sind Vertragsbestandteile in nachfolgender Reihenfolge, wobei
jeweils das Vorhergehende Vorrang gegenüber dem Nachfolgenden hat:
a) das Auftragsschreiben
b) dieses Verhandlungsprotokoll nebst Anlagen
c) die Geschäftsbedingungen FLB Konditionenkartell ?Fahrübergänge und Lager für Brückenbau (FLB-Bedingungen).
h) die allgemeinen Vertragsbedingungen für Nachunternehmer ...
21. Gerichtsstand: ... "
Die dem Verhandlungsprotokoll beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Nachunternehmer regelten unter Nr. 9:
"Alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag werden unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs durch ein Schiedsgericht nach der Schiedsgerichtsordnung der Wirtschaftsvereinigung Bauindustrie e.V. ... in der jeweils gültigen Fassung entschieden. Gerichtsstand ist Sitz der Firma des HU."
Der Auftraggeber bestätigte mit Schreiben vom 31. März 2000 den Auftrag. Der Unternehmer zeichnete das Schreiben gegen.
Die Geschäftsbedingungen der Mitgliedsfirmen des Konditionenkartells "Fahrübergänge und Lager für Brückenbau (FLB-Bedingungen)" enthalten folgende Regelungen:
"I. Anwendbarkeit: .... entgegenstehende Einkaufsbedingungen des Bestellers sind hiermit ausdrücklich ausgeschlossen.
X. Gerichtsstand: Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag und über seine Wirksamkeit ist das für den Sitz des Lieferers zuständige Gericht."
Der Unternehmer erhob vor dem Landgericht Potsdam Ansprüche auf ausstehende Vergütung. Das LG wies die Klage im Hinblick auf die Schiedsvereinbarung in den "Geschäftsbedingungen für Nachunternehmer" ab. Berufung und Revision blieben erfolglos.
Aus den Gründen:
Die Parteien haben eine wirksame Schiedsvereinbarung geschlossen.
Der Vertrag kam zustande, nachdem der Auftraggeber das Schreiben vom 31.1.2000 unterzeichnet hatte. Damit ist die Schiedsvereinbarung in den Vertragsbedingungen für Nachunternehmer Vertragsinhalt geworden. Die FLB-Bedingungen [c] sind vorrangig vor den Allgemeinen Vertragsbedingungen für Nachunternehmer h vereinbart worden. Die Vereinbarung über den Gerichtsstand in Ziffer 21 des Verhandlungsprotokolls ist eine Individualvereinbarung. Diese gilt vorrangig vor den Allgemeinen Vertragsbedingungen der Parteien (§ 4 AGB-Gesetz, heute: § 305 b BGB). Jedoch schließen Ziffern I und X der FLB-Bedingungen eine formularmäßige Schiedsvereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Vertragspartners nicht aus.
Ziffer X regelt nicht den Fall, dass ein Schiedsgericht vereinbart ist. Die mit "Gerichtsstand" überschriebene Ziffer X der FLB-Bedingungen regelt die örtliche Zuständigkeit eines staatlichen Gerichts. Das ergibt sich daraus, dass sich der Gerichtsstand nach dem "für den Sitz" des Lieferers zuständigen Gericht bestimmt. Damit wird ersichtlich ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des jeweils abzuschließenden Vertrages auf die nur für staatliche Gerichte geltenden Zuständigkeitsregelungen der ZPO Bezug genommen. Danach ist das Gericht zuständig, bei dem eine Person ihren allgemeinen Gerichtsstand hat (§ 12 ZPO). Allgemeine Gerichtsstände werden u.a. nach dem Wohnsitz einer Person (§ 13), dem Verwaltungssitz (§ 17 Abs. 2), oder dem Sitz der Niederlassung bestimmt (§ 21 Abs. 1 ZPO). Die Gerichtsstandbestimmung nach dem Sitz des Lieferers kann sich dagegen nicht auf den Fall beziehen, dass ein Schiedsgericht vereinbart ist. Dies würde voraussetzen, dass es allgemein für den Sitz des Lieferers zuständige Schiedsgerichte gebe. Dies ist nicht der Fall. Nicht ausgeschlossen ist es allerdings, eine Gerichtsstandvereinbarung bei der Bestimmung des Ortes des schiedsrichterlichen Verfahrens zu berücksichtigen (vgl. § 1043 Abs. 1 S. 2 ZPO).
Aus Ziffer X der FLB-Bedingungen ergibt sich keine ausschließliche funktionelle Zuständigkeit der staatlichen Gerichte. Der Regelung kann nicht entnommen werden, dass mit ihr die Vereinbarung eines Schiedsgerichts ausgeschlossen ist. Mit der Zulässigkeit einer Schiedsvereinbarung beschäftigt sich die Klausel weder ausdrücklich noch konkludent. Die Vereinbarung eines Gerichtsstandes bedeutet nicht denknotwendig, dass die staatlichen Gerichte für alle Streitigkeiten zuständig und damit Schiedsvereinbarungen ausgeschlossen sind. Ein solcher Wille hätte in der Klausel zum Ausdruck kommen müssen. Er lässt sich nicht daraus ableiten, dass Schiedsgerichte nur ausnahmsweise vereinbart würden und die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte den Regelfall bilde. Die Klausel schließt nicht aus, auch in AGB des Vertragspartners den "Ausnahmefall" zu vereinbaren und ihr damit weitgehend den Anwendungsbereich zu entziehen. Ein geringer Anwendungsbereich verbleibt im Übrigen gem. § 1033 auch bei Vereinbarung eines Schiedsgerichts, ferner dann, wenn die Einrede des Schiedsvertrags nicht erhoben wird. Etwaige Unklarheiten der FLB-Bedingungen gehen ohnehin zu Lasten des Unternehmers als Verwenders der Bedingungen (§ 5 AGBG, heute § 305 c Abs. 2 BGB).