RECHT & STEUERN

A 1 Nr. 214

A 1 Nr. 214  Art. II UNÜ, §§ 133, 157, 166 BGB, § 94 HGB, §§ 1031,  1040 Abs. 2 ZPO - Wirksames Zustandekommen einer Schiedsvereinbarung unter deutschen Kaufleuten mit Schiedsort Paris durch Schlussnote eines Handelsmaklers
1. Enthält ein Makler-Schlussschein eine Schiedsklausel, die ein bestimmtes Schiedsgericht bezeichnet, so steht nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) fest, dass aus dem beurkundeten Vertrag herrührende Rechtsstreitigkeiten der Entscheidung durch dieses Schiedsgericht unterworfen sein sollen. Die Schiedsklausel ist wirksam, auch wenn das  Zustandekommen des im Schlussschein beurkundeten Vertrages streitig ist; diesen Streit hat das Schiedsgericht zu entscheiden.
2. Ob der vermittelnde Makler berechtigt war, die Maklergesellschaft allein zu vertreten, kann offen bleiben. Der Schlussschein ist keine Willenserklärung, sondern eine dem Beweis dienende private Urkunde. Sie soll Klarheit über das Zustandekommen und den Inhalt des vermittelten Vertrages schaffen. Der Handelsmakler ist Urkundsperson. Durch die Schlussnote soll den Parteien für das abgeschlossene Geschäft ein Beweismittel gesichert werden. Der Makler beurkundet lediglich den zustande gekommenen Vertrag.
3. Die Kenntnis des Maklers von der fehlenden Vertretungsbefugnis des Vertreters für die von ihm vertretene Partei des vermittelten und beurkundeten Vertrages steht der Wirksamkeit dieses Vertrages nicht entgegen. Gesetzlich geregelt ist die Wissenszurechnung in § 166 Abs. 1  Abs. 1 BGB für den Vertreter. Der den Schlussschein erteilende Makler wird in der Regel als Bote,  nicht als Vertreter, fungieren. Auf den Boten ist § 166 BGB nicht anwendbar, da er keine eigene Willenserklärung abgibt. Allerdings sind hier die Grenzen fließend, und es ist auf den Einzelfall abzustellen. Kennen und Kennen-Müssen eines Abschlussgehilfen analog § 166 Abs. 1 BGB ist insbesondere dann zu berücksichtigen, wenn diese Hilfsperson ähnlich wie ein Vertreter erkennbar als Verhandlungsführer oder –gehilfe tätig wird, d.h. Aufgaben übernimmt, die typischerweise der Vertragspartei obliegen.
4. Zugegangen sind Erklärungen dann, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt sind, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Dazu gehören auch die vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bereitgehaltenen Einrichtungen. Wenn deshalb aufgrund von im Bereich des Empfängers liegenden Umständen die zur Entscheidung befugten Personen für sie bestimmte Erklärungen nicht erhalten, z.B. weil diese „abgefangen“ werden, kann dies für die mit einer Schlussnote verbundenen Wirkungen keine Rolle spielen.
5. Ist streitig, ob ein Makler-Schlussschein beiden Parteien mit identischem Inhalt zugegangen ist, ist zwischen Kaufvertrag und Schiedsklausel zu unterscheiden. Ist die Schiedsklausel identisch, ist die Schiedsabrede zustandegekommen. Ob und ggf. mit welchem Inhalt der Kaufvertrag zustandegekommen ist, hat das Schiedsgericht zu entscheiden.            
6. Unter inländischen Kaufleuten ist unbedenklich und kann sachlich gerechtfertigt sein, für ihre Streitigkeiten einen ausländischen Schiedsort zu wählen. Begrenzt ist diese Befugnis, wenn die Wahl des Schiedsorts einen Vertragsteil gröblich benachteiligen würde.  
OLG München Beschl.v. 7.6.2013 – 34 SchH 9/12 RKS A 1 Nr. 214
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin, eine Genossenschaft mit Sitz in Südhessen, verlangt die Feststellung der Unzulässigkeit eines von der Antragsgegnerin, einer bayerischen Handelsgesellschaft, bei der Internationalen Schiedsgerichtskammer Paris (Chambre Arbitrale Internationale de Paris) eingeleiteten Schiedsverfahrens.
Die Antragsgegnerin handelt mit Getreide, Futtermitteln und Ölsaaten, die Antragstellerin betreibt für ihre Mitglieder den gemeinsamen Einkauf landwirtschaftlicher  Bedarfsartikel sowie den gemeinschaftlichen Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse und den Handel mit sonstigen Waren. In dem vor dem Schiedsgericht in Paris eingeleiteten Verfahren begehrt die Antragsgegnerin die Verurteilung der Antragstellerin zur Zahlung von 1.305.733 €  aus ihrem Vortrag zufolge von Ende Juni 2011 bis Ende März 2012 zwischen den Parteien abgeschlossenen  Weizen- und Rapsverträgen. Die Antragsgegnerin legte hierzu u. a. Schriftstücke der Heike und Volker B. GbR - Getreidemakler (im Folgenden: B. GbR) vor, die jeweils eine Kontrakt-Nummer enthalten und in denen Volker B. vermittelte Abschlüsse bestätigt. Die Schriftstücke enthalten ausnahmslos die Klausel „Schiedsgericht: Paris“ und den Zusatz „Vorstehende Abschlussbestätigung gilt als anerkannt, wenn nicht umgehend dagegen Einspruch erhoben wird.“
Die Antragstellerin hat noch vor Konstituierung des Schiedsgerichts beantragt festzustellen, dass die Durchführung des schiedsrichterlichen Verfahrens unzulässig ist.
Dies ergebe sich aus der Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarungen.
Die der Schiedsklage zugrunde liegenden Verträge seien von Jörg H. abgeschlossen worden. Dieser sei am 9.5.2006 zum "Geschäftsführer" und durch Beschluss des Aufsichtsrates vom 24.5.2011 ab 1.6.2011 zum hauptamtlichen gesamtvertretungsberechtigten Vorstandsmitglied der Antragstellerin bestellt worden. Die Bestellung sei am 23.8.2011 im Genossenschaftsregister eingetragen und am 25.8.2011 im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht worden.
Die Parteien hätten im Jahr 2009 erstmals Warentermingeschäfte abgeschlossen, auf Seiten der Antragstellerin durch den seinerzeit noch als "Geschäftsführer" tätigen Jörg H.. Dieser habe der B. GbR den Auftrag erteilt, bestimmte landwirtschaftliche Produkte zu kaufen oder zu verkaufen. Letztere habe sodann das entsprechende Geschäft zwischen den Parteien vermittelt.
Eine Generalvollmacht für diese Art von Warentermingeschäften sei Jörg H. nicht erteilt worden.
Am 5.4.2011 habe eine Vorstands- und Aufsichtsratssitzung stattgefunden, an der auch der Makler Volker B. teilgenommen habe. Im Rahmen dieser Sitzung hätten Vorstand und Aufsichtsrat sowie Jörg H. ein Warenrisikomanagement beschlossen. Dieses habe vorgesehen, dass der Geschäftsführer maximal offene Geschäfte in Höhe eines Viertels des Eigenkapitals der Genossenschaft tätigen könne; pro Jahr durfte maximal ein Verlust in dieser Höhe erwirtschaftet werden.
Ohne Wissen der übrigen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder habe Jörg H. über die B. GbR auch im Jahre 2011 im Namen der Antragstellerin Warentermingeschäfte mit der Antragsgegnerin geschlossen.
Am 10.11.2011 seien die aus den genannten Geschäften resultierenden Verbindlichkeiten - ihre wirksame Vertretung bei Vertragsschluss unterstellt - soweit angestiegen, dass die Antragstellerin nicht mehr in der Lage gewesen sei, diese zu begleichen.
Die erwähnten Rechnungen und Gutschriften seien nicht in die Buchhaltung gelangt, sondern gegenüber den übrigen Organen und Mitgliedern der Antragstellerin verheimlicht worden. Um die Forderungssumme zu verschleiern, habe Jörg H. die Antragsgegnerin gebeten, zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten der oben genannten Raten "gefälschte Rechnungen" zu erstellen, aus denen der tatsächliche Inhalt der geschlossenen Geschäfte nicht hervorgehe. Die Antragsgegnerin habe am 17.11.2011 sowie am 10.2.2012 diese Rechnungen erstellt, die eine an das Datum der Rechnungserstellung angelehnte fiktive Rechnungsnummer getragen und folgenden Wortlaut gehabt hätten:
„Wir berechnen MATIF-Weizen/Raps - Abrechnung November (bzw. Februar) 2011: € .... Zahlbar sofort netto Kasse auf unser unten stehendes Bankkonto.“
Zahlreiche Verträge seien nicht so, wie von der Antragsgegnerin behauptet, abgeschlossen worden. Für diese gebe es deswegen auch keine Schiedsvereinbarung. Im einzelnen ergebe sich die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarungen aus folgendem:
Der damalige nicht organschaftliche "Geschäftsführer" habe keine ausdrückliche Vollmacht zum Abschluss von Warentermingeschäften besessen. Demgemäß sei er auch nicht bevollmächtigt gewesen, im Zusammenhang mit deren Abschluss Schiedsvereinbarungen zu treffen.
Daran ändere auch das am 5.4.2011 beschlossene Risikomanagement nichts, da dies - mit Ausnahme gegenüber Volker B. - nicht nach außen gelangt sei und in dessen Rahmen keinem der damals Anwesenden eine entsprechende Einzelvollmacht erteilt worden sei.
Jörg H. habe auch keine Handlungsvollmacht zum Abschluss von Schiedsvereinbarungen besessen.
Auch die Grundsätze einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht seien nicht anwendbar.
Aus den Gründen:
In der Sache hat der Antrag keinen Erfolg, da der von der Antragsgegnerin erhobenen Schiedsklage wirksame Schiedsvereinbarungen zugrunde liegen.
Für die formellen Anforderungen an die Schiedsvereinbarung ist § 1031 ZPO einschlägig, da sich dies nach deutschem Recht bestimmt. Die Vereinbarungen sind als Klauseln (vgl. § 1029 Abs. 2 ZPO) im Rahmen von Kaufverträgen zwischen deutschen Unternehmen in Inland geschlossen (vgl. Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1031 Rn. 1). Dass als Schiedsort Paris vereinbart wurde, ändert an der Maßgeblichkeit des § 1031 ZPO nichts. Es ist zwar zu berücksichtigen, dass für die Vollstreckbarerklärung des französischen Schiedsspruchs das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (UNÜ) einschlägig sein wird und damit auch grundsätzlich die strengeren Voraussetzungen des Art. II UNÜ gelten. Anerkannt ist aber auch, dass ein ausländischer Schiedsspruch im Inland für vollstreckbar erklärt werden kann, wenn er der für inländische Schiedsvereinbarungen geltenden Formvorschrift des § 1031 ZPO genügt (BGHZ 30.9.2010 E 187, 126 = RKS A 4 a Nr. 127).
Gemäß § 1031 Abs. 1 ZPO muss die Schiedsvereinbarung entweder in einem von den Parteien unterzeichneten Dokument oder in zwischen ihnen gewechselten Schreiben (oder einer anderen Form der Nachrichtenübermittlung) enthalten sein, die einen Nachweis der Vereinbarung sicherstellen. Diese Form gilt gemäß § 1031 Abs. 2 ZPO u.a. auch dann als erfüllt, wenn die Schiedsvereinbarung in einem von einem Dritten beiden Parteien übermittelten Dokument enthalten ist und der Inhalt des Dokuments im Fall eines nicht rechtzeitig erfolgten Widerspruchs nach der Verkehrssitte als Vertragsinhalt angesehen wird. Die Einbeziehung des von einem Dritten an beide Parteien gerichteten Schreibens erfasst auch die Schlussnote des Handelsmaklers (vgl. Schlosser in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 1031 Rn. 4). In Fällen ohne Auslandsbezug ist die Bindung an unwidersprochen gebliebene kaufmännische Bestätigungsschreiben und Schlussnoten ("Schlussscheine") eines Handelsmaklers gewohnheitsrechtlich verfestigt (vgl. Schlosser aaO.). Die Vereinbarung eines ausländischen Schiedsorts führt zu keiner anderen Bewertung.
Die Schlussscheine der B. GbR genügen diesen Anforderungen.
1. Die Parteien sind sich einig, dass über die Mehrzahl der gegenständlichen Geschäfte von der B. GbR Schlussscheine versandt wurden. Die Einordnung als Schlussschein ist unstreitig und wird auch durch die Bezugnahme auf § 94 HGB bestätigt. Diese Schlussscheine enthalten die Klausel: "Schiedsgericht: Paris". Hinzu kommt bei den meisten Verträgen der Hinweis "INCOGRAINS Abwicklung gem. Reglement Euronext, Paris". Dass damit das angerufene Schiedsgericht gemeint ist, wird von der Antragstellerin nicht bestritten. Damit steht nach dem objektiven Empfängerhorizont (vgl. §§ 133, 157 BGB) fest, dass aus den genannten Verträgen herrührende Rechtsstreitigkeiten der Entscheidung durch ein, und zwar dieses, Schiedsgericht unterworfen sein sollten, auch wenn im Einzelfall der Hinweis "INCOGRAINS" fehlen sollte.
2. Unterschrieben sind die Schlussscheine von Volker B., einem Gesellschafter der B.  GbR. Ob dieser berechtigt war, die Maklergesellschaft allein zu vertreten, kann offenbleiben. Der Schlussschein ist keine Willenserklärung, sondern eine dem Beweis dienende private Urkunde. Sie soll Klarheit über das Zustandekommen und den Inhalt des vermittelten Vertrags schaffen. Der Handlungsmakler ist Urkundsperson. Durch die Schlussnote soll den Parteien für das abgeschlossene Geschäft ein Beweismittel gesichert werden. Der Makler beurkundet lediglich den zustande gekommenen Vertrag (vgl. MüKo/von Hoyningen-Huene HGB 3. Aufl. § 94 Rn. 1 und 3). Vermittelt hat die Verträge aber unstreitig Volker B. Nur er konnte daher auch den Abschluss des Vertrages beurkunden.
Vorbehaltlose Annahme durch die Parteien - Schweigen auf die Schlussnote - bedeutet nach Handelsbrauch Zustimmung zur Verbindlichkeit des Abschlusses mit dem angegebenen Inhalt, führt also zu einer Genehmigungsfiktion (vgl. MüKo/von Hoyningen-Huene § 94 Rn. 12; Staub/Thiessen HGB 5. Aufl. § 94 Rn. 23). Die Wirkung entspricht der des kaufmännischen Bestätigungsschreibens (vgl. Staub/Thiessen aaO.). Voraussetzung ist lediglich die vorbehaltlose Annahme, also die körperliche Entgegennahme und das "inhaltliche Einverständnis", das sich aus dem Schweigen ergibt. Wie im Falle des kaufmännischen Bestätigungsschreibens (vgl. z. B. BGH NJW 1964, 1951; Palandt/Ellenberger BGB 72. Aufl. § 147 Rn. 11) wird auch das Fehlen der Vertretungsbefugnis geheilt.
Bei den durch die Schlussscheine beurkundeten Geschäften handelt es sich um Termingeschäfte mit der Folge, dass der Schlussschein den Parteien zur Unterschrift zuzustellen ist (vgl. § 94 Abs. 2 HGB). Auf diese Förmlichkeit kann aber zum Einen verzichtet werden (vgl. MüKo/von Hoyningen-Huene § 94 Rn. 17). Zum Anderen (MüKo/von Hoyningen-Huene § 94 Rn. 12) gilt die Genehmigungsfiktion auch bei Geschäften, die nicht sofort erfüllt werden sollen. Die gemäß § 94 Abs. 2 HGB erforderlichen Unterschriften dienen nur der Beweissicherung.
3. Die von der Antragstellerin behauptete Kenntnis des Maklers von der fehlenden Vertretungsbefugnis des Vorstandsmitglieds Jörg H. steht der Wirksamkeit der von diesem beurkundeten Verträge nicht entgegen. Gesetzlich geregelt ist die Wissenszurechnung in § 166 Abs. 1 BGB für den Vertreter. Der den Schlussschein erteilende Makler wird in der Regel als Bote fungieren (vgl. z. B. MüKo/von Hoyningen-Huene § 94 Rn. 1). Hiervon ist auch hier auszugehen. Auf den Boten ist § 166 BGB grundsätzlich nicht anwendbar, da er keine eigene Willenserklärung abgibt
(vgl. z. B. MüKo/Schramm BGB 6. Aufl. § 166 Rn. 40). Allerdings sind hier die Grenzen fließend und es ist auf den Einzelfall abzustellen (vgl. MüKo/Schramm aaO.). Kennen und kennen Müssen des Abschlussgehilfen analog § 166 Abs. 1 BGB ist insbesondere dann zu berücksichtigen, wenn die Hilfsperson ähnlich wie ein Vertreter erkennbar als für den Geschäftsherrn handelnd in Erscheinung getreten ist. Der Makler jedoch ist in der Regel nicht Hilfsperson seines Auftraggebers, sondern Dritter. Etwas anderes gilt nur dann, wenn er als Hilfsperson der Vertragspartei als Verhandlungsführer oder  Verhandlungsgehilfe tätig wird und damit die Aufgaben übernimmt, die typischerweise der Vertragspartei obliegen (vgl. MüKo/Schramm § 166 Rn. 40). Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte. Der Vorstand der Antragstellerin hatte sich an den Makler gewandt. Einem Vertragsschluss entgegenstehende Hindernisse in der Sphäre der Antragstellerin kann der Geschäftspartner nicht kennen. Eine Kenntnis des Maklers ist diesem grundsätzlich - auch im gegebenen Fall - nicht zuzurechnen.
Eigene Kenntnis der Antragsgegnerin vom Fehlen der (Allein-) Vertretungsmacht des Vorstandsmitglieds Jörg H. ergibt sich nicht aus den ihr am 10.11.2011 offenbarten Zahlungsschwierigkeiten. Sie lässt sich auch nicht aus den von der Antragstellerin als "gefälscht" bezeichneten Rechnungen herleiten. Die Antragsgegnerin hat mit Jörg H. eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen. Wenn dieser aus - vielleicht nur vorgeschobenen - buchhalterischen Gründen hierfür eine Rechnung verlangte, musste die Antragsgegnerin noch nicht an seiner Vertretungsbefugnis zweifeln. Soweit die Antragstellerin einige der von der Antragsgegnerin im Schiedsverfahren vorgelegten "Kontrakte" nicht im Besitz haben und auch nicht erhalten haben will, ist der Senat überzeugt, dass ihr auch insoweit Schlussscheine mit den entsprechenden Schiedsklauseln zugegangen sind.
Zum Einen ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Makler sie nur an eine Partei - entgegen § 94 HGB und der zuverlässigen Handhabung in den zahlreichen übrigen Fällen - versandt haben sollte. Zum Anderen bezweifelt der Senat nicht, dass die Schlussscheine bei der Antragstellerin auch eingegangen sind. Diese betreffen nämlich Warentermingeschäfte mit teilweise langen Laufzeiten. Wäre ihr in einzelnen Fällen keine wie immer geartetete Dokumentation des Vertragsschlusses zugegangen, hätte die Antragstellerin bzw. der für sie handelnde Jörg H. dies mit Sicherheit moniert. Derartiges wird aber nicht behauptet. Schließlich legt es der von der Antragstellerin geschilderte Umgang mit den eingegangenen Dokumenten nahe, dass auch in den übrigen Fällen ebenfalls Schlussscheine eingegangen sind, aber nicht aufgefunden werden konnten. Die den angeblich fehlenden Schlussscheinen zuzuordnenden Geschäfte wurden offensichtlich durchgeführt.
4. Unerheblich ist, ob das Vorstandsmitglied Jörg. H. die Schlussscheine "abgefangen" hat. Zugegangen sind Erklärungen dann, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt sind, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen, wobei zum Bereich des Empfängers auch die von ihm zur Entgegennahme von Erklärungen bereit gehaltenen Einrichtungen gehören (vgl. für Willenserklärungen Palandt/Ellenberger § 130 Rn. 5). Wenn deshalb aufgrund von im Bereich des Empfängers liegenden Umständen die zur Entscheidung Befugten nicht in den Besitz von Erklärungen gelangen, kann dies für die mit dem Bestätigungsschreiben verbundenen Wirkungen keine Rolle spielen (siehe auch BGH NJW 1964, 1951). Im Übrigen sind die Schlussscheine in den Bereich des (gesamtvertretungsberechtigten) Vorstandsmitglieds Jörg H. gelangt. Dies genügt, da zur Passivvertretung jeder Gesamtvertreter allein berechtigt ist (vgl. z. B. Palandt/Ellenberger § 167 Rn. 14 m.w.N.).
5. Soweit die Antragstellerin behauptet, die Schlussscheine zu den Kontrakten 12360, 12361 und 12362 seien ihr mit einem anderen als dem von der Antragsgegnerin dargestellten Inhalt zugegangen, ist zwischen dem Kaufvertrag und der Schiedsklausel zu unterscheiden (§ 1040 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die stets vorhandene Schiedsklausel deckt sich jeweils. Sie bezieht sich auf eine bestimmte Kontraktnummer. Inwieweit ein Vertrag im Übrigen zustande gekommen ist, ist gerade im (schieds-) gerichtlichen Verfahren zu klären.
Sofern der Antragstellerin der Kontrakt 11302 nicht vorliegt, gilt das oben Gesagte. Wenn die Antragstellerin im Besitz von neun Kontrakten mit derselben Warenmenge ist, spricht dies nicht gegen die Zustellung des Kontraktes 11302 über 22.850 Tonnen Weizen. Offensichtlich geht die Antragsgegnerin allein aus diesem Kontrakt vor. Dies ist auch nachvollziehbar, denn der von der Antragstellerin mit den Unterlagen aus dem Schiedsverfahren vorgelegte Schlussschein 11302 trägt den Zusatz "Wash-out zu bestehenden Kontrakten", was auf eine Verrechnung oder Zusammenfassung von Warentermingeschäften schließen lässt. Auch dies zu klären ist letztlich Aufgabe des Schiedsgerichts.
Zwar muss der Geschäftspartner Änderungen, die im Genossenschaftsregister eingetragen sind, gegen sich gelten lassen (§ 29 Abs. 2 GenG). Das bedeutet aber nicht, dass die Antragsgegnerin so zu behandeln wäre, als hätte sie die - behauptete - fehlende Vertretungsbefugnis gekannt. Zum Vertragsschluss kann führen, wenn ein (nur) gesamtvertretungsberechtigtes Organ Kenntnis vom Inhalt eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens erhält, ohne dass dem Inhalt widersprochen worden wäre (vgl. BGH NJW 1988, 1199/ 1200). Für Schlussscheine kann nichts anderes gelten. Ob Kenntnis des anderen Teils schadet, kann offen bleiben, denn die Tatsache, dass Jörg H. (nur) gesamtvertretungsbefugt war, schließt nicht zwingend aus, dass er nicht doch gerade zum Abschluss der gegenständlichen Geschäfte allein vertretungsberechtigt war (vgl. § 25 Abs. 3 GenG).
Soweit die Antragsgegnerin selbst Bestätigungsschreiben versandt hat, kann es dahinstehen, ob deren AGB, nach welchen Maklerschlussscheine nicht "maßgeblich" für diesen Vertrag seien, es verhindern, dass aufgrund der Genehmigungsfiktion des § 94 HGB die Schiedsvereinbarung zustande gekommen ist. Bei den Bestätigungsschreiben, wie sie beispielhaft von der Antragstellerin vorgelegt sind, handelt es sich um kaufmännische Bestätigungsschreiben und nicht etwa um Auftragsbestätigungen (vgl. etwa Palandt/Ellenberger § 147 Rn. 12). Dies ergibt sich schon daraus, dass dem Empfänger die Möglichkeit des schriftlichen Widerspruchs innerhalb von 24 Stunden nach Eingang ausdrücklich eingeräumt ist. Auch diese Schreiben enthalten aber die Klausel: "Schiedsgericht: Paris". Darin liegt kein Widerspruch zu dem in den AGB bestimmten Gerichtsstand. Die Vereinbarung eines Gerichtsstands bedeutet nämlich nicht denknotwendig, dass die staatlichen Gerichte für alle Streitigkeiten zuständig sein müssen und damit Schiedsvereinbarungen ausgeschlossen sind. Die Vereinbarung ergibt vielmehr auch dann einen Sinn, wenn sie nur für den Fall gelten soll, dass ausnahmsweise die staatlichen Gerichte zuständig sind (vgl. BGH WM 2007, 698 = RKS A 1 Nr. 147; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl. Rn. 389).
Soweit die Antragsgegnerin keine eigene Auftragsbestätigung versandt hat, stehen deren AGB der Wirkung, die von den erstellten Schlussscheinen ausgeht, nicht entgegen. Diese sollen nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut nur für den jeweiligen Vertrag ("dieser Vertrag") maßgeblich sein. Entsprechend ist auch eine Vielzahl von Geschäften abgewickelt worden.
6. Ein rechtlicher Grund, der gegen die Wirksamkeit des übereinstimmend bestimmten Schiedsorts Paris sprechen würde, ist nicht ersichtlich. Die Parteien sind Kaufleute. Grundsätzlich ist es unbedenklich, für Streitigkeiten unter Inländern aus gegenseitigen Verträgen auch einen ausländischen Schiedsort zu wählen. Begrenzt ist diese Befugnis, wenn die Wahl des Schiedsortes einen Vertragsteil gröblich benachteiligen würde (vgl. etwa OLG Dresden IPRax 2010, 241 = RKS A 1 Nr. 160 für Franchiseverträge; vgl. Schulz/Niedermaier SchiedsVZ 2009, 196). Es ist nicht ersichtlich, dass eine Partei im Verhältnis zur anderen durch die Wahl des ausländischen Schiedsorts benachteiligt würde. Zudem betrafen die Verträge an der französischen Warenbörse gehandeltes Getreide, überwiegend sind sie den dort aufgelegten Regeln ("INCOGRAINS") unterstellt. Dann gibt die Vereinbarung des französischen Schiedsortes auch einen durchaus sachbezogenen Grund, weil damit gerechnet werden kann, dass das dortige (institutionelle) Schiedsgericht in besonderer Weise über die speziellen Kenntnisse zur Erfassung und Beurteilung des Sachverhalts verfügt.
Der Vernehmung der insbesondere zum Verhalten des Vorstandes Jörg H. und zur Festlegung eines Risikomanagements angebotenen Zeugen bedarf es unter diesen Umständen nicht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Für den Streitwert ist ein Bruchteil (ein Drittel) der beim Schiedsgericht anhängigen Hauptsache festzusetzen (§ 3 ZPO i.V.m. § 48 GKG).
7.7.2013