Recht und Steuern

A1 Nr. 131

Nr. 131
§§ 1025, 1041,1044, 1044a ZPO a.F.; §§ 1030, 1032 ZPO n.F.; 1048 ZPO a.F. = § 1066 ZPO n.F. -Schiedsabrede für „alle Streitigkeiten aus dem GmbH-Vertrag”. Anspruch gegen Anteilserwerberauf Leistung von Stammeinlagen schiedsfähig. Insolvenzverwalter als Kläger
Eine Schiedsabrede „für alle Streitigkeiten, die sich aus demGesellschaftsvertrag ergeben” erfaßt auch den Anspruch gegen den Erwerber vonGeschäftsanteilen auf Leistung der Stammeinlagen. Die beispielhafte Aufzählungeinzelner Ansprüche im weiteren Wortlaut der Abrede ändert daran nichts.
Der Anspruch auf die Stammeinlage ist schiedsfähig, obwohl dieGesellschafter gemäß dem gläubigerschützenden § 19 Abs. 2 GmbHG nicht von derPflicht zur Leistung der Einlage befreit werden können.
Nach § 1030 ZPO n.F. ist jeder vermögensrechtliche Anspruch schiedsfähig.Der Gesetzgeber des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes hat dieSchiedsgerichtsbarkeit als eine der staatlichen Gerichtsbarkeit im Prinzipgleichwertige Rechtsschutzmöglichkeit angesehen und sie nur insoweitausgeschlossen, als der Staat sich im Interesse besonders schutzwürdigerRechtsgüter ein Entscheidungsmonopol vorbehalten hat.
Die Schiedsabrede gilt auch, wenn der Insolvenzverwalter der GmbH denAnspruch geltend macht.
BGH-Urteil vom19.7.2004 - II ZR 65/03; Der Betrieb 2004, 2036 = Betriebs-Berater 2004,1870 = RKS A 1 Nr. 131
Aus demSachverhalt:
Die Parteienstreiten vor dem ordentlichen Gericht um die Wirksamkeit der Kapitalaufbringungunter dem Blickwinkel des verbotenen Hin- und Herzahlens. § 20 desGesellschaftsvertrages vom 10.6.1997 lautet: „Für alle Streitigkeiten,die sich aus diesem Vertrag und bei der Auflösung der Gesellschaft ergeben,wird der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen und freundschaftliches Schiedsgericht vereinbart. Hierüber wird ein gesonderter Schiedsvertraggeschlossen.” In dem gleichzeitig mit der Satzung bekundeten Schiedsvertragheißt es in § 1: ”Für alle Streitigkeiten, die sich aus demGesellschaftsvertrag ... ergeben, wird der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossenund freundschaftliches Schiedsgericht vereinbart. Das Schiedsgericht istzuständig nicht nur für die Zeit des Bestehens der Gesellschaft, sondern auchfür Streitigkeiten gelegentlich der Auflösung der Gesellschaft, Ausscheiden vonGesellschaftern und darauf folgenden Auseinandersetzungen.”
Aus denGründen:
Die Klage istunzulässig. Diese Entscheidung richtet sich nach § 1032 Abs. 1 ZPO i.d.F. desSchiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes (SchiedsVfG v.22.12.1997 (BGBl. 1997 IS. 3224). Denn das vorliegende gerichtliche Verfahren ist im Jahre 2001, nachInkrafttreten dieses Gesetzes am 1.1.1998, anhängig geworden (Art. 4 § 1 Abs. 3i.V.m. Art. 5 Abs. 1 SchiedsVfG). Die Wirksamkeit der in § 20 Abs. 1 desGesellschaftsvertrages (GV) niedergelegten Schiedsgerichtsvereinbarung i.V.m.dem in § 20 Abs. 2 GV in die Satzung einbezogenen gesonderten Schiedsvertragvom 10.6.1997 beurteilt sich aber noch nach altem Recht (Art. 4 § 1 Abs. 1i.V.m. Art. 5 Abs. 1 SchiedsVfG).
DieSchiedsklausel in § 20 Abs. 1 GV erfaßt inhaltsgleich mit § 1 des dieseSatzungsbestimmung ausfüllenden Schiedsvertrages ausdrücklich „alleStreitigkeiten, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ... ergeben”. Schonangesichts dieser eindeutigen Formulierung
kann nichtangenommen werden, daß die Schiedsklausel nur Ansprüche der Gesellschaftergegen die Gesellschaft, nicht aber wie hier - umgekehrt - Ansprüche derGesellschaft gegen die einzelnen Gesellschafter erfassen sollte. Diebeispielhafte Aufzählung von Klagen gegen die Gesellschaft in § 2 und § 3 desSchiedsvertrages ändert nichts daran, daß Streitigkeiten aus demGesellschaftsvertrag auch solche sind, in denen die Gesellschaft Forderungen,die ihre Grundlage im Gesellschaftsvertrag haben, gegen einen Gesellschaftergeltend macht. Daß etwa ein Ausschluß für solche Ansprüche der Gesellschaftbeabsichtigt gewesen wäre, erscheint angesichts der umfassenden Regelung in §20 GV und § 1 des Schiedsvertrages ausgeschlossen, weil in einem solchen Falleein von den Satzungsgebern nicht beabsichtigter unauflöslicher Widerspruchbestünde. Der Streitgegenstand der vorliegenden Klage - Haftung der Erwerbereines Geschäftsanteils an der Schuldnerin für rückständige Stammeinlageforderungen- fällt danach unter die von den Beklagten einredeweise erhobeneSchiedsvereinbarung. Das gilt auch insoweit, als hier nicht die Schuldnerinselbst, sondern der Insolvenzverwalter über deren Vermögen den offenenEinlageanspruch der Kläger verfolgt; dieser ist - von hier nicht vorliegendenAusnahmen abgesehen - an eine von der Insolvenzschuldnerin getroffeneSchiedsabrede gebunden (st. Rspr. seit BGHZ 24 S. 15 [ 18] = DB 1957, 355- Konkursverwalter; BGH-Beschl. v.20.11.2003 III ZB 25/03 ZInsO 2004 S. 88 =RKS A 1 Nr. 132 m.N. - Insolvenzverwalter).
Diegesellschaftsrechtliche statuarische Schiedsvereinbarung ist wirksam.
In formellerHinsicht genügt sie den nach § 1048 ZPO a.F an sie zu stellenden Anforderungen.Dabei reicht es aus, daß die Kernbestimmung in § 20 GV niedergelegt und dieweiteren wesentlichen Bestandteile der Schiedabrede in dem gem. § 20 Abs. 2 GVin Bezug genommenen gesonderten Schiedsvertrag geregelt sind; dieserSchiedsvertrag wurde gemeinsam mit der Satzung beurkundet und sollteoffensichtlich als deren wesentlicher Bestandteil gelten.
Die - insoweitnach altem Recht zu beurteilende - statutarische Schiedsvereinbarung vom10.6.1997 ist auch materiellrechtlich wirksam, weil die Parteien berechtigtsind, über den Streitgegenstand der vorliegenden Klage einen Vergleich zuschließen (§ 1025 Abs. 1 ZPO a.F.).
Danachist der vom Insolvenzverwalter erhobene Anspruch auf Leistung von bislangnicht wirksam erbrachten Stammeinlagen gegen die Erwerber von Geschäftsanteilen(§§ 16 Abs. 3, 7 Abs 2, § 19 Abs. 1 GmbHG) objektiv vergleichsfähig.
Nach derneueren Rechtsprechung des Senats (BGH 29.3.1996 II ZR 124/95 BGHZ 132 S. 278 =DB 1996 S. 1172 = RKS A 1 Nr. 84 - zur Schiedsfähigkeit derAnfechtungsklage gegen Gesellschafterbeschlüsse einer GmbH; vgl. auch schon BGH6.6.1991 III. ZR 68/90 DB 1991 S. 2234 = ZIP 1991 S. 1231 [ 1232] = RKS A 1 Nr.65) kann die Gültigkeit einer Schiedsklausel entgegen früher herrschenderAuffassung (OLG Hamm 8 U 73/86 DB 1987, 680 = ZIP 1987, 780 [ 783]= RKS A 1 Nr. 55) auch nach dem hier anwendbaren alten Recht (§ 1025 Abs. 1 ZPOa.F.) nicht daran gemessen werden, ob der Schiedsspruch oder ein imschiedgerichtlichen Verfahren geschlossener Vergleich möglicherweise gegenzwingende Rechtsvorschriften verstoßen könnte. Für den Schutz zwingenden Rechtswaren vielmehr allein die in § 1041 Abs. 1 Nr. 2, § 1044 Abs. 2 Nr. 2 und §1044a Abs. 2 ZPO getroffenen Regelungen zuständig; sähe man dies anders, sowäre insbesondere § 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO a.F. überflüssig gewsesen, da beiBetroffenheit zwingenden Rechts bereits die objektive Schiedsfähigkeit unddamit ein wirksamer Schiedsvertrag fehlen würde. Die objektive
Schiedsfähigkeiti.S.d. § 1025 Abs. 1 ZPO a.F. fehlt danach im wesentlichen nur dann, wenn sichder Staat im Interesse besonders schutzwürdiger, der Verfügungsmacht privaterPersonen entzogener Rechtsgüter ein Rechtsprechungsmonopol in dem Sinnevorbehalten hat, daß allein der staatliche Richter in der Lage sein soll, durchseine Entscheidung den angestrebten Rechtszustand herbeizuführen (BGH29.3.1996 II ZR 124/95 BGHZ 132 S. 278 [ 283] = DB 1996, 1172 m.w.N. = RKS A 1Nr. 84). Das ist im Hinblick auf die Einforderung von Stammeinlagen trotz dergläubigerschützenden Funktion der Kapitalaufbringungsvorschriften nicht derFall. Zwar können nach § 19 Abs. 2 GmbHG die Gesellschafter von derVerpflichtung zur Leistung der Einlagen nicht befreit werden. Nach Sinn undZweck des Gesetzes ist der Gesellschaft ein Verzicht auf die Stammeinlagenforderungversagt, um den Gläubigern wegen der Haftungsbeschränkung auf dasGesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2 GmbHG) zumindest das satzungsmäßigeStammkapital als Haftungsmasse zu gewährleisten. Das rechtfertigt jedoch nichtdie Annahme, der Gesetzgeber habe durch § 19 Abs. 2 GmbHG ein Interesse desStaates an einem Entscheidungsmonopol seiner Gerichte im Rechtsstreit über dieAufbringung von Stammeinlagen im Sinne fehlender Schiedsfähigkeit zum Ausdruckbringen wollen. Damit steht im Einklang, daß die h.M. - wenn auch mitunterschiedlicher Akzentuierung - einen „echten” Vergleich i.S.v. § 779 BGBüber eine umstrittene Einlageforderung grundsätzlich als zulässig erachtet(vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck GmbHG 17. Aufl. § 19 Rd-Nr. 15 mitumfangreichen Nachweisen zum Meinungsstand).
Demetsprechendhat auch der Reformgesetzgeber des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes dieSchiedsgerichtsbarkeit als eine der staatlichen Gerichtsbarkeit im Prinzipgleichwertige Rechtsschutzmöglichkeit angesehen und es als naheliegendbetrachtet, sie nur insoweit auszuschließen, als der Staat sich im Interessebesonders schutzwürdiger Rechtsgüter ein Entscheidungsmonopol vorbehalten hat(BT-Drucks. 13/5274 S. 34); deshalb hat er die frühere Streitfrage zurTragweite des § 1025 a.F. (klarstellend) dahingehend entschieden, daß nach §1030 ZPO n.F. nunmehr jeder vermögensrechtliche Anspruch - dazu zähltersichtlich auch der Kapitalaufbringungsanspruch des GmbH-Rechts - Gegenstandeiner Schiedsvereinbarung sein kann.
Die nach §1025 Abs. 1 ZPO a.F. zusätzlich erforderliche sog. subjektiveVergleichsbefugnis der Parteien im Sinne der Berechtigung, über den Gegenstanddes Streits einen Vergleich zu schließen, ist hier nicht zweifelhaft. Zwar istder Insolvenzverwalter nicht selbst Partei der Schiedsvereinbarung; gleichwohlist er in seiner Funktion bei der Geltendmachung von Einlageansprüchen derSchuldnerin an die korporationsrechtliche Schiedsvereinbarung derGemeinschuldnerin gebunden, so daß die erforderliche Identität der Parteien desSchiedsverfahrens mit denjenigen der Schiedsvereinbarung als gegeben anzusehenist (BGH 29.3.1996 a.a.O.).