Recht und Steuern

A1 Nr. 127

A1 Nr.127
§§ 1, 6 Abs.1, 161 Abs. 2, 128 S. 1 HGB, § 1031 Abs. 5 ZPO - Geltung der Schiedsabredeeiner Kommanditgesellschaft gegenüber dem Komplementär
Die Schiedsabrede einer Kommanditgesellschaft gilt auch gegenüber ihrem Komplementär,auch wenn sie von ihm als „Verbraucher” i.S.d. § 1031 Abs. 5 ZPO unterzeichnetwurde und entgegen dieser Vorschrift nicht in einer gesonderten Urkundeenthalten ist. Denn diese Schutzvorschrift gilt nicht für dieKommanditgesellschaft als Formkaufmann (§§ 1, 6 Abs. 1 HGB); die KG ist an dieSchiedsvereinbarung gebunden, und ihre Bindung erstreckt sich nach § 161 Abs.2., 128 S. 1 HGB auf ihren Komplementär.
Dies gilt, wenn die KG einer Vereinbarung ihres Komplementärs beitritt, dieeine solche Schiedsabrede enthält, jedenfalls ab dem Zeitpunkt desWirksamwerdens des Beitritts.
BayObLGBeschl.v.13.11.2003 - 4 Z SchH 08/03; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht(SchiedsVZ) 2004, 45 = RKS A 1 Nr. 127
Aus demSachverhalt:
DieAntragsgegnerin (eine Risikokapitalgesellschaft), die Antragstellerin zu 2(eine KG) und der Antragsteller zu 1 (deren persönlich haftenderGesellschafter) unterzeichneten am 5.6.2001 unter Beteiligung weitererAktionäre der A.AG (Gesellschaft) eine Aktionärsvereinbarung, als Anlage hierzuwurde eine Schiedsvereinbarung getroffen. Am 26.4.2002 schlossen alle dreiParteien mit weiteren Personen einen –Beteiligungsvertrag A.AG–. Darinverpflichteten sich die Neuinvestoren „untereinander und gegenüber den übrigenAktionären” insgesamt Î – 1.386.062,70 in die Kapitalrücklage der Gesellschaftgem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB zu zahlen. Die Gesellschaft selbst sollte keinenAnspruch auf die Zahlungen haben. Nach § 13 diesesBeteiligungsvertrages sollte zwischen den Parteien die Aktionärsvereinbarungvom 5.6.2001 unverändert fortgelten und der Ast. zu 1 der Aktionärsvereinbarungeinschließlich der Schiedsvereinbarung ausdrücklich beitreten. In § 16 desBeteiligungsvertrages heißt es ferner, daß die Schiedsabrede gemäß Anlage zurAktionärsvereinbarung gelte. Der Ast. zu 1, dessen Schuld die Ast. zu 2aufschiebend bedingt für den Fall der Nichtzahlung bei Fälligkeit beigetreten ist, verpflichtete sich zur Zahlung von – 737 262,46, entrichtete aber nicht den am 30.9.2002 fälligen Teilbetrag von – 350.000,--
Die Partnerdes Beteiligungsvertrags vom 26.4.2002 - ohne die beiden Ast. - sowie dieGesellschaft unterzeichneten am 11.9.2002 einen Vertrag, der die Abtretungeines „erstrangigen Betrages in Höhe von – 50.000,--” aus der zum 30.9.2002fälligen Rate gegen beide Ast. an die Gesellschaft zum Inhalt hatte. Mit„Vertrag über den Verkauf von Forderungen” vom gleichen Tage verkaufte undübertrug die Gesellschaft diese Forderung gegen beide Ast. dann an die Ag.
Diese erhobmit Schriftsatz vom 18.10.2002 Klage vor dem Schiedsgericht in München. In derKlageerwiderung vom 28.4.2003 rügte der Ast. zu 1 die Unzuständigkeit desSchiedsgerichts. Die Schiedsabrede sei formunwirksam, da er Verbraucher sei.Für die Ast. zu 2 sei das Schiedsverfahren zwar zulässig, jedoch wegen ihrernur subsidiären Haftung bis zu einer Entscheidung der ordentlichen Gerichtegegen den Ast. zu 1 auszusetzen.
Die Ag.erwiderte, der Ast. zu 1 habe bei Abschluß des Beteiligungsvertrags einHandelsgewerbe betrieben (wird ausgeführt). Mit Zwischenentscheid vom 11.8.2003bejahte das Schiedsgericht seine Zuständigkeit. Gegen diesen Zwischenentscheidwenden sich die Ast. mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung: DerZahlungsanspruch werde nicht von der Schiedsabrede umfaßt; gegen den Ast. zu 1sei die Schiedsabrede nicht wirksam geworden, da eine nach § 1031 Abs. 5 S. 1ZPO erforderliche Unterzeichnung der separaten Schiedabrede nicht stattgefundenhabe.
Aus denGründen:
Der nach §1025 Abs. 1, § 1040 Abs. 3 S. 2 , § 1062 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 5 S. 1 ZPOzulässige Antrag des Ast. zu 1 ist unbegründet. Für einen selbständigenAntrag der Ast. zu 2 auf Feststellung der Unzulässigkeit desschiedsrichterlichen Verfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO ist dagegen kein Raum,da das Schiedsgericht bereits gebildet ist. Die Ast. sind andererseits nichtgehindert, im Rahmen des nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO form- undfristgerecht eingelegten Rechtsbehelfs auch zu rügen, daß der mit derSchiedsklage verfolgte Anspruch nicht unter die Bestimmungen der Schiedsklauselfalle; denn anderenfalls wäre der Einwand der Unwirksamkeit (§ 1059 Abs. 2 Nr.1 c ZPO) präkludiert (Geimer in Zöller ZPO 23. Aufl. 2002 § 1059 Rd-Nr. 39, §1040 Rd-Nr. 12 m.w.N.).
Die im Vertragvom 26.4.2002 enthaltene Schiedsabrede umfaßt den mit der Schiedsklagegeltend gemachten Zahlungsanspruch; an diese Schiedsabrede ist auch der Ast. zu1 gebunden. Mit dem Satz „Es gilt die Schiedsabrede gem. Anlage zurAktionärsvereinbarung” (§ 16 des Vertrags vom 26.4.2002) haben die Parteiendieses Vertrages in der Form einer Schiedsklausel (§ 1029 Abs. 2 ZPO) eineSchiedsvereinbarung getroffen mit dem Inhalt, daß sie sich den Wortlaut der„Schiedsabrede” vom 5.6.2001 zu Eigen machen und deren Bestimmungen angewendetwissen wollen. Hierdurch kommt hinreichend deutlich zum Ausdruck (§ 157 BGB),daß die Parteien des Vertrags vom 26.4.2002 für alle Streitigkeiten, diein den durch diesen Vertrag begründeten Beziehungen auftreten können, denordentlichen Rechtsweg ausgeschlossen und die endgültige Entscheidung demvereinbarten DIS-Schiedsgericht zugewiesen haben. Eine Beschränkung auf solcheStreitigkeiten, die zwischen Aktionären und der Gesellschaft entstehen können(m.a.W.: eine Ausklammerung von Streitigkeiten zwischen den Aktionären bzw.„Altinvestoren” und „Neuinvestoren” untereinander) kann aus dem Vertrag vom26.4.2002 nicht abgeleitet werden.
An die indiesem Vertrag enthaltene Schiedsvereinbarung ist auch der Ast. zu 1 gebunden.Dabei kommt es nicht darauf an, ob - wegen Nichteinhaltung der Form des § 1031Abs. 5 ZPO (Verbrauchereigenschaft des Ast. zu 1, Unterlassung einergesonderten Unterzeichnung der Schiedsabrede) - der Ast. zu 1 bereits ab26.4.2002 an die Schiedsvereinbarung gebunden war. Eine solche Bindung istspätestens ab 1.10.2002 eingetreten, weil mit Ablauf der in § 4 Abs.
1 b desVertrags vom 26.4.2002 vereinbarten Frist zur Einzahlung von – 350.000,-- (alsTeil einer „Neuinvestition” von insgesamt – 737.262,46, zu der sich derAst. zu 1 in dieser Vertragsbestimmung verpflichtet hatte) die tatsächlichenVoraussetzungen („seinen ... Zahlungsverpflichtungen bei Fälligkeit nichtnachkommt”) eingetreten sind, unter denen der zunächst nur aufschiebendbedingte Schuldbeitritt der Ast. zu 2 zum Tragen kommt. Von diesem Zeitpunkt anhaftet die KG als Gesamtschuldnerin neben dem „Neuinvestor” für dessenZahlungsverpflichtungen aus § 4 Abs. 1 dieses Vertrags. Die KG (für die alsFormkaufmann [ §§ 1, 6 Abs. 1 HGB] die Schutzvorschrift des § 1031 Abs. 5 ZPOnicht gilt) ist ihrerseits als Partei des Vertrags vom 26.4.2002 an die in § 16Abs. 1 S. 1 des Vertrags enthaltene Schiedsvereinbarung gebunden. Diese Bindungerstreckt sich nach § 161 Abs. 2, § 128 S. 1 HGB auf den Ast. zu 1 in seinerEigenschaft als Komplementär der vor dem Schiedsgericht auf Zahlung in Anspruchgenommenen KG; er kann damit - jedenfalls seit dem 1.10.2002 - auch vor demSchiedsgericht wie ein Gesamtschuldner neben der Gesellschaft auf Zahlung ausden von ihm und der Gesellschaft in § 4 Abs. 1 des Vertrags vom 26.4.2002eingegangenen Verpflichtungen in Anspruch genommen werden. Ob der Anspruchmateriell begründet ist, wird das Schiedsgericht zu prüfen und zu entscheidenhaben.