Recht und Steuern

A 1 Nr. 228

A 1 Nr. 228  §§ 1040 Abs. 3 S. 2, 1059 ZPO – Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen zuständigkeitsbejahenden Zwischenentscheid des Schiedsgerichts – Rechtsschutzbedürfnis?
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen einen Zwischenentscheid, mit dem sich ein Schiedsgericht für zuständig erklärt, entfällt, wenn das Schiedsgericht vor der Entscheidung des staatlichen Gerichts einen Schiedsspruch in der Hauptsache erlässt.
2. Ein Schiedsspruch wird nicht dadurch nichtig, dass das staatliche Gericht in einem Verfahren gem. § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts feststellt. Im Hinblick auf den urteilsgleichen Charakter eines Schiedsspruchs, auf Rechtssicherheit und -klarheit kann gegen den Schiedsspruch nur der Antrag auf gerichtliche Aufhebung gem. § 1059 ZPO gestellt werden.
BGH Beschl. v. 19.9.2013 – III ZB 37/12 MDR 2013, 1362 = RKS A 1 Nr. 228
Aus den Gründen:
1. Aufgrund des in der Hauptsache ergangenen abschließenden Schiedsspruchs vom 7.12.2012 dürfte der gem. § 1040 Abs. 3 ZPO gestellte Antrag der schiedsbeklagten Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung gegen den Zwischenentscheid des Schiedsgerichts vom 26.10.2010 unzulässig geworden sein. Mit Erlass des Schiedsspruchs in der Hauptsache ist das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag entfallen (vgl. auch Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1040 Rd-Nr. 15). Eine Gegenansicht wird zwar nicht ausdrücklich formuliert. Auf ihr beruht aber offensichtlich die Auffassung, ein vor Eintritt der Rechtskraft der  Entscheidung des staatlichen Gerichts im Zwischenstreit über die Zuständigkeit ergehender Schiedsspruch in der Hauptsache sei nichtig, jedenfalls aber aufhebbar, wenn das staatliche Gericht die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts ausspricht (Musielak/Voit ZPO 10. Aufl. § 1040 Rd-Nr. 12 unter Bezug auf § 1032 Rd-Nr. 15; so wohl auch Thomas/Putzo/Reichold ZPO 30. Aufl. § 1032 Rd-Nr. 5). Dem liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, dass das Verfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO auch dann fortzuführen sei, wenn zwischenzeitlich ein Schiedsspruch in der Hauptsache ergangen ist. Dies überzeugt allerdings nicht.
2. Dass ein Schiedsspruch in der Hauptsache nichtig wird oder ist, wenn das staatliche Gericht später in einem Verfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts feststellt, sieht das Gesetz nicht vor. Dies wäre auch mit den Belangen der Rechtssicherheit und der Systematik des 10. Buchs der Zivilprozessordnung unvereinbar. Danach ist es vielmehr erforderlich, dass auch ein das Verfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO „überholender“ Schiedsspruch über die Hauptsache gesondert nach § 1059 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufgehoben wird, wenn er mangels Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht hätte ergehen dürfen. Die Entscheidung des staatlichen Gerichts im Zuständigkeitsstreit nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO kann sich ihrem Gegenstand nach nur auf den Zwischenentscheid des Schiedsgerichts beziehen. Eine Feststellung, dass ein inzwischen in der Hauptsache ergangener Schiedsspruch wegen Unzuständigkeit des Schiedsgerichts nichtig ist, kann in diesem Verfahren ebenso wenig ausgesprochen werden wie eine Aufhebung des Schiedsspruchs. Das Gericht sieht solche, den Gegenstand des Zwischenstreits erweiternde Entscheidungen in diesem Verfahren nicht vor. Unterbliebe auch die Aufhebung des Schiedsspruchs  in der Hauptsache nach § 1059 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO, wäre dessen von der Mindermeinung in erster Linie befürwortete Unwirksamkeit nur als rechtliche Schlussfolgerung aus der negativen Entscheidung des staatlichen Gerichts über den Zwischenentscheid des Schiedsgerichts zur Zuständigkeit ableitbar. Dies wäre aber im Hinblick auf den urteilsgleichen Charakter eines Schiedsspruchs (vgl. § 1055 ZPO), dessen Vollstreckbarerklärung (§ 1060 Abs. 1 ZPO) nur unter den engen Voraussetzungen des § 1060 Abs. 2 ZPO abgelehnt werden kann, mit den Belangen der Rechtssicherheit und -klarheit unvereinbar. Diese erfordern vielmehr die ausdrückliche Aufhebung des Spruchs eines unzuständigen Schiedsgerichts. Dies gilt zumal in ausländischen Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines deutschen Schiedsspruchs, in denen die Fernwirkung einer Entscheidung nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO auf den Schiedsspruch kaum vermittelbar wäre.
Hinzu tritt, dass ohne ein Verfahren nach § 1059 ZPO die ebenfalls der Rechtssicherheit und  -klarheit dienende Regelung der Fristen, innerhalb deren gem. §1059 Abs. 3 ZPO (s. auch § 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO) der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs beim staatlichen Gericht zu stellen ist, unterlaufen würde. Dieser Gesichtspunkt steht auch  der von der Mindermeinung hilfsweise erwogenen Alternative entgegen. Danach soll im Anschluss an eine – ungeachtet des „überholenden“ Schiedsspruchs in der Hauptsache  –  die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts aussprechende Entscheidung im Verfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO jedenfalls ein Aufhebungsverfahren stattfinden (Musielak/Voit aaO.). Dann aber würde § 1059 Abs. 3 ZPO unterlaufen, wenn das Verfahren des staatlichen Gerichts über den Zwischenentscheid zur Zuständigkeit nicht vor Ablauf der darin bestimmten Fristen abgeschlossen werden kann, was vielfach der Fall sein wird.
Hiernach ist gegenüber einem in der Hauptsache ergangenen Schiedsspruch ein innerhalb der nach §1059 Abs. 3 ZPO maßgeblichen Frist einzuleitendes Aufhebungsverfahren gem. § 1059  ZPO, in dem die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts geltend zu machen ist (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), auch dann erforderlich, wenn bereits ein Verfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO durchgeführt wird, aber noch nicht abgeschlossen ist. Dann aber wären in beiden Verfahren dieselben Fragen zur Zuständigkeit zu klären.  Das Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO betrifft hierbei den Schiedsspruch zur Hauptsache und hat damit im Unterschied zum Verfahren über den Zwischenschiedsspruch gem. § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO den umfassenderen, den inhaltlichen Kern des Streits ausmachenden Gegenstand. Damit besteht für das Zwischenverfahren kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Dies gilt im Übrigen auch und erst recht in dem Fall, dass ein Aufhebungsantrag nicht innerhalb der Fristen des § 1059 Abs. 3 ZPO gestellt wird. Dann bleibt der Schiedsspruch unabhängig von dem Ausgang des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens über den Zwischenentscheid bestehen, so dass dieses obsolet wird.      
27.1.2013