Recht und Steuern

A 1 Nr. 232

A 1 Nr. 232 – Art. 103 Abs. 1 GG, § 1063 ZPO Zwischenentscheid ohne mündliche Verhandlung. Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG Gebot des fairen Verfahrens. Zulässigkeit von Kompetenz-Kompetenz-Klauseln. Beurkundung von schiedsgerichtlichen Verfahrensordnungen notarieller Formbedürftigkeit des Hauptvertrages.
1. Im Verfahren auf gerichtliche Entscheidung gegen einen schiedsgerichtlichen Zuständigkeitsentscheid nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO ist das OLG (§ 1062 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) nicht nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung verpflichtet, da verfahrensrechtliche Entscheidungen mangels Entscheidung in der Hauptsache nicht dem Anwendungsbereich der Norm unterfallen.
2. Die Unwirksamkeit einer so genannten Kompetenz-Kompetenz-Klausel führt nicht nach § 139 BGB zur Unwirksamkeit der gesamten Schiedsvereinbarung.
3. Eine Schiedsklausel in einem notariell beurkundeten Vertrag über den Verkauf und die Übertragung von Grundstücken und Gesellschaftsanteilen ist nicht deshalb nach § 125 S. 1 i.V.m. § 311b Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG nichtig, weil sie auf eine Schiedsgerichtsordnung Bezug nimmt, die nicht mitbeurkundet worden ist.
BGH, Beschl. v. 24.7.2014 – III ZB 83/13; NJW 2014, 3652 ff. = RKS A 1 Nr. 232
Aus dem Sachverhalt:
Die Parteien schlossen am 22.10.2010 einen notariell beurkundeten „Rahmenvertrag über den Verkauf und die Übertragung von Grundstücken und Gesellschaftsanteilen“ sowie als Anlagen dazu unter anderem mehrere Einzelverträge. In dem vor dem Schiedsgericht eingeleiteten Schiedsgerichtsverfahren streiten die Parteien über die Wirksamkeit mehrerer Verträge und über die Löschung der zur Sicherung vertraglicher Ansprüche auf Übertragung von Grundstücken eingetragenen Auflassungsvormerkungen. Der Rahmenvertrag enthielt folgende Schiedsklausel:
„Schiedsgericht. 16.1 Jede Streitigkeit, die aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder seinen Anlagen entsteht, einschließlich jeder Streitigkeit über die Wirksamkeit oder das Bestehen dieses Vertrages, mit Ausnahme derjenigen Streitigkeiten, die von Gesetzes wegen einem Schiedsgericht nicht zur Entscheidung zugewiesen werden können, wird entsprechend der Schiedsgerichtsordnung des Deutschen Instituts für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) endgültig entschieden, ohne dass die Möglichkeit der Anrufung der ordentlichen Gerichtsbarkeit besteht. Das Schiedsgericht kann auch über die Gültigkeit dieser Schiedsvereinbarung bindend entscheiden.“
Die Schiedsbeklagte rügte die Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Mit Zwischenentscheid vom 5.3.2013 stellte das Schiedsgericht fest, dass die Zuständigkeitsrüge der Schiedsbeklagten unbegründet sei. Der Antrag der Schiedsbeklagten auf gerichtliche Entscheidung vor dem OLG München wurde ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
Der Senat teilt die Auffassung der Antragstellerin, das OLG habe dadurch, dass es entgegen ihrer Forderung ohne mündliche Verhandlung entscheiden habe, Art. 103 Abs. 1 GG, § 1063 ZPO verletzt sowie gegen das Gebot eines fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG) verstoßen, nicht.
1. Art. 103 Abs. 1 GG begründet kein Recht auf eine mündliche, sondern nur auf rechtliches Gehör. Soweit das Gesetz keine verbindliche Entscheidung trifft, liegt die Form der Anhörung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (vgl. nur BVerfG – NJW 1982, 1679). § 1063 Abs. 1 ZPO soeht vor, dass das OLG durch Beschluss nach Anhörung des Antragsgegners entscheidet. Eine mündliche Verhandlung ist nur im Fall des § 1063 Abs. 2 vorgeschrieben, dessen Voraussetzungen im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben sind.
Ein Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergibt sich auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 EMRK. Denn Art. 6 Abs. 1 EMRK ist auf ein Verfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht anwendbar. Verfahrensrechtliche Entscheidungen fallen mangels Entscheidung in der Sache nicht unter Art. 6 Abs. 1 EMRK, so unter anderem Entscheidungen über die Zuständigkeit eines Gerichts (wird ausgeführt).
Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung stand somit im Ermessen des OLG (§ 128 Abs. 4 ZPO). Eine Verletzung der Antragstellerin liegt nicht vor. Diese hatte sowohl vor dem Schiedsgericht, als auch vor dem OLG ausreichend Gelegenheit, zur streitigen Zuständigkeitsfrage Stellung zu nehmen und hat davon, wie der Inhalt der Schriftsätze zeigt, auch umfassend Gebrauch gemacht.
2. Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die zwischen den Parteien angeschlossene Schiedsvereinbarung nicht wegen ihres Inhalts unwirksam ist. Zwar enthält der Rahmenvertrag eine so genannte Kompetenz-Kompetenz-Klausel. (…) Das letzte Wort hat aber – bezüglich des Zwischenentscheids im Verfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO, bezüglich des Schiedsspruchs und des Prozessschiedsspruchs im Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO – das staatliche Gericht.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin führt die die Unwirksamkeit der Kompetenz-Kompetenz-Klausel jedoch nicht dazu, dass die Schiedsvereinbarung insgesamt keine Gültigkeit hat und das Schiedsgericht damit insgesamt unzuständig ist. Haben die Parteien eine Schiedsabrede getroffen und zusätzlich eine Kompetenz-Kompetenz-Klausel vereinbart, handelt es sich um jeweils gesonderte eigenständige Vereinbarungen. Die Nichtigkeit der Kompetenz-Kompetenz-Klausel berührt die übrige Schiedsabrede nicht.
3. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Schiedsvereinbarung auch nicht deshalb nach § 125 S. 1 i.V.m. § 311b Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG nichtig, weil diese auf die DIS-Schiedsgerichtsordnung Bezug nimmt und diese nicht mit beurkundet wurde. Eine Schiedsvereinbarung bedarf zu ihrer Wirksamkeit lediglich der Einhaltung der in § 1031 ZPO geregelten Schriftform. (…) Hieran ändert sich auch nichts, wenn sich die Schiedsvereinbarung auf ein Rechtsgeschäft bezieht, das seinerseits beurkundungsbedürftig ist. Der verschiedentlich im Schrifttum mit Verweis auf das beurkundungsrechtliche Vollständigkeitsprinzip vertreten gegenteiligen Auffassung (…) folgt der Senat nicht.
Abgesehen davon, dass sich das vom Gesetzgeber für notwendig erachtete Formerfordernis in § 1031 ZPO nur auf die Schiedsvereinbarung als solche bezieht, ist durch das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz vom 22.12.1997 ausdrücklich die Selbstständigkeit der Schiedsvereinbarung vom Hauptvertrag betont und insoweit in § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO bestimmt worden, dass eine Schiedsklausel – also eine im Hauptvertrag enthaltene Schiedsvereinbarung – bei der Prüfung ihres Bestehens und ihre Gültigkeit als eine von den übrigen Vertragsbestimmungen unabhängige Vereinbarung anzusehen ist. Diese Eigenständigkeit unterscheidet die die Schiedsklausel von – beurkundungsbedürftigen – Nebenabreden eines beurkundungsbedürftigen Hauptvertrages.
10.04.2015