Recht und Steuern

A1 Nr. 136

A1 Nr.136
§ 1032 ZPO, §1048 ZPO a.F., § 16 Abs. 3 GmbHG - Schiedsabrede in GmbH-Gesellschaftsvertrag.Bindung des Insolvenzverwalters. Ansprüche gegen Gesellschafter aufrückständige Einlage schiedsfähig
Eine Schiedsabrede ist wirksam in einen GmbH-Gesellschaftsvertrageinbezogen, wenn er ihre Kernbestimmung enthält und die weiteren wesentlichenBestandteile der Abrede in ihm in Bezug genommen sind.
Eine Schiedsabrede in dem Gesellschaftsvertrag einer GmbH „für alleStreitigkeiten, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben” - undinhaltsgleich in dem diese Satzungsbestimmung ausfüllenden Schiedsvertrag - erfaßt auch die Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter aufZahlung rückständiger Einlagen. Diese Ansprüche sind schiedsfähig. DieSchiedsabrede bindet auch den Insolvenzverwalter der Gesellschaft.
BGH Urteil vom19.7.2004 - II ZR 65/03; RKS A 1 Nr. 136

Aus dem Sachverhalt:
Die Parteienstreiten um die Wirksamkeit der Kapitalaufbringung unter dem Blickwinkel des verbotenenHin- und Herzahlens sowie über die Zulässigkeit der Anrufung der ordentlichenGerichte im Hinblick auf eine bei der Gründung der Schuldnerin in deren Satzungaufgenommene Schiedsgerichtsvereinbarung. § 20 des Gesellschaftsvertrageslautet:
„Für alleStreitigkeiten, die sich aus diesem Vertrag und bei der Auflösung derGesellschaft ergeben, wird der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen undfreundschaftliches Schiedsgericht vereinbart. Hierüber wird ein gesonderterSchiedsvertrag geschlossen.”
In demgleichzeitig mit der Satzung beurkundeten Schiedsvertrag heißt es u.a.:
§ 1. „Für alleStreitigkeiten, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag der Fa. ... ergeben, wirdder ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen und freundschaftliches Schiedsgerichtvereinbart.Das Schiedsgericht ist zuständig nicht nur für die Zeit desBestehens der Gesellschaft, sondern auch für Streitigkeiten gelegentlich derAuflösung der Gesellschaft, Ausscheiden von Gesellschaftern und darauffolgenden Auseinandersetzungen. ...”
§ 2. „JederGesellschafter kann während seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft oder nachseinem Ausscheiden oder nach Auflösung der Gesellschaft das Schiedsgerichtanrufen, solange ihm noch Ansprüche gegen die Gesellschaft oder derenRechtsnachfolger zustehen, die sich aus dem Gesellschaftsverhältnis ergeben.”
§ 3. „Diebeklagte Gesellschaft oder deren Rechtsnachfolger können innerhalb 10 Tagennach Eingang des Klageschreibens dem Kläger gegenüber mit Einschreibebrieferklären, daß sie bereit sind, dem Klagebegehren zu entsprechen, damit entfälltdas Schiedsgerichtsverfahren.”
Das LG hat dieKlage wegen der als wirksam angesehenen Schiedsvereinbarung als unzulässigabgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG die Bekl. antragsgemäßverurteilt

Aus den Gründen:
Die Revisionist begründet. Die Klage ist unzulässig. Die Frage, ob die Klage als unzulässigabzuweisen ist, weil sich die Beklagten auf die Schiedsvereinbarung berufen,richtet sich nach § 1032 Abs. 1 ZPO i.d.F. desSchiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes (SchiedsVfG v. 22.12.1997 BGBl. 1997 IS. 3224). Denn das vorliegende gerichtliche Verfahren ist im Jahre 2001, nachInkrafttreten dieses Gesetzes am 1.1.1998, anhängig geworden (vgl. Art. 4 § 1Abs. 3 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 SchiedsVfG). Die Wirksamkeit der imGesellschaftsvertrag der Schuldnerin niedergelegten Schiedsgerichtsvereinbarungi.V.m. dem in die Satzung einbezogenen gesonderten Schiedsvertrag vom 10.6.1997beurteilt sich aber noch nach altem Recht (Art. 4 § 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs.1 SchiedsVfG).
Gem. § 1032ZPO n.F. haben die Bekl. die Schiedsabrede rechtzeitig erhoben, da siesie nach den Feststellungen im LG-Urteil nicht nur in den vorbereitendenSchriftsätzen, sondern auch im Termin vor dem LG vor Beginn der mündlichen Verhandlungzur Hauptsache ausdrücklich vorgebracht haben (BGH 10.5.2001 III ZR 262/00 BGHZ147, 394, 396 = RKS A 1 Nr. 110).
Die Klage isti.S.d. § 1032 ZPO n.F. in einer Angelegenheit erhoben worden, die Gegenstandder Schiedsvereinbarung ist. Der Senat kann dies selbst feststellen, auchwenn das OLG - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - die Auslegung der(körperschaftlichen) Schiedsabrede offengelassen hat; nach dem Vortragder Parteien kommen keine über Wortlaut, Systematik und Interessenlagehinausgehenden tatrichterlichen Feststellungen in Betracht.
DieSchiedsgerichtsklausel im Gesellschaftsvertrag erfaßt insoweit inhaltsgleichmit dem diese Satzungsbestimmung ausfüllenden Schiedsvertrag ausdrücklich „alleStreitigkeiten, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ... ergeben”. Schonangesichts dieser eindeutigen Formulierung kann nicht angenommen werden, daßdie Schiedsklausel nur Ansprüche der Gesellschafter gegen die Gesellschaft,nicht aber wie hier -umgekehrt - Ansprüche der Gesellschaft gegen die einzelnenGesellschafter erfassen sollte. Die beispielhafte Aufzählung von Klagen gegendie Gesellschaft in §§ 2, 3 des Schiedsvertrages ändert nichts daran, daßStreitigkeiten aus dem Gesellschaftsvertrag auch solche sind, in denen dieGesellschaft Forderungen, die ihre Grundlage im Gesellschaftsvertrag haben,gegen einen Gesellschafter geltend macht. Daß etwa ein Ausschluß desSchiedsverfahrens für solche Ansprüche der Gesellschaft beabsichtigt gewesenwäre, erscheint angesichts der umfassenden Regelung in Satzung undSchiedsvertrag ausgeschlossen, weil in einem solchen Falle ein - von denSatzungsgebern - nicht beabsichtigter unauflösbarer Widerspruch bestünde. DerStreitgegenstand der vorliegenden Klage - Haftung der Erwerber eines Geschäftsanteilsan der Schuldnerin für rückständige Stammeinlageforderungen - fällt danachunter die von den Bekl. einredeweise erhobene Schiedsvereinbarung. Das giltauch insoweit, als hier nicht die Schuldnerin selbst, sondern derInsolvenzverwalter über deren Vermögen den offenen Einlageanspruch der Klägerverfolgt; dieser ist - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - aneine von der Insolvenzschuldnerin getroffene Schiedsabrede gebunden (st.Rspr.seit BGHZ 24, 15, 18 betr. Konkursverwalter; BGH Beschl. v. 20.11.2003 III ZB24/03 ZInsO 2004, 88 = RKS A 1 Nr. 132 m.N. z.Insolvenzverwalter).
Diegesellschaftsrechtliche statuarische Schiedsvereinbarung ist wirksam. Informeller Hinsicht genügt sie den nach § 1048 ZPO a.F. an sie zu stellendenAnforderungen. Dabei reicht es aus, daß die Kernbestimmung in § 20 Abs. 1 GVniedergelegt und die weiteren wesentlichen Bestandteile der Schiedsabrede indem gemäß § 20 Abs. 2 GV in Bezug genommenen gesonderten Schiedsvertraggeregelt sind; dieser Schiedsvertrag wurde gemeinsam mit der Satzung beurkundetund sollte offensichtlich als deren wesentlicher Bestandteil gelten.
Die -insoweit nach altem Recht zu beurteilende - statuarische Schiedsvereinbarungvom 10.6.1997 ist auch materiell-rechtlich wirksam, weil die Parteienberechtigt sind, über den Streitgegenstand der vorliegenden Klage einenVergleich zu schließen (§ 1025 Abs. 1 ZPO a.F.).
Danach ist dervom Insolvenzverwalter erhobene Anspruch auf Leistung von bislang nichtwirksam erbrachten Stammeinlagen gegen die Erwerber von Geschäftsanteilen (§§16 Abs. 3, 7 Abs. 2, 19 Abs. 1 GmbHG) objektiv vergleichsfähig.
Nach derneueren Rechtsprechung des Senats (BGHZ 132, 278 = RKS A 1 Nr. 84 - zurSchiedsfähigkeit der Anfechtungsklage gegen Gesellschafterbeschlüsse einerGmbH; vgl. auch schon III. Zivilsenat des BGH Urt.v.6.6.1991 III ZR 68/90 ZIP1991, 1231, 1232 = RKS A 1 Nr. 65) kann die Gültigkeit einer Schiedsklauselentgegen früher herrschender Auffassung (dazu insbes. die vom Berufungsgerichthervorgehobene Entscheidung OLG Hamm ZIP 1987, 780, 783 m.w.N.= RKS A 1 Nr. 55)auch nach dem hier anwendbaren alten Recht (§ 1025 Abs. 1 ZPO a.F.) nicht darangemessen werden, ob der Schiedsspruch oder ein im schiedsgerichtlichenVerfahren geschlossener Vergleich möglicherweise gegen zwingendeRechtsvorschriften verstoßen könnte. Für den Schutz zwingenden Rechts warenvielmehr allein die in § 1041 Abs. 1 Nr. 2, § 1044 Abs. 2 Nr. 2 und § 1044aAbs. 2 ZPO getroffenen Regelungen zuständig; sähe man dies anders, so wäreinsbesondere § 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO a.F. überflüssig gewesen, da beiBetroffenheit zwingenden Rechts bereits die objektive Schiedsfähigkeit unddamit ein wirksamer Schiedsvertrag fehlen würde. Die objektive Schiedsfähigkeiti.S.d. § 1025 Abs. 1 ZPO a.F. fehlt demnach im wesentlichen nur dann, wenn sichder Staat im Interesse besonders schutzwürdiger, der Verfügungsmacht derParteien entzogener Rechtsgüter ein Rechtsprechungsmonopol in dem Sinnvorbehalten hat, daß allein der staatliche Richter in der Lage sein soll, durchseine Entscheidung den angestrebten Rechtszustand herbeizuführen (BGH 29.3.1996II ZR 124/95 BGHZ 132, 278, 283 = RKS A 1 Nr 84 m.w.N.). Das ist im Hinblickauf die Einforderung von Stammeinlagen trotz der gläubigerschützenden Funktionder Kapitalaufbringungsvorschriften nicht der Fall. Zwar können nach § 19 Abs.2 GmbHG die Gesellschafter von der Verpflichtung zur Leistung derEinlagen nicht befreit werden. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes ist derGesellschaft ein Verzicht auf die Stammeinlageforderung versagt, um denGläubigern wegen der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen (§ 13Abs. 2 GmbHG) zumindest das satzungsmäßige Stammkapital als Haftungsmasse zugewährleisten. Das rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, der Gesetzgeber habe durch§ 19 Abs. 2 GmbHG ein Interesse des Staates an einem Entscheidungsmonopol seiner Gerichte im Rechtsstreit über die Aufbringung von Stammeinlagen im Sinnefehlender Schiedsfähigkeit zum Ausdruck bringen wollen. Damit steht imEinklang, daß die herrschende Meinung - wenn auch mit unterschiedlicherAkzentuierung - einen „echten” Vergleich i.S.v. § 779 BGB über eine umstritteneEinlageforderung grundsätzlich als zulässig erachtet (vgl. Fastrich inBaumbach/Hueck GmbHG 17. Aufl. § 19 Rd-Nr. 15 m.umfangr.Nachw.z.Meinungsstand).
Dementsprechendhat auch der Reformgesetzgeber des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes dieSchiedsgerichtsbarkeit als eine der staatlichen Gerichtsbarkeit im Prinzipgleichwertige Rechtsschutzmöglichkeit angesehen und es als naheliegendbetrachtet, sie nur insoweit auszuschließen, als der Staat sich im Interessebesonders schutzwürdiger Rechtsgüter ein Entscheidungsmonopol vorbehalten hat(BT-Drucks. 13/5274 S. 34); deshalb hat er die frühere Streitfrage zurTragweite des § 1025 ZPO a.F. (klarstellend) dahin entschieden, daß nach § 1030ZPO n.F. nunmehr jeder vermögensrechtliche Anspruch - dazu zähltersichtlich auch der Kapitalaufbringungsanspruch des GmbH-Rechts - Gegenstandeiner Schedsvereinbarung sein kann. Die nach § 1025 Abs. 1 ZPO a.F. zusätzlicherforderliche sog. subjektive Vergleichsbefugnis der Parteien im Sinneder Berechtigung, über den Gegenstand des Streites einen Vergleich zuschließen, ist hier nicht zweifelhaft. Zwar ist der Insolvenzverwalter nichtselbst Partei der Schiedsvereinbarung; gleichwohl ist er in seiner Funktion beider Geltendmachung von Einlagenansprüchen der Schuldnerin - wie bereits obendargelegt - an die korporationsrechtliche Schiedsvereinbarung derGemeinschuldnerin gebunden, so daß die erforderliche Identität der Parteien desSchiedsverfahrens mit denjenigen der Schiedsvereinbarung als gegeben anzusehenist (vgl. zu diesem Merkmal: BGHZ 132, 278, 284 f. = RKS A 1 Nr. 84).