Recht und Steuern

A1 Nr. 120

A1 Nr. 120
§§ 1032, 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO - Antrag (vor dem OLG) auf Feststellung der Zulässigkeit des Schiedsverfahrens neben Schiedseinrede (vor dem LG). Mehrere Verfahren zur Klärung der Kompetenz, Qual der Wahl
Wird gegenüber einer Klage vor dem LG die Schiedseinrede erhoben und außerdem ein Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit des Schiedsverfahrens gestellt, über den gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO das OLG zu entscheiden hat, so fehlt diesem Antrag des Rechtsschutzbedürfnis.
Den Parteien, die streiten, ob für die Entscheidung ihres materiellrechtlichen Streites ein staatliches oder das vereinbarte Schiedsgericht zuständig ist, stellt das Gesetz zwar mehrere Wege zur Klärung dieser Kompetenzfrage zur Wahl. Sie müssen sich aber für einen dieser Wege entscheiden. Gerichte dürfen nicht unnütz in Anspruch genommen, widersprüchliche Entscheidungen müssen vermieden, das Schiedsverfahren zügig durchgeführt werden; dies sind allgemeine Verfahrensgrundsätze.
BayObLG Beschluß v. 7.10.2002 - 4 Z SchH 8/02; Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 2003 S. 138(NJW-RR 2003,354) = RKS A 1 Nr. 120
Aus dem Sachverhalt:
Der Antragsteller erhob vor dem LG gegen die beklagte GmbH - die Ast. zu 2 - eine Anfechtungsklage gegen mehrere Gesellschafterbeschlüsse. Die Ast. zu 2 erhob die Schiedseinrede und stellte gleichzeitig den Antrag festzustellen, daß das Schiedsverfahren zulässig ist. Am 3.6.2002 erließ das LG den Beschluß. „Es wird festgestellt, daß das schiedsrichterliche Verfahren zulässig ist.” Auf Beschwerde einer Nebenintervenientin beschloß das LG am 22.7.2002: „Der Beschluß vom 3.6.2002 wird aufgehoben. Die Akten werden dem BayObLG zur Entscheidung über den Antrag, die Zulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens festzustellen, vorgelegt.” Vor dem Senat hielten die Ast. ihre Anträge auf Feststellung der Zulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens aufrecht. Das BayObLG wies den Antrag zurück.
Aus den Gründen:
Der Senat ist durch den Beschluß des LG vom 3.6.2002 nicht an einer Entscheidung gehindert, da das LG im Wege zulässiger Selbstkorrektur (vgl. BGH NJW 2002, 1577) seine Unzuständigkeit für die getroffene Entscheidung erkannt und den Beschluß vom 3.6.2002 aufgehoben hat.
Der nach §§ 1062 Abs. 1 Nr. 2, 1032 Abs. 2 ZPO gestellte Feststellungsantrag ist jedoch als unzulässig zu verwerfen. Ihm fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weil bereits ein Hauptsacheverfahren vor einem staatlichen Gericht rechtshängig ist und dort die Schiedseinrede nach § 1032 Abs. 1 ZPO erhoben wurde (OLG Koblenz OLG-Report 2000, 4; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 6. Aufl. V Rd-Nr. 12; Bredow Anm. zu OLG Hamm BB 1999 Beil. 11 S. 10; Henn Schiedsverfahrensrecht 3. Aufl. S. 43 Fußn. 337; a.A. Münch in MünchKomm ZPO 2. Aufl. § 1032 Rd-Nrn. 11, 12 u. wohl auch Musielak/Voit ZPO 3. Aufl. § 1032 Rd-Nrn. 10 - 14).
Außer Zweifel steht, daß den Parteien, die über einen materiell-rechtlichen Streit hinaus auch über die Frage streiten, ob für die Entscheidung die staatlichen Gerichte oder ein vereinbartes Schiedsgericht zuständig ist, das Gesetz in §§ 1032, 1040 Abs. 3, 1059 Abs. 1 - 3 zunächst verschiedene Wege anbietet, um über die Kompetenzfrage eine abschließende Klärung herbeizuführen. Einigkeit besteht auch noch darin, daß die Parteien grundsätzlich die Wahl haben, in welchem Verfahren sie die Klärung der Kompetenzfrage herbeiführen wollen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 60. Aufl. § 1032 Rd-Nr. 9 a.E.).
Der Senat vermag der von Münch vertretenen Ansicht, für einen Feststellungsantrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO bestehe „durchweg ein Rechtsschutzbedürfnis bzw. Feststellungsinteresse”, nicht zu folgen. Denn sie ist mit wesentlichen Verfahrensgrundsätzen nicht zu vereinbaren. Im Urteil vom 27.6.2002 (NJW 2002, 2720 m.w.N.) hebt der BGH als „allgemeinen Grundsatz” hervor, daß die Gerichte nicht unnütz in Anspruch genommen werden dürfen. Ein allgemeiner Grundsatz ist auch das Gebot der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen (Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 301 Rd-Nrn. 2, 2 a), wie es z.B. für gesellschaftsrechtliche Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen in den Zuständigkeits- und Konzentrationsbestimmungen in § 246 und § 249 Abs. 2 AktG zum Ausdruck kommt. Nicht zuletzt würde es auch dem das Schiedsverfahrensrecht beherrschenden Grundsatz der Beschleunigung zuwiderlaufen, wenn die über die Frage der Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens streitenden Parteien sowohl in einem Hauptsacheprozeß vor dem staatlichen Gericht (§ 1032 Abs. 1 ZPO) als auch in einem Hauptsacheverfahren vor einem angerufenen Schiedsgericht (§ 1032 Abs. 3 i.V.m. § 1040 Abs. 3) als auch noch zusätzlich in einem obergerichtlichen Feststellungsverfahren (§ 1062 Abs. 1 Nr. 2, § 1032 Abs. 2) nach Belieben nebeneinander die Klärung der streitigen Kompetenzfrage durch mehrere staatliche Gerichte (und den ihnen übergeordneten Rechtsmittelinstanzen) betreiben könnten. § 148 ZPO bietet keine ausreichende Schranke, um einem solchen Nebeneinander mehrerer Verfahren und der Gefahr daraus resultierender widersprüchlicher Entscheidungen wirkungsvoll zu begegnen.