Recht und Steuern

A1 Nr. 122

A1 Nr.122
Art. II - IV UNÜ1958, §§ 1031, 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO - Vollstreckung ausländischenSchiedsspruchs, „unterzeichnete” Schiedsabrede, „gewechselte” Briefe undFax-Schreiben, Beweislast. Form-Erleichterung gem. Art. I Abs. 2 a EuÜ 1961i.V.m. Meistbegünstigungsklausel. Formmangel-Heilung durch rügelose Einlassung
Die Vollstreckbarerklärung einesausländischen Schiedsspruchs setzt den Nachweis einer nach Art. II Abs. 1 + 2UNÜ wirksamen Schiedsvereinbarung voraus. Dieser Nachweis obliegt demAntragsteller.
Eine durch Kopieren früherer Unterschriftenhergestellte Textmontage ist keine „vonden Parteien unterzeichnete” Abrede i.S.v. Art. II Abs. 2 Variante 1 UNÜ.
Die Übersendung der kopiertechnischhergestellten Textmontagen an den Antragsgegner per Fax ist auch keinNachrichtenwechsel i.S.v. Art. II Abs. 2 Variante 2 UNÜ. Diese Bestimmungverlangt einen gegenseitigen Schriftwechsel. Die einseitige Übersendung einesVertragstextes reicht nicht aus, ebensowenig eine einseitige schriftlicheBestätigung einer mündlichen Abrede, eine mündliche oder eine stillschweigendeAnnahme eines Vertragsangebots.
Dies gilt selbst dann, wenn zwischen denParteien laufende Geschäftsverbindungen bestehen.
Telex- und Fax-Schreiben sind Briefen undTelegrammen i.S.v. Art. II Abs. 2
2. Variante UNÜ gleichzustellen.Erforderlich ist in jedem Fall ein Austausch schriftlicher Mitteilungen.
Art. I Abs. 2 a des im Verhältnis zuJugoslawien weiterhin geltenden EuÜ 1961 i.V.m. der Meistbegünstigungsklausel(Art. VII Abs. 1 UNÜ, § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO) läßt mündliche Schiedsabreden nurgenügen, wenn beide beteiligten Rechtsordnungen diese zulassen. Das deutscheRecht läßt mündliche Schiedsabreden nicht zu; die Anforderungen des § 1031 Abs.1 ZPO entsprechen denen des Art. II Abs. 2 UNÜ.
Eine rügelose Einlassung zur Sache vor demSchiedsgericht kann einen Formmangel heilen. Eine Einlassung fehlt aber, wennsich der Antragsgegner gegenüber dem Schiedsgericht überhaupt nicht geäußerthat. In diesem Falle kann er den Einwand der Unzuständigkeit desSchiedsgerichts oder des Fehlens einer wirksamen Schiedsvereinbarung auch nichtverwirken.
BayObLGBeschl. v. 12.12.2002 - 4 Z Sch 16/02; Internationales Handelsrecht (IHR) 2003,143 = NJW-RR 2003, 719 = RKS A 1 Nr.122
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerinmeint, das Schiedsgericht sei zu Recht von einer wirksamen Schiedsvereinbarungausgegangen. Ihr Geschäftsführer habe dem Verhandlungsführer derAntragsgegnerin im September 1999 mitgeteilt, daß die Vereinbarung einesSchiedsgerichts der Außenhandelskammer Belgrad zu ihren Exportkonditionengehöre, und ihn gebeten, einen Kopfbogen der Ag. mit Stempel undBlanko-Unterschrift (ohne Text zwischen Kopf und Unterschrift) per Fax zuübermitteln, um im Einzelfall für ein telephonisch abgesprochenesExportgeschäft die jeweiligen Bedingungen in den leeren Raum zwischen Kopf undUnterschrift einsetzen zu können. Der Kopfbogen mit Blanko-Unterschrift undFirmenstempel sei wunschgemäß als Fernkopie bei ihr eingegangen. IhrGeschäftsführer habe diese mit seiner Unterschrift und eigenem Firmenstempelergänzt. Diese Blanko-Vorlage konnte bei Bedarf durch Kopieren vervielfältigtwerden, um in Einzelfall einen Vertragstext zu Papier zu bringen, der - inKopie - die Unterschrift beider Parteien trägt. Unter Verwendung dieserVorlage seien im September 1999 ein Textund im Sommer 2000 zwei Texte hergestellt und der Ag. jeweils zeitnah per Faxmitgeteilt worden. Die Ag. habe diesen Mitteilungen nicht widersprochen, sieallerdings auch nicht bestätigt. - Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung desSchiedsspruchs blieb erfolglos.
Aus den Gründen:
Die Anerkennung einesausländischen Schiedsspruchs setzt den Nachweis einer nach Art. II Abs. 1, 2UNÜ wirksamen Schiedsvereinbarung voraus. Den Nachweis hat die dieVollstreckbararklärung beantragende Partei zu erbringen (Musielak/Voit ZPO 3.Aufl., § 1061 Rd-Nr. 14; OLG Rostock IPRax 2002, 401 [403]= RKS A 4 b Nr. 25m.w.N). Die zwei dem Schiedsrichter in Belgrad vorgelegten Vertragstexte mitder Zeile „Schiedsgericht :...” sind nicht durch beiderseitige Unterzeichnungder zwischen Briefkopf und Unterschriftenzeile geschriebenen Textzeilen,sondern durch fototechnische Montage entstanden. Den Vertragstext, aus dem dieAst. vor dem Schiedsgericht sowohl dessen Zuständigkeit als auch materielleAnsprüche geltend gemacht hat, haben die Parteien in Wirklichkeit nicht unterzeichnet.Eine durch Kopieren früher geleisteter Unterschriften hergestellte Textmontagegenügt nicht den Anforderungen des Art. II Abs. 2 Variante 1 UNÜ.
Auch die Prüfung, obin Briefen oder Telegrammen, die die Parteien gewechselt haben, eine Schiedsabredeenthalten ist (Art. II Abs. 2 Variante 2 UNÜ), führt nicht zur Bejahung einernach Art. II, V UNÜ wirksamen Schiedsvereinbarung. Für die Entscheidung dieserFrage kommt es nicht darauf an, ob die drei durch kopiertechnische Übertragungder Unterschriften hergestellten Textmontagen im Sept. 1999, Mai und Juli 2000jeweils per Fax an die Ag. gesendet wurden.. Auch dieser Vorgang erfüllt nichtdie Anforderungen eines Nachrichtenwechsels i.S.v. Art. II Abs. 2 Variante 2 UNÜ: Die Bestimmung verlangt einen gegenseitigenSchriftwechsel; entscheidendes Kriterium ist die Wechselseitigkeit. Eineeinseitige Zusendung eines Vertragstextes reicht nicht aus (Gottwald inMünchKomm ZPO 2. Aufl. Bd. 3 Art. II UNÜ Rd-Nr. 11); ebenso wenig eineeinseitige schriftliche Bestätigung einer mündlichen Abrede (Baumbach/Lauterbach/AlbersZPO 60. Aufl. Art. II UNÜ Rd-Nr. 2). Weder eine mündliche noch einestillschweigende Annahme eines Vertragsangebots genügen zur Begründung einernach Art. II Abs. 2 Variante 2 UNÜ wirksamen Schiedsvereinbarung. Dies giltselbst dann, wenn zwischen den Parteien laufende Geschäftsbeziehungen bestehen(Gottwald aaO.). Telex- und Fax-Schreiben sind Telegrammen gleichzustellen.Erforderlich ist in jedem Fall ein Austausch schriftlicher Erklärungen (Musielak/Voit§ 1031 Rd-Nr. 18 m.w.N.). Die Ast. behauptet selbst nicht, daß die Ag. auf die(bestrittenen) Faxsendungen mittels Brief, Telegramm oder Fax bestätigendgeantwortet habe.
Auf das Erforderniseiner beiderseits unterzeichneten Schiedsabrede oder eines gegenseitigenSchriftwechsels kann auch nicht in Anwendung der Meistbegünstigungsklausel(Art. VII Abs. 1 UNÜ; § 1061 Abs. 1 S. 2 ZPO) und des im Verhältnis zuJugoslawien weiterhin geltenden (siehe Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 1061 Rd-Nr.10) Europäischen Übereinkommens von 1961 (BGBl. 1064 II 425 = HSG Textteil II 4) verzichtet werden. Art. IAbs. 2 a dieses Übereinkommens läßt mündlich geschlossene Schiedsabreden nurzu, wenn beide beteiligten Rechtsordnungen diese Möglichkeit vorsehen; eineFormerleichterung nur nach dem Recht einer Partei oder nach demSchiedsvertragsstatut genügt nicht (Gottwald aaO. Art. I UNÜ Rd-Nr. 13 a.E.).Die Anforderungen des § 1031 Abs. 1 ZPO entsprechen denen des Art. II Abs. 2 UNÜ und sind, wie ausgeführt, nichterfüllt. Die Voraussetzungen für eine Formerleichterung nach § 1031 Abs. 2 ZPO(Verkehrssitte) sind weder behauptet noch ersichtlich.
Eine Heilung desFormmangels hat auch nicht im Rahmen des Schiedsverfahrens stattgefunden. AlsMöglichkeit der Heilung sehen Literatur und Rechtsprechung eine ausdrücklicheUnterwerfungserklärung zu Protokoll des Schiedsgerichts (Gottwald aaO. Art. IUNÜ Rd-Nr. 16) vor oder den in einem Schriftwechsel bei Bestellung desSchiedsgerichts beiderseits erklärtenWillen, das Schiedsgericht möge über die aufgetretene Streitfrage entscheiden (BaumbachaaO. Art. II UNÜ Rd-Nr. 2; OLG Hamburg NJW- RR 1999, 1738 = RKS A 1 Nr. 100)oder zumindest eine rügelose Einlassung zur Sache vor dem Schiedsgericht (Musielak/Voit,aaO., Gottwald aaO. Art. II UNÜ Rd-Nr. 16). Keine dieserVoraussetzungen liegt nach dem festgestellten Sachverhalt vor; insbesonderekann die Tatsache, daß die Ag. dem Schiedsgericht in Belgrad gegenüber jedeStellungnahme unterlassen hat, nicht einer rügelosen Einlassung zur Sachegleichgesetzt werden. Eine Verwirkung der Einrede der Unzuständigkeit desSchiedsgerichts oder gegen den Bestand der Schiedsvereinbarung kann nichteintreten, wenn sich die Partei vor dem Schiedsgericht überhaupt nicht zurSache äußert (Gottwald aaO. Art. V UNÜ Rd-Nr. 3 m.Nachw.).