Recht und Steuern

A1 Nr. 213

A 1 Nr. 213 §§ 133, 157, 1029 Abs. 1, 1032 Abs. 2 ZPO – Auslegung der Schiedsklausel „Any dispute … shall be finally settled by arbitration in accordance with the arbitration rules of the German Chamber of Commerce“
Schiedsklauseln sind nach der internationalen Praxis generell großzügig auszulegen, um den Interessen der Parteien möglichst weitgehend zu entsprechen. Bei der Ermittlung des Willens der Parteien sind, ausgehend vom Wortlaut, alle Umstände des Einzelfalles heranzuziehen, insbesondere die Interessen der Parteien und die von ihnen verfolgten Zwecke, soweit sie gegenseitig bekannt sind.
Die Schiedsklausel “arbitration in accordance with the arbitration rules of the German Chamber of Commerce” ist dahin auszulegen, dass die Schiedsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. vereinbart ist.
KG Berlin Beschl.v. 3.9.2012 - 20 SchH 2/12; SchiedsVZ 2012,  337 = RKS A 1 Nr. 213
Art. 10 des Agreement lautet wie folgt:
Applicable Law and ArbitrationThis Agreement is governed by and shall be construed in accordance with the laws of Germany excluding its choice of law provisions. Any dispute, controversy or claim arising out of or relating to this Agreement, or the breach, the termination or validity thereof shall be finally settled by arbitration in accordance with the arbitration rules of the German Chamber of Commerce. The Arbitration shall be conducted in Berlin, Germany, in the English language. The award shall be final and binding on the Parties. …
Aus den Gründen:
Die Parteien haben in Art. 10 des Agreement eindeutig zum Ausdruck gebracht, sämtliche Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis in einem Schiedsverfahren klären zu wollen. Sie haben durch die verwendete Klausel kundgetan, eventuelle Streitigkeiten nach einer bestimmten Schiedsordnung vor einem deutschen Schiedsgericht auszutragen. Wenn die gewählte Formulierung eine solche Vorgehensweise aber ausschließt, weil es die von den Parteien bezeichnete Schiedsordnung der „German Chamber of Commerce“ unstreitig nicht gibt, ist es geboten, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB nach einer Lösung zu suchen (BGH Beschl.v. 14.7.2011 III ZB 70/10 = RKS A 1 Nr. 201; KG Beschl.v. 15.10.1999 28 Sch 17/99 = RKS A 1 Nr. 104; OLG Frankfurt Beschl.v. 24.10.2006 26 Sch 6/06 =RKS A 1 Nr. 152).
Schiedsklauseln sind nach der internationalen Praxis generell großzügig auszulegen, um den Interessen der Parteien möglichst weitgehend zu entsprechen. Hierbei gelten die allgemeinen Auslegungsgrundsätze des BGB, so dass bei der Ermittlung des Willens der Parteien, ausgehend vom Wortlaut alle Umstände des Einzelfalles heranzuziehen sind, insbesondere die Interessen der Parteien und die von ihnen verfolgten Zwecke, soweit sie gegenseitig bekannt sind (KG aaO).
Mit der Formulierung „Schiedsverfahren in Übereinstimmung mit den Schiedsregeln der deutschen Handelskammer“ haben die Parteien vereinbart, dass sie sich einem institutionellen Schiedsgericht mit dem Sitz in Deutschland unterwerfen wollen.
Soweit die Antragsgegnerin meint, die Bezeichnung „German Chamber of Commerce“ treffe (nur) auf die deutschen Auslandshandelskammern zu, steht dem schon entgegen, dass es dann in der Mehrzahl heißen müßte „German Chambers of Commerce“. Wäre eine bestimmte deutsche Auslandshandelskammer gemeint gewesen, hätte es für die Parteien auch nahe gelegen, diese –wie es in  Handelskreisen üblich ist – eindeutig nach ihrem Sitz in einer bestimmten Stadt zu bestimmen. Die AGg. hat insoweit schon nicht konkret dargelegt, dass sie bei Abschluss der Vereinbarung tatsächlich von der Zuständigkeit einer dieser Institutionen ausgegangen ist, die schon nach ihrem eigenen Vortrag über keine einheitliche Schiedsordnung verfügen, sondern sie beschränkt ihren Vortrag auf das Aufzählen denkbarer Auslegungsmöglichkeiten, ohne darzulegen, welche Vorstellung sie bei Abschluss des Vertrages hatte bzw. was nach ihrem Willen in Kenntnis der unzutreffenden Bezeichnung hätte gelten sollen. Das gilt auch hinsichtlich der von der AGg. angeführten deutschen Sparte der ICC (International Chamber of Commerce). Gerade auch die Bezeichnung „German“ spricht gegen eine international ausgerichtete Institution.
Da die Parteien vielmehr nach ihrem übereinstimmenden Vortrag mit der Bezeichnung „German Chamber of Commerce“ keine Vorstellungen hinsichtlich einer konkreten Institution verbunden haben, sind als wesentliche Umstände die Verhandlungen, die zur endgültigen Fassung des Schiedsvertrages geführt haben, zu berücksichtigen.
Danach haben die Parteien zunächst – nach dem Vorschlag einer Gerichtsstandvereinbarung zu Gunsten der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Belgien – eine Schiedsvereinbarung nach den Schiedsregeln der finnischen Handelskammer und die Anwendung finnischen Rechts diskutiert. Nach dem Vorschlag einer Schiedsklausel und der Rechtswahl schwedischen Rechts einigten sich die Parteien schließlich auf die „deutsche Handelskammer“ und die Anwendung deutschen Rechts. Diese Entwicklung der Vertragsverhandlungen zeigt auf, dass die Parteien grundsätzlich die Tätigkeit einer zentralen nationalen Institution vereinbaren wollten, die im Interesse der Ausgewogenheit weder ihren Sitz in Belgien noch in Finnland haben sollte. Der Sitz dieser Institution in Deutschland war – ausweislich ihrer Vereinbarung – für beide Parteien akzeptabel. Da es in Deutschland eine Vielzahl von Handelskammern gibt, entspricht dem mutmaßlichen Willen nach einer gesamtdeutschen Institution nur der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) als Dachorganisation der 80 deutschen Industrie- und Handelskammern mit Sitz in Berlin, der allerdings selbst keine Schiedsgerichtsbarkeit anbietet. Dem gemeinsamen Willen der Parteien nach Durchführung eines Schiedsverfahrens durch den DIHK kann aber insofern Rechnung getragen werden, als diejenige Schiedsgerichtsinstitution bestimmt ist, die vom DIHK ausdrücklich und maßgeblich mitgetragen wird. Dies ist die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. mit ihrer Verfahrensordnung, deren Mitglied der DIHK ausweislich der Mitgliederliste auf der Internetseite des DIS ist (vgl auch KG aaO.).
11.2.2013