Recht und Steuern

A1 Nr. 115

A1 Nr.115
Gesellschaftsvertrag, Geltung der Schiedsabrede für Anspruch der Gesellschaft auf Rückzahlung eines privaten Darlehens, Einwendungen und Gegenansprüche aus dem Gesellschaftsvertrag
Eine Schiedsabrede „für alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsvertrag, sei es der Gesellschaft mit Gesellschaftern, sei es von Gesellschaftern untereinander in Angelegenheiten der Gesellschaft, auch über Fragen der Rechtswirksamkeit des Gesellschaftsvertrages” gilt nicht ohne weiteres für den Anspruch auf Rück­zahlung eines Darlehens, das die Gesellschaft einem Gesellschafter gewährt hatte. Sie gilt nicht, wenn das Darlehen keinem geschäftlichen Zweck der Gesell­schaft, sondern zur Ablösung eines privaten Kredits des beklagten Gesell­schafters diente und wenn dieser gegenüber dem Rückzahlungsanspruch keine Einwendungen oder Ansprüche aus dem Gesellschaftsvertrag erhebt.Dass das Darlehen als Gesellschafterdarlehen bezeichnet und der zurückzuzahlende Betrag einem Gesellschafterkonto des Beklagten belastet wurde, ändert nichts.
BGH Urteil vom 4.10.2001 - III ZR 281/00; Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 2002, 83 = RKS A 1 Nr. 115
Aus den Gründen:
Es kann dahinstehen, ob die Schiedseinrede schon daran scheitert, dass der Bekl. sie nicht im Urkundenprozess, sondern erst im Nachverfahren erhoben hat. Sie greift jedenfalls nicht durch, weil die Klage nicht in einer Angelegenheit erhoben wurde, die Gegenstand der Schiedsvereinbarung ist (§ 1032 Abs. 1 ZPO). Das BerG hat diese Frage offengelassen. Der Senat kann die Schiedsvereinbarung aber selbst auslegen. Die dazu erforderlichen tatsächlichen Grundlagen sind in dem Berufungsurteil und im unstreitigen Sachverhalt gegeben; dass die Parteien durch ergänzendes Vorbringen noch erhebliches Material für die Auslegung der Schiedsklausel beibringen können, ist nach Lage der Sache nicht zu erwarten. Die Auslegung ergibt, dass der eingeklagte Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens nicht in die Zuständigkeit des Schiedsgerichts fällt.
Die Reichweite eines Schiedsvertrages richtet sich nach dem Willen der Parteien, die darüber zu bestimmen haben, welche Streitigkeit sie der Entscheidung des Schieds­gerichts unterwerfen wollen. Es ist also zu prüfen, was zunächst der Schieds­vertrag darüber besagt; zu beachten sind ferner spätere Vereinbarungen, die unter Umständen die Schiedsklausel über ihren ursprünglichen Rahmen erweitern, sie andererseits aber auch einschränken können (BHGZ 40, 320 [325] = NJW 1964, 591 = LM § 1025 ZPO Nr. 21). Eine Abrede, die Meinungsverschiedenheiten zuweist, ist grund­sätzlich weit auszulegen (BGHZ 53, 315 [319] = NJW 1970, 1046 = LM § 1025 ZPO Nr. 29 = HSG A 1 Nr. 11; vgl. auch BGH BB 1971, 369 [370] = HSG A 1 Nr. 13).
Eine Schiedsklausel, die alle im Zusammenhang mit dem Hauptvertrag entstehenden Streitfragen zur Entscheidung des Schiedsgerichts stellt (vgl. BGH BB 1971, 369 [370] = HSG A 1 Nr. 13), liegt hier nicht vor. Das Schiedsgericht ist nur „für alle Streitigkeiten aus diesen Gesellschaftsverträgen, sei es der Gesellschaft mit Gesellschaftern, sei es von Gesellschaftern untereinander in Angelegenheiten der Gesellschaft auch über Fragen der Rechtswirksamkeit des Gesellschaftsvertrages und dieses Schiedsvertrages” zuständig. Ähnlich heißt es in § 17 des Gesellschaftsvertrages vom 26.9.1995, dass ein Schiedsgericht über „Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis auch über die Rechtswirksamkeit des Gesellschaftsvertrages oder einzelner seiner Bestimmungen” entscheiden soll. Für die Zuständigkeit des Schiedsgerichts kommt es mithin darauf an, ob die Klage - nach dem behaupteten Sachverhalt, nicht nach der zivilrechtlichen Grundlage des daraus hergeleiteten Anspruchs (BGHZ 102, 199 [200] = NJW 1988, 1215 = LM § 1027a ZPO Nr. 6 = RKS A 1 Nr. 57) - eine Streitigkeit „aus dem Gesell­schafts­vertrag” (oder „aus dem Gesellschaftsverhältnis”) zum Gegenstand hat. Diese Frage ist zu verneinen; es geht im Streitfall um die Rückzahlung eines Darlehens.
Das Darlehen ist zwar im schriftlichen Vertrag vom 3.1.1996 als „Gesellschafterdarlehen” bezeichnet worden. Auf „gesellschaftsrechtlicher Grundlage” ist es jedoch nicht ausgereicht worden. Das Darlehen diente nach der unangefochtenen Feststellung des BerG nicht einem geschäftlichen Zweck der klagenden Gesellschaft, sondern dazu, einen privaten Kredit des Bekl. abzulösen. Dementsprechend hat sich der Bekl. verpflichtet, „die Zinsen, Tilgung und andere(n) Kosten” eines Darlehens zu tragen, das die Kl. ihrerseits zur Refinanzierung des ihm gewährten Darlehens aufgenommen hat (Darlehensvertrag vom 3.1.1996). Wohl sind das Darlehen und die - den Refinan­zierungs­kredit der Kl. betreffenden - Zahlungsverpflichtungen des Bekl. einem Gesell­schafter­konto des Bekl. belastet worden. Diese buchhalterischen Maßnahmen änderten indes nichts daran, dass es sich bei dem Darlehen um einen von dem Gesell­schafts­vertrag zu trennenden Sachverhalt handelte.
Es kann auch nicht die Rede davon sein, dass vorwiegend Einwendungen des Bekl. „aus dem Gesellschaftsvertrag” den eigentlichen Gegenstand der „Streitigkeit” bilden, so dass der ganze Rechtsstreit als „Streitigkeit... aus diesen Gesellschaftsverträgen” i.S.d. Vor­bemer­kungen zum Schiedsvertrag angesehen werden müsste (vgl. BGH 5.12.1963 KZR 9/62 LM § 1025 ZPO Nr. 20 unter II 3 b cc a.E.). Der Bekl. hat sich hauptsächlich damit verteidigt, das Darlehen sei nach seinem Sinn und Zweck unkündbar gewesen; es sei langfristig gewährt worden. Konkrete, auf dem Gesell­schafts­vertrag beruhende Rechte oder Pflichten, die dem Darlehensrückzahlungsanspruch der Kl. entgegenstehen könnten, hat er nicht benannt. Im Gegenteil hat er selbst - im Zusammenhang mit der Frage nach der Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen gem. § 95 Abs. 1 Nr. 4 a GVG - ursprünglich auf dem Standpunkt gestanden, es handele sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit nicht um einen Gesellschaftsprozess.
Die - mithin einer Schiedsklausel nicht unterworfene - Klage ist begründet. Dem geltend gemachten Darlehensanspruch (§ 607 Abs. 1 BGB) setzt die Revision entgegen, das Darlehen sei nicht wirksam gekündigt worden; die Kündigung sei vertraglich aus­ge­schlossen gewesen. Auf diesen Einwand kann sich das Nachverfahren nicht mehr erstrecken. Das LG hat ihn im Vorbehalts­urteil mangels hinreichender Substantiierung, also nicht auf Grund der im Urkundenprozess geltenden Beweis­mittel­beschränkung, als unbegründet zurückgewiesen. Damit steht die Bindungswirkung des § 318 ZPO der Berück­sichtigung des Einwandes entgegen, und zwar ungeachtet dessen, dass er im Nachverfahren vertieft begründet worden ist.