Recht und Steuern
A1 Nr. 108
A1 Nr. 108
§§ 2353 ff.BGB, § 12 FGG, §§ 1025, 1048 ZPO a.F Schiedsklausel im Testament. Zuständigkeitdes Nachlassgerichts zur Streitentscheidung im Erbscheinsverfahren.
Die Ausübung der Schiedsgerichtsbarkeit ist abgesehen von bürgerlichenRechtsstreitigkeiten i.S.v. § 13 GVG nur in echten Parteistreitigkeiten derfreiwilligen Gerichtsbarkeit zulässig, nicht in den sog. Fürsorgeverfahren, zudenen die Nachlasssachen und insbesondere das Erbscheinsverfahren zählen. Indiesem Verfahren bildet das Erbrecht eine Vorfrage. Diese muss das Nachlassgerichtselbst entscheiden und von Amts wegen die dazu erforderlichen Ermittlungendurchführen. Dies gilt jedenfalls, solange zwischen den Beteiligten weder einGerichts- noch ein Schiedsverfahren zur Feststellung des umstrittenen Erbrechtsanhängig ist. Das Nachlassgericht darf sich dieser Pflicht nicht durchVerweisung des Antragstellers auf ein erst anhängig zu machendes Schiedsverfahrenentziehen.
BayObLGBeschluss vom19.10.2000 - 1 Z BR 116/99; NJWE-FER (NJW-EntscheidungsdienstFamilien- und Erbrecht) 2001, 50 = RKS A 1 Nr. 108
Aus demSachverhalt:
In ihremnotariellen Testament vom 1.9.1988 hatte die Erblasserin u.a. bestimmt:
Zu meinemalleinigen Erben berufe ich meinen Sohn (den Beteiligten zu 2). Er ist jedochnur Vorerbe. Zum Nacherben berufe ich meine Tochter (Bet. zu 1), die ihrerseitsnur Vorerbin wird. Nacherbe nach ihr ist ihr Sohn. Die Nacherbfolge trittjeweils ein, wenn der Vorerbe den zum Nachlass gehörigen landwirtschaftlichenBetrieb nicht mehr persönlich entsprechend den Regeln einer ordnungsmäßigenWirtschaft fortführt, spätestens jedoch beim Tode des Vorerben. Fernerbestimmte sie soweit zulässig unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte einenSchiedsrichter für allfällige durch ihre Verfügung von Todes wegen bedingteStreitigkeiten der Nachlassbeteiligten.
Am 26.9.1994beantragte die Bet. zu 1 die Erteilung eines Nacherbscheins, weil der Bet.zu 2 den Betrieb nicht mehr entsprechend den Regeln einer ordnungsmäßigenWirtschaft fortführe. Der Bet. zu 2 bestritt dies und - unter Hinweis auf dieSchiedsklausel im Testament - die Zuständigkeit des Nachlassgerichts zurEntscheidung dieser Frage.
Aus denGründen:
Die letztwilligeSchiedsklausel steht der Durchführung des Erbscheins- und Beschwerdeverfahrensnicht entgegen. Die Ausübung der Schiedsgerichtsbarkeit ist nur für bürgerlicheRechtsstreitigkeiten und für echte Parteistreitigkeiten der freiwilligenGerichtsbarkeit gestattet (Zöller/Geimer ZPO 21. Aufl. Rd-Nr. 1 vor § 1025). Inden so genannten Fürsorgeverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denendie Nachlasssachen und insbesondere das Erbscheinsverfahren zählen, istSchiedsgerichtsbarkeit nicht zulässig (Stein/Jonas/Schlosser ZPO 21. Aufl.Vorb. § 1025 Rd-Nr. 19). Ein Erbschein kann nur im Wege eines Verfahrens nach§§ 2353 ff. BGB durch das Nachlassgericht erteilt werden. Auch der Inhaltdes Erbscheins unterliegt nicht der Verfügungsbefugnis der Beteiligten (vgl.BayObLGZ 1991, 1 [6] = NJW-RR 1991, 587; BayObLGZ 1978, 294 [300]). Im Rahmender Entscheidung über den Erbscheinsantrag bildet das Erbrecht eine Vorfrage(Staudinger/Schilken BGB 13. Bearb., § 2353 Rd-Nr. 84). Zu deren Klärung hatdas Nachlassgericht von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachenerforderlichen Ermittlungen durchzuführen (§ 2358 Abs. 1 BGB, § 12 FGG); esdarf sich nicht durch Verweisung des Antragstellers auf einen erst anhängig zumachenden Prozess dieser Pflicht entziehen (Staudinger aaO. § 2359 Rd-Nr. 4).Nur bei einem schon anhängigen Erbrechtsstreit ist das Nachlassgericht befugt,das Erbscheinsverfahren bis zur Beendigung des Prozesses auszusetzen(Staudinger aaO. Rd-Nr. 5).
Es bedarf hierkeiner Entscheidung darüber, in welchem Umfang die im Erbscheinsverfahren eineVorfrage darstellenden erbrechtlichen Fragen, zu deren Klärung den Beteiligtengrundsätzlich auch der Zivilrechtsweg offen steht, durch letztwillige Verfügungder Schiedsgerichtsbarkeit vorbehalten werden können, was im vorliegenden Fallnach §§ 1025 Abs. 1, 1048 ZPO a.F. zu beurteilen wäre (Zöller/Geimer, Vorb. §1025 Rd-Nr. 11; Stein/Jonas/Schlosser § 1025 Rd-Nr. 27c, § 1048 Rd-Nr. 3).Solange weder ein Rechtsstreit vor einem staatlichen Gericht noch einSchiedsgerichtsverfahren zwischen den Beteiligten zur Feststellung desumstrittenen Erbrechts anhängig ist, hat das Nachlassgericht nach den obendargestellten Grundsätzen selbst die zur Entscheidung dieser Vorfrage nötigenErmittlungen durchzuführen und über diese Vorfrage zu entscheiden. Gleichesgilt für das Beschwerde- und für das Rechtsbeschwerdegericht.