Recht und Steuern

A1 Nr. 130

Nr. 130
§ 13 BGB, §1031 Abs. 5 ZPO - Ärztin als Existenzgründerin und „Verbraucherin”.Schutzbedürftigkeit. Formfreie Schiedsabrede im Vertrag über den Erwerb vonAnteilen an einer Gemeinschaftspraxis unter aufschiebender Bedingung
Ein Existenzgründer ist als solcher nicht „Verbraucher” im Sinne von § 13BGB und nicht schutzbedürftig im Sinne von § 1031 Abs. 5 ZPO.
Erwirbt eine bisher nicht selbständig tätig gewesene Ärztin Anteile aneiner Gemeinschaftspraxis, so bedarf eine in diesem Vertrag enthalteneSchiedsklausel nicht der in § 1031 Abs. 5 ZPO vorgeschriebenen Form.
Dies gilt auch, wenn eine vereinbarte aufschiebende Bedingung (hier:Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung) im Zeitpunkt des Vertragsschlussesnoch nicht eingetreten ist.
OLGDüsseldorf Beschl. vom 4.5.2004 - I 26 Sch 5/04; MDR 2004, 1049 = RKS A 1Nr. 130
Aus denGründen:
Die zwischenden Parteien vereinbarte Schiedsklausel ist formwirksam. Es bedurfte nicht derVereinbarung in einer von den Parteien eigenhändig unterzeichneten Urkunde, wiees § 1031 Abs. 5 ZPO vorschreibt, da die Antragstellerin auch schon imZeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht mehr als Verbraucherin im Sinne derVorschrift zu behandeln ist.
Schutzzweckder besonderen Formvorschrift des § 1031 Abs. 5 ZPO ist es, Verbraucheraußerhalb gewerblicher und selbständiger beruflicher Tätigkeit davor zuschützen, sich durch Unterzeichnung umfangreicher Klauselwerke einerSchiedsvereinbarung zu unterwerfen, ohne dies zu bemerken. Voraussetzung fürdas Eingreifen der verschärften Formvorschriften ist, daß zumindest einVerbraucher an dem Vertragsschluß beteiligt ist und der Streitkomplex, für dendie Zuständigkeit des Schiedsgerichts begründet werden soll, außerhalb dergewerblichen bzw. selbständigen beruflichen Tätigkeit der betroffenen Personliegt (Geimer in Zöller, ZPO 24. Aufl. 2004, 1031 Rd-Nr. 35; Voit in MusielakZPO, 3. Aufl. 2002, § 1031 Rd-Nr. 8).
Auch wenn dieAntragstellerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Gemeinschaftspraxis-Vertragesnoch nicht über die erforderliche Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgungverfügte, ist sie bei den zur Vorbereitung ihrer zukünftigen selbständigenberuflichen Tätigkeit dienenden Rechtsgeschäften nicht mehr als Verbraucherinzu behandeln.
Das Meinungsbildzur Behandlung von Existenzgründern als Verbrauchern ist uneinheitlich.Teilweise wird das Schutzbedürfnis des rechtsunkundigen undgeschäftsunerfahrenen Vertragspartners herausgestellt, der von unangemessenenBenachteiligungen geschützt werden müsse, da er kaufmännische Erfahrungen erstmit der Existenzgründung erwerbe (OLG Koblenz 24.7.1986 - 6 U 677/85 NJW 1987,74; Micklitz in MünchKomm BGB Bd. 1, 4. Aufl. 2002 § 13 Rd-Nr. 40, 41).
Der erkennendeSenat hält jedoch die für die besondere Schutzbedürftigkeit der Existenzgründerangeführten Gründe nicht für überzeugend. Allein das Verbraucherkreditgesetzregelte ausdrücklich die Verbrauchereigenschaft von Existenzgründern. DerHinweis auf das in § 1 Abs. 1 VerbrKrG a.F. verwandte Abgrenzungskriterium„bereits ausgeübte” Tätigkeit ist allerdings nicht verallgemeinerungsfähig. Dasergibt sich schon daraus, daß aus dem Schutzbereich des § 3 Abs. 1 Nr. 2VerbrKrG a.F. solche Existenzgründer ausgenommen und nicht als schutzbedürftigangesehen werden, die einen Kredit aufnehmen, der einen Nettokreditbetrag von100.000 DM übersteigt. Eine derartige Wertgrenze vermag - darauf weist das OLGRostock (17.3.2003 - 3 U 107/02 OLG Report Rostock 2003, 505ff.) zu Recht hin -nicht Kriterium für die Verbrauchereigenschaft des Existenzgründers zu sein.Wenn der Gesetzgeber die Ausdehnung des Schutzbereichs auch auf Existenzgründerbeabsichtigt hätte, hätte es zudem nahe gelegen, die Regelung des § 1 Abs. 1VerbrKrG a.F. bei der Übernahme des Gesetzes in das Bürgerliche Gesetzbuch indie Legaldefinition des § 13 BGB aufzunehmen.
Zudem hat derBGH zu dem Geltungsbereich des § 6 HausTWG festgestellt, daß die in § 6zum Ausdruck kommende Abgrenzung zwischen privatem und geschäftlichem Bereichdafür spreche, auch solche von selbständigen Erwerbstätigen abgeschlosseneGeschäfte vom Geltungsbereich des HausTWG auszunehmen, die der Vorbereitung derErwerbstätigkeit dienen. Grund hierfür sei nicht allein die mit der selbständigen Erwerbstätigkeit typischerweise verbundene geschäftlicheErfahrung, vielmehr komme es auch auf die Zweckrichtung des Handelns des Kundenan, nämlich den Zusammenhang des Vertragsschlusses mit derErwerbstätigkeit. Dies entspreche der das Verbraucherrecht kennzeichnendenDifferenzierung zwischen geschäftlichem und privatem Bereich (BGH 4.5.1994 -XII ZR 24/93 MDR 1994, 1083 = NJW 1994, 2759f.).
EineGleichstellung des Existenzgründers mit einem Verbraucher erscheint auch ausdem Gesichtspunkt der Schutzbedürftigkeit nicht zwingend. Während der Existenzgründerin der Phase der Vorbereitung seiner unternehmerischen Tätigkeit nach dereingangs geschilderten Auffassung noch den besonderen Schutz des Verbrauchersin Anspruch nehmen kann, wird ihm, obwohl er noch über keinerlei darüberhinausgehende Geschäftskompetenz verfügt, mit der ersten geschäftlichenEntscheidung als Unternehmer dieser Schutz entzogen. Diese Trennung istkünstlich (OLG Oldenburg 12.11.2001 - 9 SchH 12/01 NJW-RR 2002, 641f. = RKS A 1Nr. 116). Sie wird zudem auch dem tatsächlichen Schutzbedürfnis einesExistenzgründers nicht gerecht. Die Situation eines Existenzgründers ist mitder eines privat agierenden Verbrauchers nicht zu vergleichen. Existenzgründereignen sich Geschäftskompetenz nicht erst mit der Aufnahme des eigentlichen Geschäftsbetriebs,sondern schon im Vorfeld an. Banken gewähren Existenzgründungsdarlehen nur beiVorlage eines überzeugenden Konzepts, das die jeweilige Marktsituationberücksichtigt und eine tragfähige wirtschaftliche Kalkulation enthält.Existenzgründer agieren daher gerade nicht von einer häuslichen Basis aus,sondern sind gezwungen, sich die professionellen unternehmerischen Kenntnisseschon in der Existenzgründungsphase anzueignen. Darüber hinaus weisen die dieExistenzgründung konstituierenden Verträge eine solche Bedeutung auf, daß dieseEntscheidungen nicht nur mit besonderer Gründlichkeit und Überlegung geplant,sondern häufig auch professionell beraten begleitet werden. Zugleich hat jederExistenzgründer mit der Entscheidung, selbständig oder gewerblich tätig zuwerden, die Entscheidung getroffen, sich den strengeren für Unternehmengeltenden Regeln zu unterwerfen. Wer einen Vertrag schließt, um denSchutzbereich der Konsumentenschutzgesetze zu verlassen, bedarf ihres Schutzesnicht mehr (OLG Rostock 17.3.2003 - 3 U 107/02, OLG Report Rostock 2003, 505ff.; OLG Oldenburg a.a.O.).
Mit dem Erwerbder Praxisanteile an der Gemeinschaftspraxis hat die Ast. die unternehmerischeEntscheidung getroffen, als Ärztin künftig nicht mehr abhängig beschäftigt,sondern selbständig tätig zu sein. Mit dieser Entscheidung muß sie sichungeachtet der noch ausstehenden Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgungwie eine selbständige Ärztin behandeln lassen. Die fehlende Zulassung imZeitpunkt des Abschlusses des Gemeinschaftspraxisvertrages steht derExistenzgründereigenschaft der Ast. nicht entgegen. DieKonsumentenschutzgesetze wollen den rechtsgeschäftlich unbedarften Privatmann
schützen. Beider Ast. ist aber davon auszugehen, daß sie sich bei einem Kaufpreis von 143.000EUR für die Geschäftsanteile von Dr. K. eingehend mit den rechtlichen undwirtschaftlichen Folgen ihrer Entscheidung auseinander gesetzt hat, so daß derdurch die Formvorschrift des § 1031 Abs. 5 ZPO intendierte Schutz vorÜbereilung oder Überrumpelung nicht geboten ist.