Recht und Steuern

A1 Nr. 110

A1 Nr.110
§§ 256, 276Abs. 1 S. 2, 282 Abs. 3 ZPO; § 1032 Abs. 1 ZPO n.F.; §§ 241ff, 248 AktGSchiedsabrede für alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsvertrag ausgenommenAnfechtungs- und Nichtigkeitsklagen eines Gesellschafters. Schiedseinrede nach Ablaufder Klageerwiderungsfrist
Ob die Schiedseinrede rechtzeitig erhoben ist, richtet sich in einem nachInkrafttreten des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes am 1.1.1998 anhängiggewordenen Rechtsstreit nach neuem Recht: Nach § 1032 Abs. 1 ZPO n.F. ist eineKlage, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist, abzuweisen, sofern derBeklagte die Schiedseinrede vor Beginn der mündlichen Verhandlung rügt. DieseVorschrift geht den allgemeinen Präklusions­regeln der §§ 276 Abs. 1 Satz 2,282 Abs. 3 Satz 2 ZPO vor, wonach die Einrede schon innerhalb derKlageerwiderungsfrist zu erheben wäre.
Wirksamkeit, Umfang und Auslegung einer vor Inkrafttreten desSchiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes geschlossenen Schiedsabrede richten sichnach dem vor dem 1.1.1998 geltenden Recht: Haben die Parteien eineSchiedsabrede für alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnisabgeschlossen, jedoch Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen eines Gesellschaftersausgenommen, so gilt diese Ausnahme auch für positive Feststellungsklagenanalog §§ 241 ff, 248 Aktiengesetz. Ob die Ausnahme - etwa unter demGesichtspunkt des Sachzusammenhangs oder der einheitlichen Sachentscheidung -auch allgemeine Feststellungsklagen gemäß § 256 ZPO umfasst, ist durchAuslegung zu ermitteln.
BGH Urteil vom10.5.2001 - III ZR 262/00; NJW 2001 S. 2176; BGHZ 147,394 = RKS A 1 Nr. 110
Aus demSachverhalt:
Der Bekl. undS. sind die Gesellschafter und Geschäftsführer der klagenden GmbH. In einembesonders beurkundeten Schiedsvertrag vom 26.9.1995 bestimmten die Parteien undS. die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts für alle Streitigkeiten aus demGesellschafts­vertrag. Für Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen einesGesellschafters sollte aber das LG des Sitzes der Gesellschaft zuständig sein(§ 3 VI Schiedsvertrag). Am 1.10.1998 beschloss die Gesellschafterversammlungder Kl. mit Zustimmung des Bekl., dass dieser zukünftig nur noch inGesamtvertretung mit S. zur Vertretung der Kl. befugt sein solle. DiesenBeschluss focht der Bekl. mit Schreiben vom 3.12.1998 wegen arglistigerTäuschung an. Mit der Klage begehrte die Kl. festzustellen, dass derBekl. seit dem 1.10.1998 nur in Gemeinschaft mit S. zur Vertretung derGesellschaft befugt sei. Der Bekl. hat am 1.8.1999 - nach Ablauf der imschriftlichen Vorverfahren gesetzten Frist zur schriftlichen Klageerwiderung(§ 276 Abs. 1 S. 2 ZPO) - die Einrede des Schieds­vertrageserhoben.
Aus denGründen:
Ob die Klageals unzulässig abzuweisen ist, weil der Bekl. sich auf die Schieds­verein­barungberuft, richtet sich nach § 1032 Abs. 1 ZPO i.d.F. des Schieds­verfahrens-Neu­regelungs­gesetzes(SchiedsVfG) vom 22.12.1997 (BGBl. I 3224). Denn dieses gerichtliche Verfahrenist am 10.3.1999, nach Inkrafttreten des SchiedsVfG am 1.1.1998, anhängiggeworden (Art. 4 § 1 III i.V.m. Art. 5 I SchVfG). Die Wirksamkeit des von denParteien und S. am 26.9.1995 geschlossenen Schiedsvertrages beurteilt sich abernoch nach altem Recht (Art. 4 § 1 I i.V.m. Art.5 I SchiedsVfG).
§ 1032 Abs. 1ZPO n.F. bestimmt - soweit hier maßgeblich -, dass das Gericht die Klage, diein einer Angelegenheit erhoben wird, die Gegenstand einer Schieds­vereinbarungist, als unzulässig abzuweisen hat, sofern der Bekl. dies vor der mündlichenVerhandlung zur Hauptsache rügt. Im Streitfall sind die Voraussetzungen einersolchen Klagabweisung in tatsächlicher Hinsicht nicht vollständig geklärt.
Der Bekl. hatdie Schiedseinrede allerdings rechtzeitig erhoben. Er hat sie am 1.8.1999schriftsätzlich sowie in der mündlichen Verhandlung vom 10.8.1999 vorgebracht;die mündliche Verhandlung zur Hauptsache hat erst mit der Stellung derSachanträge am 28.9.1999 begonnen (vgl. §137 Abs. 1 ZPO; BGHZ 100, 383 [390] =NJW 1987, 3263 = LM § 515 ZPO Nr. 24). Der Bekl. ist nicht deshalb mit der Rügeder Schiedsvereinbarung ausgeschlossen, weil er sie nicht innerhalb derKlageerwiderungsfrist geltend gemacht hat (§ 276 Abs. 1 S. 2 i.V.m. §§ 282Abs. 3 S. 2, 296 Abs. 3 ZPO). Die Anwendung der allgemeinen Präklusions­vorschriftenscheidet aus, weil § 1032 Abs. 1 ZPO als Sonder­regel für die Schiedsabrede zuverstehen ist (Zöller/Greger ZPO 22. Aufl. [2001]§ 296 Rd-Nr. 8a; Musielak/VoitZPO 2. Aufl. [2000] § 1032 Rd-Nr. 7; wohl auch Thomas/Putzo ZPO 22.Aufl.[1999]§ 1032 Rd-Nr. 2; a.A. Schwab/Walter Schieds­gerichts­barkeit 6. Aufl.[2000]Kap. 7 Rd-Nr. 1; Schütze Schiedsgericht und Schiedsverfahren 3.Aufl.[1999]Rd-Nr. 123; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 59.Aufl. [2001]§ 1032Rd-Nr. 4; vgl. auch Zöller/Geimer § 1032 Rd -Nr. 1).
Hierfürstreitet der Wortlaut des § 1032 Abs. 1 ZPO, der - anders als § 1027a ZPO a.F.- auf die Erhebung der Rüge „vor Beginn der mündlichen Verhandlung zurHauptsache” abstellt. Diese Bestimmung sieht im Gegensatz zu § 282 Abs. 3 S. 2ZPO gerade nicht vor, dass die Rüge im Fall, dass eine Klageerwiderungsfristgesetzt ist, innerhalb dieser Frist geltend zu machen ist. Es kommt hinzu, dassder Gesetzgeber eine dem § 39 ZPO entsprechende Regelung schaffen wollte (vgl.Begr. d.BReg. zu dem GE z. Neu­regelung des Schieds­verfahrensR, BT-Dr. 13/5274S. 38). § 39 ZPO legt es aber nahe, dass der Beklagte bis zum Beginn dermündlichen Verhandlung zur Hauptsache mit der Geltendmachung derUnzuständigkeit warten darf (BGHZ 134, 127 [134f.]= NJW 1997, 397 = LM H.3/1997 § 38 ZPO Nr. 32).
Auf derGrundlage der vom BerG getroffenen Feststellungen ist jedoch offen, ob dieKlage in einer Angelegenheit erhoben worden ist, die Gegenstand der von denParteien geschlossenen Schiedsvereinbarung ist.
Von derZuständigkeit des Schiedsgerichts für alle Streitigkeiten aus dem Gesellschafts­vertrag,sei es der Gesellschaft mit den Gesellschaftern, sei es der Gesellschafteruntereinander in Angelegenheiten der Gesellschaft, sind lt. Schieds­vertrag dieAnfechtungs- und Nichtigkeitsklagen eines Gesellschafters ausgenommen; hierfürbleiben lt. Schiedsvertrag die staatlichen Gerichte zuständig. Das BerG hatdiese Bestimmung dahin ausgelegt, dass sie auch für die positive Beschluss­feststellungs­klagegilt. Dagegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern. Der Vorbehalt zu Gunstender staatlichen Gerichtsbarkeit hatte seinen Grund ersichtlich darin, dass derBGH die Schiedsfähigkeit von so genannten Beschluss­mängel­streitig­keiten -jedenfalls nach altem Recht, das hier in Bezug auf die Wirksamkeit der Schieds­verein­barungmaßgeblich bleibt (vgl. Art. 4 § I i.V.m. Art. 5 I SchiedsVfG) - verneinte(vgl. die Nachw. in dem später ergangenen Urteil BGHZ 132, 278 [280, 285ff.]=NJW 1996, 1753 = LM H. 8/1996 § 248 AktG 1965 Nr. 3 = RKS A 1 Nr. 84).
Zu denBeschluss­mängel­streitig­keiten zählen aber außer den Anfechtungs- und Nichtig­keits­fest­stellungs-auch die positiven Feststellungs­klagen entsprechend §§ 241ff. AktG mitAusnahme „einfacher” Feststellungsklagen unter den Gesellschaftern nach § 256ZPO (vgl. BGHZ 132, 278 [280] = NJW 1996, 1753 = RKS A 1 Nr. 84). Es liegtnahe, dass die vertragschließenden Parteien die verschiedenen Formen derBeschluss­mängel­streitig­keiten einheitlich als nicht schiedsfähig angesehenhaben und deswegen nicht nur die in § 3 VI Schiedsvertrag ausdrücklichgenannten Anfechtungs- und Nichtig­keits­klagen, sondern auch die positiveBeschluss­feststellungs­klage von der Zuständigkeit des Schiedsgerichtsausnehmen wollten.
DiesesVerständnis des § 3 VI führt aber noch nicht dazu, dass für die vorliegende Klageder Rechtsweg zum staatlichen Gericht eröffnet ist. Eine Beschluss­mängel­streitigkeitliegt nämlich nicht vor; die Kl. hat eine von der positiven Beschluss­feststellungs­klageanalog § 248 AktG zu unterscheidende allgemeine Feststellungsklage (§ 256 ZPO)erhoben.
Diekassatorische Anfechtungsklage des Gesellschafters gegen die Gesellschaft (§§243 Abs. 1, 246 Abs. 2 S. 1 AktG analog) kann mit einer positiven Beschluss­feststellungs­klagemit dem gesonderten Ziel verbunden werden, den wirklich und rechtmäßigbeschlossenen Inhalt des Gesellschafterentscheids feststellen zu lassen. Wiedas „Anfechtungsurteil” hat auch das „Beschluss­feststellungs­urteil” rechts­gestaltendeUrteilswirkung inter omnes (§ 248 Abs. 1 S. 1 AktG analog; vgl. BGHZ 97, 28[31] = NJW 1986. 2051 = LM § 46 GmbHG Nr. 21; Lutter/Hommelhoff GmbHG 15. Aufl.[2000], Anh. § 47 Rd-Nr. 43; Hachenburg/Raiser GmbHG 8. Aufl. [1997] Anh. § 47Rd-Nrn. 244ff., 246; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl. [2000] Anh.§ 47 Rd-Nrn. 91ff..; Scholz/Karsten Schmidt GmbHG 8. Aufl. [1993/95] § 45Rd-Nrn. 180f.) Bei der GmbH ist allerdings nur der Gesellschafter berechtigt,die Anfechtungsklage zu erheben; die Gesellschaft ist passivbefugt (BGHZ 76,154 [159]= NJW 1980, 1527 = LM § 47 GmbHG Nr. 30 L; vgl. auch BGHZ 97, 28 [31]= NJW 1986, 2051; BGHZ 132, 278 [284]= NJW 1996, 1753). Ob entsprechendes fürdie positive Beschluss­feststellungs­klage analog § 248 AktG gilt, kann hierdahinstehen. Denn die Kl. hat nach der Fassung ihres Antrags eine solche Klagenicht erhoben. Ihre Klage ist vielmehr als gewöhnliche Feststellungsklage mitWirkung inter partes (§ 256 ZPO) aufzufassen (vgl. BGH NJW 1999,2268 = LM H. 10/1999 § 242 [Cc]BGB Nr. 61 = ZIP 1999, 656).
Ein solchesStreitverhältnis fällt nach dem Wortlaut der Schiedsvereinbarung in dievereinbarte Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Es kommt allerdings, etwa unterdem Gesichtspunkt des Gesamtzusammenhangs, in Betracht, dass die in § 3 VISchieds­vertrag bestimmte Ausnahme von der Zuständigkeit des Schiedsgerichtsauch für eine nach allgemeinen Regeln erhobene Klage der Gesellschaft aufFeststellung eines bestimmten Beschluss­ergebnisses, hier der Anordnung derGesamt­vertretungs­befugnis für den bekl. Geschäftsführer, gelten sollte. Dasich § 3 VI Schiedsvertrag dem Wortlaut des § 246 Abs. 3 S. 1 AktG anzulehnenscheint, können die vertragsschließenden Parteien ferner den Gesichtspunkt dereinheitlichen Sachentscheidung (vgl. BGHZ 132, 278 [285f.]= NJW 1996, 1753 =RKS A 1 Nr. 84) im Blick gehabt haben. Das Ber.Ger. hat insoweit, von seinemStandpunkt aus folgerichtig, Feststellungen nicht getroffen. Das zwingt zurZurückverweisung der Sache. Der Senat kann den Schiedsvertrag nicht selbstauslegen, weil die Parteien Gelegenheit erhalten müssen, zu dem neuenGesichtspunkt vorzutragen.