Recht und Steuern

A 1 Nr. 227

A 1 Nr. 227 §§ 387 BGB, §§ 148, 302, 767, 1029 ZPO – Keine Aufrechnung mit schiedsabredebefangener Forderung vor dem ordentlichen Gericht: Schiedsgericht zuständig! Vollstreckungsabwehrklage?
Vor dem ordentlichen Gericht ist die Aufrechnung mit einer Forderung, für die eine Schiedsgerichtsvereinbarung getroffen wurde, unzulässig. Hinsichtlich dieser Forderung ist das Verfahren entscheidungsreif, so dass diesbezüglich kein Vorbehaltsurteil ergehen kann. Wird dem Beklagten im Schiedsverfahren die Aufrechnungsforderung zugesprochen, ist diese mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen.
OLG Zweibrücken Urt.v. 2.8.2013 – 2 U 6/13 MDR 2013, 1368 = RKS A 1 Nr. 227
Aus den Gründen:
Zwar wird in der Literatur teilweise vertreten, dass das Gericht in solchem Fall den Rechtsstreit gem. § 148 ZPO auszusetzen oder ein Vorbehaltsurteil zu erlassen habe (Wagner in MünchKomm 3. Aufl. 2013, § 145 ZPO Rd-Nr. 35; Münch in MünchKomm 3. Aufl. 2008 Rd-Nr. 15, Zöller/Geimer 28. Aufl. § 1029 Rd-Nr. 90 – zum Vorbehaltsurteil). Der BGH hat jedoch bereits in der Entscheidung vom 20.12.1956 (II ZR 177/55 BGHZ 23, 17 ff.) ausgeführt, dass unter bestimmten Voraussetzungen zu einem Aufrechnungseinwand auch dann sachlich und abschließend Stellung genommen werden könne, wenn die zur Aufrechnung verwendete Gegenforderung mit einer Schiedsgerichtsklausel versehen sei. Dabei hat der BGH die Möglichkeit eines Vorbehaltsurteils nach § 302 ZPO ausgeschlossen, letztlich jedoch ausgeführt, dass der ihm vorliegende Sachverhalt nicht zu einer abschließenden Stellungnahme nötige. Mit Rücksicht auf die Bedeutung von Urteilen staatlicher Gerichte sei es nicht angängig, dem privaten Schiedsgericht der Parteien ohne eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung die Befugnis zuzusprechen, in dem anschließenden Schiedsgerichtsverfahren das Vorbehaltsurteil des staatlichen Gerichts aufzuheben.
Mit seinem Urteil vom 22.11.1962 (VII ZR 264/61 BGHZ 38, 254 = MDR 1963, 125 f.) hat der BGH im Anschluss an RG v. 1.3.1929 (RGZ 123, 348) entschieden, dass die Einrede der Aufrechnung bei bestehender Schiedsvereinbarung unter Verletzung einer entgegenstehenden Abmachung zwischen den Parteien geschehe und deshalb unzulässig sei. Der Schiedsvertrag enthalte ein vertragliches Verbot, sich im Prozess auf eine Aufrechnung mit einer Gegenforderung zu berufen. Daher dürfe im ordentlichen Prozess die Gegenforderung nicht beachtet werden, wenn sie mit einer rechtswirksamen Schiedsabrede versehen sei. Zwar hat der BGH in dieser Entscheidung nicht ausdrücklich ausgeführt, dass ein Endurteil und nicht etwa ein Vorbehaltsurteil zu ergehen habe; auch mit der Frage einer Aussetzung nach §148 ZPO hat er sich nicht ausdrücklich befasst. Dies hätte jedoch vor dem Hintergrund der Entscheidung des zweiten Zivilsenats vom 20.12.1956, mit der sich der siebte Senat ausdrücklich auseinandersetzt, nahe gelegen. Damit ist die Entscheidung vom 22.11.1962 dahingehend zu verstehen, dass ein Endurteil zu ergehen hat. In der Entscheidung vom 20.12.1972 (VIII ZR 186/70 BGHZ 60, 85 = MDR 1973, 311) befasste sich der achte Zivilsenat des BGH erneut mit der Frage der Aufrechnung. Er hat ausgeführt, dass in Fällen der fehlenden Gerichtsbarkeit und des fehlenden ordentlichen Rechtswegs zwingendes Prozessrecht einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung des ordentlichen Gerichts über das Bestehen der Gegenforderung entgegenstehe. Ein Schiedsvertrag enthalte für die Vertragsparteien das vertragliche Verbot, einem ordentlichen Gericht durch Geltendmachung des Aufrechnungseinwandes die Prüfung zu unterbreiten, ob eine dem Schiedsvertrag unterfallende Forderung bestehe. Auch in dieser Entscheidung hat sich der BGH nicht mit der Frage eines Vorbehaltsurteils oder der Aussetzung des Verfahrens beschäftigt.
Schließlich hat der dritte Zivilsenat des BGH in dem Beschluss vom 17.1.2008 (III ZR 320/06 MDR 2008, 460 f. = RKS A 1 Nr. 156) ausdrücklich in Fortführung von BGH 22.11.1962 aaO. entschieden, dass das Verbot, eine schiedsbefangene Gegenforderung im Wege der Aufrechnung vor dem staatlichen Gericht geltend zu machen, nicht mehr bestehe, wenn das Schiedsverfahren durchgeführt und mit einem abschließenden Schiedsspruch über die Gegenforderung  beendet worden sei. In den Gründen hat der BGH ausgeführt, dass die Schiedsabrede anerkanntermaßen ein vertragliches Verbot enthalte, sich im Prozess auf die Aufrechnung mit einer Gegenforderung zu berufen, über die nach dem Willen der Beteiligten das Schiedsgericht entscheiden sollte. Die Aufrechnung mit einer solchen Gegenforderung dürfe im Rechtsstreit vor dem staatlichen Gericht nicht beachtet werden. Auch hier setzt sich der BGH nicht mit der Frage eines Vorbehaltsurteils oder einer Aussetzung des Verfahrens wegen der Schiedsgerichtsabrede auseinander (soweit in der Entscheidung eine Aussetzung thematisiert wird, betrifft sie einen anderen Sachverhalt).
Vor diesem Hintergrund wird auch in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten, dass ein Endurteil zu ergehen habe (vgl. Voit in Musielak 10. Aufl. 2013, § 1029 ZPO Rd-Nr. 25; Elzer in BeckOK, Stand 1.4.2013 § 302 ZPO Rd-Nr. 23). Dies wird damit begründet, dass ein Vorbehaltsurteil nur dann zu ergehen habe, wenn die Gegenforderung noch nicht entscheidungsreif sei. Entscheidungsreife liege jedoch nur vor, wenn die Aufrechnung mit der Gegenforderung unzulässig sei (Elzer aaO. unter Hinweis auf BGH 22.6.1961 – VII ZR 166/60 MDR 1961, 846f.). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Die Beklagte kann sie, wenn ihr im Schiedsverfahren die Gegenforderung zugesprochen wird, im Rahmen einer Klage nach § 767 ZPO geltend machen; sie wäre auch nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert, weil die Aufrechnung im vorliegenden Prozess unzulässig ist und deshalb bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung  im Ausgangsprozess gerade nicht geltend gemacht werden kann. Das Verfahren ist auch nicht nach §148 ZPO auszusetzen. Die Vorschrift ist schon von ihrem Wortlaut her nicht einschlägig, weil das Schiedsgerichtsverfahren noch nicht anhängig ist.
27.11.2013