Recht und Steuern

A 1 Nr. 221

A 1 Nr. 221 § 166 Abs. 2 InsO, § 1032 Abs. 1 ZPO – Bindung des Insolvenzverwalters bei Einziehung einer sicherungsabgetretenen Forderung
Der Insolvenzverwalter ist an die Schiedsabreden des Insolvenzschuldners gebunden, wenn er vertragliche Rechte geltend macht.
Die Schiedsvereinbarung ist weder ein gegenseitiger Vertrag (§ 103 InsO) noch ein Auftrag (§ 114 InsO). Der Verwalter kann daher die Erfüllung nicht ablehnen. Auch erlischt der Schiedsvertrag nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Die Bindung an die Schiedsabrede gilt auch dann, wenn der Verwalter gem. § 166 Abs. 2 InsO eine zur Sicherheit abgetretene Forderung einzieht.  
Dagegen erfassen Schiedsabreden aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht eigene Rechte des Verwalters, die sich nicht unmittelbar aus dem vom Schuldner geschlossenen Vertrag ergeben, sondern auf der Insolvenzordnung beruhen. Dies gilt insbesondere für den Rückgewähranspruch aus Insolvenzanfechtung.
BGH Urt.v. 25.4.2013 – IX ZR 49/12 – ZIP 2013, 1539 = RKS A 1 Nr. 221
Aus dem Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem am 1.7.2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin).  Mit Vertrag vom 28.10.2008 kaufte die Beklagte bei der Pflanzenschutz W.-B. e.Kfr. (im Folgenden: P) Getreide. Dem Vertrag lagen die „Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel“ zugrunde, die einen verlängerten Eigentumsvorbehalt sowie eine Schiedsgerichtsvereinbarung enthalten. Aufgrund dieser Bedingungen hatte die P. die gegen die Beklagte gerichtete Forderung an die Vorlieferanten abzutreten. In der Folgezeit brachte die P.ihr Einzelunternehmen in die Schuldnerin ein, wobei die Wirksamkeit dieses (nicht näher beschriebenen) Rechtsgeschäfts streitig ist. Das Getreide wurde im März 2009 geliefert.
Der Kläger verlangt Bezahlung des Kaufpreises für das gelieferte Getreide. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Kl. hat das OLG Naumburg die Bekl. zur Zahlung verurteilt. Die Bekl. erstrebt die Wiederherstellung des LG-Urteils.  
Aus den Gründen:
Der Insolvenzverwalter ist an die Schiedsabreden des Insolvenzschuldners gebunden, wenn er vertragliche Rechte geltend macht (RGZ 137, 109, 111; BGH 28.2.1957 VII ZR 204/56 BGHZ 24, 15, 18; BGH Beschl.v. 29.1.2009 III ZB 88/07 BGHZ 179, 304 = RKS  A a A Nr. 111 =  ZIP 2009, 627 Rz.11 dazu EWiR 2009, 451 (Wirth/Undritz); Wagner KTS 2010, 39, 41f.). Die Schiedsvereinbarung ist weder ein gegenseitiger Vertrag (§ 103 InsO) noch ein Auftrag (§ 114 InsO). Der Verwalter kann daher weder die Erfüllung ablehnen, noch erlischt der Schiedsvertrag durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BGH Beschl.v. 20.11.2003 – III ZB 24/03 ZInsO 2004, 88 = RKS A 1 Nr. 132). Die Schiedsabrede gilt auch im Feststellungsrechtsstreit (BGHZ 179, 304 = ZIP 2009, 627 Rz. 11 = RKS A 4 a Nr. 111; Wagner  KTS 2010, 39, 44f.).
Dieser Grundsatz gilt auch, wenn der Verwalter gem. § 166 Abs. 2 InsO eine zur Sicherheit abgetretene Forderung einzieht. Schiedsabreden aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfassen zwar nicht solche Rechte des Verwalters, die sich nicht unmittelbar aus dem vom Schuldner geschlossenen Vertrag ergeben, sondern auf der InsO beruhen. Dazu gehört insbesondere die Insolvenzanfechtung (BGH Urt.v. 17.10.1956 – IV ZR 137/56 NJW 1956, 1920, 1921; BGH Beschl.v. 17.1.2008 – III ZB 11/07 ZIP 2008, 478 Rz. 17 = RKS A 1 Nr. 157; BGH Beschl.v. 30.6.2011 – III ZB 59/10  ZIP 2011, 1477 = NZI 2011, 634 Rz. 14 = RKS A 3 Nr. 32, dazu EWiR 2011, 545 (Prütting)). Der Rückgewähranspruch aus Insolvenzanfechtung (§ 143 Abs. 1 InsO) folgt nicht aus dem anfechtbar geschlossenen Vertrag, sondern aus einem selbständigen, der Verfügungsgewalt des Schuldners entzogenen Recht des Insolvenzverwalters (BGH ZIP 2008, 478 Rz. 17 = RKS A 1 Nr. 157; Wagner/Braem KTS 2009, 242, 245). Der Schuldner ist an dem materiellen Streitverhältnis  der Insolvenzanfechtungsansprüche nicht beteiligt; er kann nicht über sie disponieren (Berger, ZInsO 2009, 1033, 1037; Wagner KTS 2010, 39, 48).
Um derartige Rechte geht es hier jedoch nicht. Nach § 166 Abs. 2 InsO darf der Verwalter Forderungen einziehen oder verwerten, welche der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hat. Nur dieses Einziehungsrecht ist dem Verwalter von der InsO besonders verliehen. Es geht insoweit über die allgemeine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters gem. § 80 Abs. 1 InsO hinaus, als es nicht nur eigene Forderungen des Schuldners erfasst, sondern auch solche Forderungen, welche der Schuldner vor der Eröffnung sicherheitshalber abgetreten hat. Der Schuldner selbst hätte dieses Einziehungsrecht nicht. Auf die einzuziehende Forderung als solche, welche der Schiedsabrede unterliegt, wirkt sich das besondere Einziehungsrecht des Verwalters gem. § 166 Abs. 2 InsO jedoch nicht aus. Eingezogen wird die vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete und sicherungshalber abgetretene Forderung. Der Sicherungsnehmer als der Einzelrechts-nachfolger des Schuldners (§ 398 S. 2 BGB) hätte sich gem. § 404 BGB die Schiedsabrede entgegenhalten lassen müssen, wenn er versucht hätte, die abgetretene Forderung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei den ordentlichen Gerichten einzuklagen (BGH Urt.v. 2.3.1978 – III ZR 99/76 BGHZ  71, 162, 165 f. = RKS A 1 Nr. 23; BGH Urt.v. 2.10.1997 – III ZR 2/96 ZIP 1997, 2082 = NJW 1998, 371 = RKS A 1  Nr. 91). Gleiches gilt für den Verwalter, der gem. § 166 Abs. 2 InsO anstelle des Sicherungsnehmers die Forderung einzieht. Ebenso wie der Sicherungsnehmer hat er die vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam geschaffene Rechtslage insoweit hinzunehmen.
20.8.2013