Recht und Steuern

A 1 Nr. 234

A 1 Nr. 234 - § 1040 ZPO Befugnis des Schiedsgerichts zur Entscheidung über die eigene Zuständigkeit. Schiedsgutachter im weiteren und im engeren Sinne. pactum de non petendo.
Eine Vereinbarung , mit der die Parteien eines Schiedsverfahrens die Klagbarkeit von Ansprüchen im Schiedsverfahren ausgeschlossen haben, berührt nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts zur Entscheidung über die Schiedsklage.
BGH, Beschl. v. 14.1.2016 - I ZB 50/15 = RKS A 1 Nr. 234
Aus dem Sachverhalt
Die Parteien schlossen am 4.12.2006 einen Vertrag über den Bau einer Segelyacht. Darin heißt es:
Art. 16 Law and Arbitration
Art. 16.1 Law of the Contract. This Contract shall be subject to German Law. Any disputes arising from this Contract, which cannot be solved between the parties, shall be settled by arbitration in Hamburg according to the Rules of the G.M.A.A. (German Maritime Arbitration Association, latest edition). The language of the arbitration shall be in English.
Art. 16.2 Reference to expert or arbitration. If any dispute or difference may arise or claim be made by any of or between the Parties hereto out of or in relation to or in connection with this Contract both Parties are to discuss the the problems so arisen in a fair and reasonable manner or the purpose of obtaining an amicable settlement. In case no amicable settlement will be arrived at disputes shall be settled as follows:
Art. 16.2.1 Technical disputes (being disputes, differences or claims regarding any technical matter arising out of or relating to or in connection with the construction of the Vessel) shall at the written request of either Party be referred to a mutually accaptable technical expert who shall act as such (and not as an arbitrator) and whose opinion on the matter shall be final and binding upon the Parties. ...
Art. 16.2.2 All other disputes arising out or in connection with this Contract shall be submitted to and settled by arbitration in Hamburg in accordance with the G.M.A.A.-Rules (latest edition). Any arbitration to be conducted in English language.
Die Antragsgegnerin hat Schiedsklage erhoben, mit der sie Zahlungsansprüche wegen von ihr behaupteter Mängel der von der Antragsgegnerin gebauten und gelieferten Segelyacht verfolgt. Die Antragstellerin hat die Zuständigkeit des Schiedsgerichts gerügt.
Das Schiedsgericht hat sich durch Zwischenentscheid für zuständig erklärt. Die Antragstellerin hat Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das OLG hat diesen Antrag zurückgewisen und die Zuständigkeit des Schiedsgerichts festgestellt. Dagegen hat die Antragstellerin Rechtsbeschwerde eingelegt. Sie hat die Aufhebung des Zwischenentscheids und die Feststellung erstrebt, dass das Schiedsgericht zur Entscheidung über die mit der Schiedsklage geltend gemachten Anträge zur Zeit unzuständig ist, mindestens aber diese Anträge als zur Zeit unbegründet abzuweisen sind. Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, die Auffassung des OLG, der Schiedsgutachter habe lediglich Tatsachen festzustellen und Tatfragen zu entscheiden, nicht aber darüber zu befinden, welche Verpflichtungen sich daraus für die Parteien ergeben, beruhe auf einem der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprechenden Obersatz. Die Rechtsbeschwerde sei daher zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts erfordere. Gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muss die Begründung der Rechtsbeschwerde im Falle einer nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO  kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde eine Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO enthalten. Die Rechtsbeschwerde hat lediglich behauptet, aber nicht dargelegt, dass die Auffassung des OLG der Rechtsprechung des BGH wiederspricht.
Auch soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, das OLG habe im Rahmen seiner Auslegung nicht geprüft, ob es sich bei Art. 16 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages um eine Schiedsgutachtenvereinbarung im engeren oder im weiteren Sinne handele, hat sie damit weder eine Divergenz der Entscheidung des OLG zur Rechtsprechung des BGH noch einen anderen Grund für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde aufgezeigt. Ein Rechtsfehler des Tatrichters bei der Auslegung erfordert keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
Davon abgesehen lässt die Auslegung von Art. 16.2.1 des Vertrages keinen Rechtsfehler erkennen. [...] Daraus folge aber nicht, dass der technische Sachverständige auch Rechtsfragen entscheiden solle. Die Parteien hätten mit der Formulierung "a ... technical expert who shall act as such (and not as an arbitrator)" ausdrücklich klargestellt, dass der technische Sachverständige allein in dieser Eigenschaft handeln solle und nicht als Schiedsrichter. Bei verständiger Würdigung der beiderseitigen Interessen sei es auch nicht sinnvoll, einen Sachverständigen, der zwar über technischen, nicht aber über juritischen Sachverstand verfüge, etwas darüber entscheiden zu lassen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung von Mängelansprüchen - wie die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Nacherfüllung oder die Unbegründetheit einer Verjährungseinrede - vorliegen. Die Rechtsbeschwerde versucht, diese Auslegung der Schiedsvereinbarung durch ihre abweichende eigene zu ersetzen, ohne einen Rechtsfehler des OLG aufzuzeigen oder die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Rechtsbeschwerde darzulegen. [...]
Ein "pactum de non petendo" kann nach der Rechtsprechung des BGH und der von der Rechtsbeschwerde herangezogenen Entscheidung des OLG München allerdings die Klagbarkeit von Ansprüchen ausschließen (zu einem Schiedsgutachtenvertrag vgl. BGH, NJW 1990, 1231 [1232]; zu einer Schlichtungsvereinbarung vgl BGH, NZM 2009, 277 = NJW-RR 2009, 637 Rn. 19; zu einer Duldungsvereinbarung vgl. OLG München, NZM 2011, 491). Das OLG hat jedoch mit Recht angenommen, dass ein "pactum de non petendo" einem Gericht nicht die Zuständigkeit zur Entscheidung über eine Klage nimmt, mit der Ansprüche, deren Klagbarkeit die Parteien ausgeschlossen haben, ungeachtet des "pactum de non petendo" geltend gemacht werden.
Das OLG hat sich mit dieser Annahme nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH oder anderer Oberlandesgerichte gesetzt. (wird ausgeführt)
30.6.2016