Recht und Steuern

A 1 Nr. 237

A 1 N. 237 - § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO - Schiedsfähigkeit einer Beschlussmängelstreitigkeit bei einer Personengesellschaft
 Die Mindestanforderungen an die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen, die auch Beschlussmängelstreitigkeiten erfassen sollen, gelten jedenfalls im Grundsatz auch für Personengesellschaften wie Kommanditgesellschaften (Fortführung von BGH, Urteil vom 6. April 2009 - II ZR 255/08 , BGHZ 180, 221 - Schiedsfähigkeit II).
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 06.04.2017 – I ZB 23/16
(1) Die Antragsgegnerinnen waren Kommanditistinnen der Reederei Ba. L. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Gesellschaft). Sie sind durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 15. Juli 2015 mit den Stimmen der Antragstellerinnen durch Einziehung der Geschäftsanteile aus der Gesellschaft ausgeschlossen worden. Gegen diesen Beschluss haben die Antragsgegnerinnen unter Berufung auf die in § 30 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags vom 30. Dezember 1968 enthaltene Schiedsvereinbarung und den Schiedsgerichtsvertrag gleichen Datums ein Schiedsverfahren eingeleitet. Nach Bildung des Schiedsgerichts haben die Antrag-stellerinnen dessen Zuständigkeit gerügt. Mit Zwischenentscheid vom 23. Dezember 2015 hat sich das Schiedsgericht für zuständig erklärt. Die Antragstellerinnen haben beantragt, das Schiedsgericht für unzuständig zu erklären, hilfsweise, die Unwirksamkeit des Zwischenentscheids festzustellen. Das OLG Oldenburg hatte den Antrag zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin war erfolgreich.
Aus den Gründen:
1.(…)
2. Mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde aber gegen die Auffassung des Oberlandesgerichts, unabhängig davon, ob die Schiedsklausel bei der Neufassung des Gesellschaftsvertrags vom 18. November 2013 wirksam gestrichen werden konnte, sei der gesonderte Schiedsgerichtsvertrag der Gesellschafter jedenfalls nicht aufgehoben worden.
a) Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Schiedsvereinbarung sei durch die Neufassung des Gesellschaftsvertrags schon deshalb nicht entfallen, weil die Gesellschafter den gesonderten Schiedsgerichtsvertrag nicht aufgehoben hätten; dem Protokoll der Gesell-schafterversammlung vom 18. November 2013 sei ein entsprechender Wille der Gesellschafter nicht zu entnehmen.
b) Bei dieser Beurteilung hat das Oberlandesgericht die gebotene Auslegung des Schiedsvertrags im Zusammenhang mit der Schiedsklausel des Gesellschaftsvertrags 1968 unterlassen. Das Rechtsbeschwerdegericht kann diese Auslegung selbst vornehmen, da weitere für die Auslegung maßgebliche tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13 , BGHZ 203, 77 Rn. 23 mwN).
§ 30 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags 1968 lautet:
Über Streitigkeiten aus diesem Vertrag zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern oder zwischen Gesellschaftern untereinander oder zum Vollzug von Beschlüssen der Organe der Gesellschaft entscheidet unter Ausschluß des ordentlichen Rechtswegs ein Schieds-gericht. Eine entsprechende Abrede wird unter den Gesellschaftern zusätzlich durch besonderen Schiedsgerichtsvertrag vereinbart.
Im Schiedsgerichtsvertrag heißt es in § 1:
Die Parteien unterwerfen sich wegen aller aus dem Gesellschaftsvertrag vom 30. Dezember 1968 entstehenden Streitigkeiten unter Ausschluss des Rechtsweges einem Schiedsgericht.
Dadurch sind der Schiedsgerichtsvertrag und die Schiedsklausel in § 30 Abs. 2 des Gesell-schaftsvertrags von 1968 unmittelbar aufeinander bezogen und miteinander verknüpft. Schon nach seinem Wortlaut ist der Schiedsgerichtsvertrag auf eine spätere Neufassung des Gesellschaftsvertrags und daraus resultierende Streitigkeiten nicht mehr anwendbar. Hätten die Gesellschafter 1968 keine Koppelung des Schiedsgerichtsvertrags an den damaligen Gesellschaftsvertrag gewollt, hätten sie davon absehen müssen, ihn konkret auf den Gesell-schaftsvertrag von 1968 zu beziehen. Wäre die Schiedsklausel in einer Neufassung des Gesellschaftsvertrags ohne Anpassung des Schiedsgerichtsvertrags erhalten geblieben, so mag zwar nahe liegen, den Schiedsgerichtsvertrag auch unter Geltung des neu gefassten Gesellschaftsvertrags weiterhin anzuwenden. Dies ist jedoch nicht geschehen. Der neugefasste Gesellschaftsvertrag vom 18. November 2013 enthält keine Schiedsklausel.
3. Der Beschluss des Oberlandesgerichts stellt sich nicht deshalb als im Ergebnis richtig dar, weil es an einem wirksamen Beschluss über die Neufassung des Gesellschaftsvertrags ohne Schiedsklausel fehlt ( § 577 Abs. 3 ZPO ).
a) Dabei kann dahinstehen, ob die Stimmenthaltung der Gesellschafterin A. der Wirksamkeit der Neufassung des Gesellschaftsvertrags im Jahr 2013 entgegensteht, weil diese gemäß § 16 Abs. 3 Gesellschaftsvertrag 1968 nur mit Zustimmung aller anwesenden oder vertretenen Gesellschafter möglich war.
b) Die Ansicht des Oberlandesgerichts, die hier in Rede stehende Beschlussmängelstreitigkeit sei bei einer Personengesellschaft ohne weiteres schiedsfähig, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
aa) Nach der zu einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestehen für die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen in Gesell-schaftsverträgen gewisse inhaltliche Mindestanforderungen, wenn sie auch Beschlussmängelstreitigkeiten erfassen sollen ( BGH, Urteil vom 6. April 2009 - II ZR 255/08 , BGHZ 180, 221 - Schiedsfähigkeit II).
Zu diesen Mindestanforderungen gehört insbesondere, dass neben den Gesellschaftsorganen jeder Gesellschafter über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens informiert und dadurch in die Lage versetzt werden muss, dem Verfahren zumindest als Nebenintervenient beizutreten. Sämtliche Gesellschafter müssen an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, sofern nicht die Auswahl durch eine neutrale Stelle erfolgt; dabei kann bei Beteiligung mehrerer Gesellschafter auf einer Seite des Streitverhältnisses das Mehrheitsprinzip Anwendung finden. Weiter muss gewährleistet sein, dass alle denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelstreitigkeiten bei einem Schiedsgericht konzentriert werden ( BGHZ 180, 221 Rn. 20 - Schiedsfähigkeit II).
bb) Der Bundesgerichtshof hat diese Anforderungen zwar im Zusammenhang mit der Sat-zung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung formuliert. Sie wurden jedoch aus den grundlegenden Maßstäben des § 138 BGB und des Rechtsstaatsprinzips entwickelt ( BGHZ 180, 221 Rn. 17 - Schiedsfähigkeit II). Sie gelten deshalb jedenfalls im Grundsatz auch für Personengesellschaften wie Kommanditgesellschaften, sofern bei diesen gegenüber Kapitalgesellschaften keine Abweichungen geboten sind. In jedem Fall müssen die Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft ebenso wie die Gesellschafter einer Gesellschaft mit be-schränkter Haftung vor Benachteiligung und Entziehung des notwendigen Rechtsschutzes bewahrt werden (vgl. BGHZ 180, 221 Rn. 18 - Schiedsfähigkeit II), so dass auf entsprechende Regelungen in Schiedsabreden für eine Kommanditgesellschaft grundsätzlich nicht verzichtet werden kann.
cc) Da der Schiedsgerichtsvertrag von 1968 keine Regelungen zum Schutz der Kommanditisten bei Beschlussmängelstreitigkeiten enthält, wird der Streitfall von der Schiedsklausel nicht erfasst. Das Schiedsgericht ist unzuständig.
4. Weitere Feststellungen sind nicht mehr erforderlich, so dass der Senat in der Sache selbst entscheiden kann ( § 577 Abs. 5 ZPO ). Der Rechtsbeschwerde ist stattzugeben.