Recht und Steuern

A1 Nr. 143

A 1 Nr. 143
§§ 592 ff., 602 ff., 1032 Abs. 1 ZPO - Schiedsvereinbarung und Urkundenprozeß
1. Sind Streitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis einer Schiedsabrede unterworfen, dann schließt diese zwar nicht einen Wechselprozeß, wohl aber einen „gewöhnlichen“ Urkundenprozeß vor dem staatlichen Gericht wegen Ansprüchen aus diesem Rechtsverhältnis, , z.B. auf Grund eines Anerkenntnisses, aus.
2. Der Grundsatz, daß die Schiedsabrede i.d.R. einen Gläubiger nicht hindert, im Wechselprozeß schnell einen Vollstreckungstitel aus im Rahmen des Rechtsverhältnisses begebenen Wechseln zu erlangen, kann nicht auf den gewöhnlichen Urkundenprozeß übertragen werden.
3. Abgesehen davon sind die Voraussetzungen für einen Urkundenprozeß nicht erfüllt, wenn der Schuldner eine Forderung aus dem Rechtsverhältnis nur als unstreitig bezeichnet, aber nicht eindeutig und abschließend anerkennt.
OLG Celle Beschl.v. 25.8.2005 - 5 U 86/05; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2006 S. 53 = RKS A 1 Nr. 143
Aus dem Sachverhalt:
Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf einen Werkvertrag vom 10./12.9. 2001 und auf ihr Schreiben vom 7.9.2004, mit dem sie insgesamt 11 Nachträge über eine Gesamtsumme von 813.460 Euro Euro abgerechnet hat. Zu dieser Abrechnung hat die Bekl. mit Schreiben vom 28.10.2004 Stellung genommen. Die Kl. meint, aus dieser Stellungnahme ergebe sich, daß die Bekl. von den abgerechneten insges. 11 Nachträgen die Nummern 1, 3, 4 und 8 über zusammen 58.057 Euro anerkannt habe, und will den Betrag auf dieser Grundlage im Urkundenprozeß einklagen. Die Bekl. lehnt die Begleichung des unstreitigen Teils des Werklohns ab, weil ihr Gegenansprüche wegen Verwirkung einer Vertragsstrafe zustünden. Die Kl. hält die Vereinbarung der Vertragsstrafe nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für unwirksam.
Aus den Gründen:
Die Schiedsabrede erfaßt auch Ansprüche, die eine Partei um Urkundenverfahren geltend macht.
1. Die Schiedsvereinbarung regelt den vorliegenden Fall nicht ausdrücklich. In dem Vertrag ist nicht expressis verbis festgelegt, daß die Schiedsklausel auch solche Ansprüche erfassen soll, die im Wege des Urkundenprozesses eingeklagt werden. Aus der weiten, allgemein gehaltenen Formulierung „Streitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten“ schließt der Senat, daß die Schiedsregelung für sämtliche Ansprüche gelten soll, die aus diesem Vertrag resultieren. Anderes ist weder dargetan noch ersichtlich.
Die Bekl. kann sich im Urkundenverfahren gem. § 592ff. ZPO auf eine Schiedsabrede berufen. Der Senat folgt nicht der gegenteiligen Auffassung des OLG Düsseldorf OLG-Report 1995, 198 = RKS A 1 Nr. 82 und OLG-Report 1998, 225) und des OLG Bamberg (OLG-Report 2005, 79f).
Für die Frage, ob die Einrede einer Schiedsvereinbarung im Urkundsverfahren zu erheben ist, kann nicht auf die Entscheidung BGH 28.10.1993 (NJW 1994, 136 = RKS A 1 Nr. 77) abgestellt werden. Dort war die Frage zu entscheiden, ob sich ein Beklagter, der im Wege des Wechselprozesses aus einem Wechsel in Anspruch genommen wird, auf eine getroffene Schiedsvereinbarung berufen kann. Der BGH hat dies verneint und u.a. damit begründet, daß ein Kaufmann, der einen Wechsel gebe, sich üblicherweise einem solchen Verfahren wie einem Wechselprozeß unterwerfe. Er könne nicht davon ausgehen, daß mit einer Schiedsvereinbarung die Geltendmachung eines solchen Anspruchs im Wege des Urkundenverfahrens ausgeschlossen werden solle.
2. Die BGH-Rechtsprechung zum Wechsel- und Scheckprozeß (§§ 602, 605a ZPO) ist auf einen „normalen“ Urkundenprozeß nicht zu übertragen. Der entscheidende Unterschied liegt darin, daß ein Beklagter, der einen Wechsel oder einen Scheck zeichnet, neben dem zu Grunde liegenden Vertragsverhältnis einen besonderen Schuldgrund schafft, aus dem er mit einer sofortigen Inanspruchnahme seitens seines Gläubigers rechnen muß. Anders liegt der Fall im normalen Urkundsverfahren. Wenn - wie hier - die Kl. nicht aus einem durch Hingabe von Wechsel oder Scheck besonders bestätigten Rechtsgeschäft klagt, sondern „schlicht“ aus Vertrag, sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Parteien bei der Abrede der Schiedsgerichtszuständigkeit solche Ansprüche aus dem Vertrag einer besonderen Behandlung hätten unterwerfen wollen. Der Beklagte, der keinen eigenständigen, auf schleunige Zahlung gerichteten Schuldgrund geschaffen hat, muß gerade nicht damit rechnen, im Wege des Urkundenverfahrens vor den ordentlichen Gerichten aus einem Vertragsverhältnis in Anspruch genommen zu werden, für das die Parteien eine Schiedsvereinbarung getroffen haben.
Der Senat folgt der Auffassung von Wolff (Der Betrieb 99, 1101 ff., 1103 ff.; so auch OLG Köln OLG Report 2001, 227 f. und Musielak/Voit ZPO 4. Aufl. § 592 Rd-Nr. 15 m.w.N.), daß schon ein Urkundenverfahren und nicht erst das Nachverfahren vor den staatlichen Gerichten ausgeschlossen ist, wenn die Parteien eine Schiedsvereinbarung getroffen haben und sich der Bekl. darauf beruft. Eine andere Lösung stünde weder mit der Prozeßökonomie noch mit dem Parteiwillen in Einklang. Denn die Parteien wollen durch die Vereinbarung, Streitigkeiten sollten in einer Instanz durch ein Schiedsgericht entschieden werden, gerade ein langwieriges und mehrstufiges Verfahren vermeiden. Diese Absicht würde konterkariert, wenn im Urkundenprozeß eine Werklohnforderung geltend gemacht wird, zunächst ein Vorbehaltsurteil ergeht, ggf. ein Berufungsverfahren durchgeführt wird und die Sache erst im Nachverfahren an das Schiedsgericht gelangt.
Ein anerkennens- und schützenswertes Bedürfnis des Gläubigers, trotz einer umfassenden Schiedsabrede und trotz der nunmehr geschaffenen Möglichkeiten, auch im Schiedsverfahren einen einstweiligen Rechtsschutz zu erreichen, § 1041 ZPO, gleichsam an dem Schiedsgericht vorbei schnell einen Titel im Urkundenprozeß zu erlangen, ist nicht ersichtlich. Die Parteien haben sich dieser Möglichkeit durch die Schiedsabsprache „sehenden Auges“ begeben. Anders als bei der Hingabe von Wechsel oder Scheck muß der Beklagte gerade nicht damit rechnen, gegen seinen Willen (doch) vor den ordentlichen Gerichten prozessieren zu müssen, wenn die Parteien sich auf eine Schiedsvereinbarung verständigt haben und er die Einrede rechtzeitig erhebt.
Das Berufen auf die wirksame Schiedsabrede führt dazu, daß auch eine Klage im Urkundenverfahren als unzulässig abzuweisen und der Kl. auf das Schiedsgerichtsverfahren zu verweisen ist.
3. Da die Klage unzulässig ist, kann dahinstehen, daß im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Erhebung einer Klage im Urkundenprozeß ebenfalls nicht erfüllt sind. Nach Auffassung des Senats reicht es nicht aus, wenn sich aus Teilen der vorgerichtlichen Korrespondenz lediglich ergibt, daß die Bekl. eine geltend gemachte Werklohnforderung zum Teil unstreitig stellt (vgl. aber OLG Oldenburg BauR 2001, 831). Dem Schreiben der Bekl. vom 28.10.2004 ist nicht zu entnehmen, daß die Bekl. diesen Teil des Werklohns abschließend anerkennen wollte. Es müssen zwar nicht sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen durch Urkunden belegt sein, und auch eine mittelbare Beweisführung reicht aus (ZöllerGreger ZPO 25. A. § 592 Rd-Nrn 11, 13). Es besteht aber kein Bedürfnis für eine derartige Ausweitung des Urkundenverfahrens. Die Rechte der Kl. werden dadurch nicht unzumutbar verkürzt; denn es besteht die Möglichkeit, ein Vorbehaltsurteil zu erlassen, wenn die Verhandlung über die Forderung zur Entscheidung reif ist und der Bekl. die Aufrechnung mit einer Gegenforderung geltend macht, § 302 Abs. 1 ZPO.
Anmerkung: Der BGH hat die Auffassung des OLG Celle bestätigt (Urt.v.12.1.2006 RKS A 1 Nr. 142).