Recht und Steuern

A1 Nr. 137

A1 Nr.137
§§ 1029, 1031Abs. 5, 1032 ZPO - Formstrenge der Schiedsvereinbarung; Reichweite derSchiedsvereinbarung in einem von mehreren, eine wirtschaftliche Einheitbildenden Verträgen: Prozeßfinanzierungsvertrag und Darlehensvertrag
Wenn die Parteien einen Prozeßfinanzierungsvertrag und einenDarlehensvertrag abschließen und vereinbaren, daß das Darlehen vorrangig durchdie Erlöse aus den finanzierten Prozessen getilgt werden soll, so kann dieSchiedsabrede in dem Prozeßfinanzierungsvertrag auch für den Darlehensvertraggelten, selbst wenn in diesem eine ausdrücklichen Bezugnahme auf dieSchiedsabrede und in dieser eine ausdrückliche Bezugnahme auf denDarlehnsvertrag fehlt. Dies gilt insbesondere, wenn die Parteien die Verträge ausdrücklichals wirtschaftliche Einheit betrachten.
Dafür spricht auch eine interessengerechte Auslegung derParteivereinbarungen, wenn die Aufspaltung des Rechtsweges die Entscheidung desRechtsstreits verzögern würde. Diese Folge kann von verständigen Parteien, diemit dem Abschluß einer Schiedsabrede in der Regel eine beschleunigteEntscheidung erstreben, nicht gewollt sein.
OLG MünchenUrt.v. 13.10.2004 - 7 U 3722/04; NJW 2005, 832 = RKS A 1 Nr. 137
Aus denGründen:
Die Berufungist begründet. Das LG meint, daß die zu den Prozeßfinanzierungsvereinbarungengetroffenen Schiedsabreden das Darlehnsverhältnis nicht erfassen könnten, daweder im Darlehnsvertrag auf die Schiedsvereinbarung Bezug genommen werde nochdie Schiedsvereinbarung selbst Bezug auf den Darlehnsvertrag nehme. Diein § 1031 ZPO normierten strengen Anforderungen an die Form einerSchiedsvereinbarung seien für Streitigkeiten aus dem Darlehnsvertrag nichtgewahrt.
DieseBetrachtung differenziert nicht hinreichend zwischen der Frage derformwirksamen Begründung einer Schiedsabrede einerseits und der Frage derReichweite einer formwirksam getroffenen Schiedsgerichtsvereinbarungandererseits. Auch wird vom LG nicht näher beleuchtet, ob es Ergebnis einernach allen Seiten hin interessengerechten Auslegung der von den Parteiengetroffenen Vereinbarungen in ihrer Zusammenschau sein kann, wenn fürStreitigkeiten hinsichtlich der Prozeßfinanzierungsverträge das Schiedsgericht,für Rechtsstreitigkeiten aus dem Darlehnsverhältnis jedoch dieordentliche Gerichtsbarkeit zuständig sein soll.
DieSchiedsverträge zwischen der Kl. und der Bekl. in Bezug auf dieProzeßfinanzierungsverträge wurden - selbst mit Blick auf die Formvorschriftdes § 1031 Abs. 5 ZPO - rechtswirksam geschlossen.
Entgegen derAuffassung des LG erfassen diese Schiedsvereinbarungen auf Grund derwirtschaftlichen Einheit von Prozeßfinanzierung und Darlehnsgewährung auch denzwischen der Kl. und der Bekl. geschlossenen Darlehnsvertrag.
Ob der streitgegenständlicheDarlehensanspruch von der zwischen den Parteien getroffenen Schiedsabredeerfaßt wird, ist durch Auslegung zu klären. Dabei ist maßgeblich daraufabzustellen, welche Streitigkeiten die Parteien der Entscheidung desSchiedsgerichts unterwerfen wollten. Bei der Ermittlung dieses Parteiwillensist insbesondere die Interessenlage beider Seiten zu berücksichtigen. Diesführt dazu, daß eine Schiedsklausel im Allgemeinen weit auszulegen ist (BGH NJW2004, 2898, 2899 = RKS A 1 Nr. 131; BGHZ 53, 315, 322 = HSG A 1 Nr. 11; OLGMünchen NJW-RR 1991, 602, 603 = RKS A 1 Nr. 64; Zöller/Geimer 25. Aufl. § 1029Rd-Nr. 68). Bestehen mehrere selbständige Vertragsverhältnisse zwischen denParteien, ist freilich für jedes einzelne gesondert zu prüfen, ob die Schiedsvereinbarungauch insoweit bestehen soll. Dies gilt auch dann, wenn die Verträge rechtlichoder wirtschaftlich miteinander zusammenhängen (Zöller/Geimer § 1029 Rd-Nr.70).
Bei einerGesamtschau der zwischen den Parteien am 6.9.2000 geschlossenen Vereinbarungenergibt sich als Ergebnis der Auslegung, daß die zu denProzeßfinanzierungsverträgen geschlossenen Schiedsvereinbarungen auch für dasDarlehnsverhältnis gelten, obgleich es an einer ausdrücklichen Bezugnahmefehlt. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Prozeßfinanzierungund Darlehnsgewährung stehen hier in einem untrennbaren Zusammenhang, der nichtnur wirtschaftlicher, sondern auch rechtlicher Natur ist. Dies ergibt sichdeutlich aus dem als Anlage vorgelegten Vertragswerk, in dem es in der„Abtretungserklärung” wie folgt lautet:
„Auf Grund derAnsprüche des Anspruchsinhabers, sämtlich beruhend auf Maklerleistung, gewährtdie F-AG dem Anspruchsinhaber als Voraus auf die zu erwartenden Erlöse ausallen drei Ansprüchen ein Darlehn in Höhe von 250.000 DM, dessen Konditionen ineinem separaten Darlehnsvertrag geregelt werden. Dieser Darlehnsvertrag istdieser Urkunde als Vertragsbestandteil beigefügt.
Wegen desausdrücklichen Wunsches des Anspruchsinhabers, dieses Darlehn zu erhalten undmit einer Prozeßfinanzierung zu verbinden, vereinbaren die Parteien inAbänderung und Ergänzung des Prozeßfinanzierungsvertrages folgendes:
Die F-AGerhält von einem Erlös (nach Kostenabzug) unter 1 Mio DM 67 %, derAnspruchsinhaber 33%. Von einem Erlös, der 1 Mio DM übersteigt, erhalten F-AGund Anspruchsinhaber jeweils 50 %.”
Hierdurch istzum einen klargestellt, daß die Darlehnsvaluta von 250 000 DM lediglich alsVorabzahlung aus den Prozeßfinanzierungsverträgen verstanden werden kann, zumaldie Kl. nicht zur Vornahme von Bankgeschäften befugt ist. Gleichzeitig ergibtsich daraus, daß von der Kl. im Gefolge der Darlehnszusage eine gravierendeAbänderung der üblichen Erfolgsbeteiligung durchgesetzt wurde. Diese beträgtnämlich ausweislich des als Anlage vorgelegten „Angebots auf Abschluß einesVertrags über die Finanzierung von Kosten der Rechtsverfolgung gegenErfolgsbeteiligung” 30% aus Beträgen bis zu 1 Mio DM und 20% vom 1 Mio DMübersteigenden Betrag. In der „Abtretungserklärung” heißt es dazu wörtlich:
„Die F-AGbestätigt, daß sie eine Darlehnsgewährung nicht vorgenommen hätte, wenn nichtzugleich die obige Erhöhung ihrer Beteiligungsquote zur Absicherung desDarlehns und der mit diesen Ansprüchen verbundenen, erheblichen Prozeßrisikenerfolgt wäre. Die Parteien betrachten die Verträge insoweit als einewirtschaftliche Einheit.”
Dieser innereZusammenhang von Prozeßfinanzierung und Darlehnsgewährung zeigt sich auchdarin, daß die Darlehnstilgung vorrangig durch den Erlös aus den von der Kl.finanzierten Rechtsstreitigkeiten bewirkt werden sollte. Mithin hängt die Höhedes von der Bekl. zurückzuzahlenden Restdarlehns maßgeblich davon ab, inwelcher Höhe die Kl. Gutschriften aus erfolgreichen Rechtsstreitigkeiten aufdas Darlehn verrechnet. Bei Streitigkeiten über die Höhe der der Kl.zustehenden Erfolgsbeteiligung, die sich aus der teilweise zwei Drittelüberschreitenden Quote im Lichte des § 138 BGB ergeben könnten, hätte dieLösung des LG zur Folge, daß sich zum einen die Gerichtsbarkeit hinsichtlich Darlehensvertragund Prozeßfinanzierungsvertrag aufspaltet und zum anderen eine verzögerteEntscheidung dieser Streitigkeiten drohte: Das mit der Darlehensrückzahlungbefaßte ordentliche Gericht wäre zum Zwecke der Ermittlung des restlich nochzurückzuzahlenden Darlehnsbetrages verpflichtet, die nach denProzeßfinanzierungsverträgen von der Kl. gutzubringenden Beträge auch unter demGesichtspunkt zu prüfen, ob die der Kl. eingeräumte Erfolgsbeteiligung wirksamist. Diese Prüfung dürfte das ordentliche Gericht jedoch mit Rücksicht auf diezu den Prozeßfinanzierungsverträgen geschlossenen Schiedsvereinbarungen nichtvornehmen, sondern müßte vielmehr den Rechtsstreit bis zum Abschluß desschiedsgerichtlichen Verfahrens aussetzen. Ein solches Ergebnis kann von verständigenParteien, die mit dem Abschluß eines Schiedsvertrages in der Regel gerade einebeschleunigte Entscheidung erstreben, nicht erwünscht sein (BGHZ 53, 315, 323 =NJW 1970, 1046 = HSG A 1 Nr. 11).