Recht und Steuern

A 1 Nr. 210

A 1 Nr. 210 §§ 47,103 InsO – Patentlizenzvertrag in der Insolvenz. Wahlrecht des Insolvenzverwalters . Zuständigkeit eines im Lizenzvertrag vereinbarten Schiedsgerichts

1.Nicht ausschließliche Patentlizenzverträge sind gegenseitige Verträge (Rechtspacht). Sie sind nicht mehr „insolvenzfest“ und unterliegen dem Wahlrecht gem. § 103 Insolvenzordnung. Dieses ist der Verfügungsbefugnis der Vertragsparteien entzogen. Wählt der Insolvenzverwalter Nichterfüllung, so kann sein Vertragspartner Erfüllungsansprüche nicht mehr durchsetzen und hat nur einen zur Insolvenztabelle anzumeldenden Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung.

2.Für die Frage, ob der Insolvenzverwalter gegenüber dem Partner des Lizenzvertrages zu Recht die Nichterfüllung des Vertrages erklärt hat, ist das zwischen den Parteien des Lizenzvertrages vereinbarte Schiedsgericht nicht zuständig.

KG Berlin Beschl.v. 23.4.2012 – 20 SchH 03/09 - SchiedsVZ 2012, 218 = RKS A 1 Nr. 210
Tenor:
Es wird festgestellt, dass das von der Antragsgegnerin eingeleitete schiedsrichterliche Verfahren hinsichtlich folgender Anträge der Antragsgegnerin unzulässig ist:                                           
a. festzustellen, dass die Nutzungsrechte, die unter dem CPLA eingeräumt worden sind, als Rechte nach § 47 InsO zu qualifizieren und deshalb nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens berührt worden sind und                                                                                          
b. festzustellen, dass Nutzungsrechte nach dem CPLA – auch wenn sie nicht unter § 47 InsO fallen -- durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt werden.
Aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit eines von der Antragsgegnerin betriebenen Schiedsverfahrens.
Die Rechtsvorgängerin der Gemeinschuldnerin und die Antragsgegnerin schlossen einen als „Cross Patent License Agreement“ (CPLA) bezeichneten Vertrag, demzufolge sie sich gegenseitig Lizenzen an ihren jeweiligen Halbleiterpatenten gewährten. Die Vereinbarung enthielt in Art.9 eine Schiedsklausel. Die Gemeinschuldnerin, deren Insolvenzverwalter der Antragsteller ist, hat die Rechte und Pflichten aus dem CPLA übernommen. Nachdem der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin die Nichterfüllung des CPLA gemäß § 103 InsO erklärt hatte, erhob die Antragsgegnerin
Schiedsklage mit dem Ziel, feststellen zu lassen, dass ihre Nutzungsrechte fortbestünden.
Aus den Gründen:
Das schiedsgerichtliche Verfahren ist hinsichtlich des im Tenor zu a. genannten Antrags unzulässig.
1.Der Ausgang dieses Verfahrens hängt davon ab, ob der vom Antrag bestimmte Streitgegenstand des Schiedsverfahrens ein selbständiges Recht des Insolvenzverwalters ist. Dies gilt auch für das Wahlrecht nach § 103 InsO. Betrifft der Antrag der Antragsgegnerin dieses Recht unmittelbar oder als entscheidungserhebliche Vorfrage, ist das auf Art. 9 CPLA gegründete Schiedsverfahren unzulässig. Es geht im Schiedsverfahren nicht darum, ob die Lizenzen insolvenzfest seien, sondern darum, ob der Lizenzvertrag unter § 103 InsO fällt und der Antragsteller deshalb die weitere Erfüllung ablehnen kann…. Aussonderungsrechte, deren Voraussetzungen sich allein auf Grund materiell-rechtlicher Voraussetzungen ergeben und die vom Wahlrecht des Insolvenzverwalters bei gegenseitigen Verträgen nicht berührt werden können, können Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein, die auch den Insolvenzverwalter bindet.
Der Senat hat nicht darüber zu entscheiden, ob die von der Antragsgegnerin im Schiedsverfahren geltend gemachten Rechte bestehen. Unerheblich ist für dieses Verfahren, ob die von der Antragsgegnerin genutzten Lizenzen einem Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO unterliegen, ob sie insolvenzfest sind oder ob der Antragsteller die Nichterfüllung des CPLA wählen durfte. Maßgeblich ist allein, ob der Antrag der Antragsgegnerin im Kern die Frage betrifft, ob der Lizenzvertrag unter § 103 InsO fällt und der Antragsteller deshalb weitere Erfüllung ablehnen kann und ob daher das Begehren der Antragsgegnerin dem Schiedsverfahren entzogen ist. Sollte dem nicht so sein, hat das Schiedsgericht in eigener Zuständigkeit sowohl über Zulässigkeit des Antrags (im Übrigen) als auch über Schlüssigkeit und letztlich über die Begründetheit zu entscheiden.
Unter diesem Blickwinkel muss der Antrag des Antragstellers gegenüber dem im Schiedsverfahren verbliebenen Antrag der Antragsgegnerin Erfolg haben. Dieser Antrag betrifft im Kern die Frage des Wahlrechts des Antragstellers nach § 103 InsO. … Die Antragsgegnerin bezweckt auch dem Sinn nach weiterhin die ursprünglich im Schiedsverfahren beantragte „Feststellung, dass die Nutzungsrechte unter dem CPLA eine Rechtsnatur haben, die sie nicht unter § 103 InsO fallen lässt, die Ausübung desWahlrechts durch den Insolvenzverwalter also ins Leere lief“. Der Streitgegenstand ist damit allein die Feststellung des Fortbestands der Nutzungsrechte. Der Antragsgegnerin ist nicht nur an einer Aussonderung der als dinglich und auch im Übrigen als aussonderungsfähig unterstellten Lizenzen gelegen. Sie beansprucht die Fortgeltung des gesamten CPLA. Siemöchte die ihr erteilten Lizenzen nutzen, und dies kann sie nur auf Grund des dazugehörigen und mit den Lizenzen untrennbar verbundenen schuldrechtlichen Vertrags. Die Bestellung der Lizenzen erfolgte allein auf dieser Rechtsgrundlage. Treten etwa Leistungsstörungen auf, stellt eine Partei die Lizenzvergabe ein oder wird der Vertrag außerordentlich gekündigt, handelt es sich stets um Störungen des der Lizenzgewährung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vertrags. Ohne diesen sind die erteilten und noch zu erteilenden Lizenzen für die Antragsgegnerin rechtlich wertlos. Darüber hinaus begründet der CPLA weitere vertragliche Neben- oder sogar Hauptpflichten (Berger Insolvenzschutz für Markenlizenzen, 2006, § 3 Seite 40). Der Antragsteller hätte der Antragsgegnerin, deren Schiedsklagebegehren folgend, die Patente etwa offenzulegen, ihr die entsprechenden Dokumentationen zu überlassen und auch im Übrigen dafür zu sorgen, dass die Antragsgegnerin alle technischen Grundlagen erhält, die für die Ausübung der Patente auf Grund der Lizenzvereinbarung erforderlich sind.
Dementsprechend ist das Begehren der Antragsgegnerin, die Fortgeltung des gesamten CPLA feststellen zu lassen, konsequent. Dies hat indes zur Folge, dass sich der Schiedsantrag nicht auf die wenig hilfreiche Aussonderung eines dinglichen Nutzungsrechts (§ 47 InsO) beschränkt, sondern nur Sinn hat, wenn der Antragsgegnerin die Nutzungsberechtigungen auf der Grundlage des gesamten CPLA zur Verfügung stehen.
2.Ob der Antragsteller hierzu verpflichtet ist, hängt wiederum davon ab, ob ihm ein Wahlrecht zusteht, wobei diese Frage der Verfügungsbefugnis der Parteien und damit auch einer Schiedsabrede entzogen ist und allein auf Insolvenzvorschriften beruht. Nicht ausschließliche Lizenzvereinbarungen sind gegenseitige Verträge (Rechtspacht) und unterliegen damit dem Wahlrecht des § 103 InsO. Sie sind im Übrigen nach fast einhelliger Meinung – im Gegensatz zu § 21 KO (Wirksamkeit von Miet- und Pachtverträgen über Grundstücke des Gemeinschuldners gegenüber der Masse; vgl. § 110 InsO) – nicht mehr insolvenzfest. Die Ausübung des Wahlrechts führt dazu, dass Erfüllungsansprüche des Vertragspartners des Insolvenzschuldners nicht mehr durchgesetzt werden können und allein ein zur Insolvenztabelle anzumeldender Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung entsteht.
Dass die Antragsgegnerin ihr Schiedsbegehren nunmehr allein auf § 47 InsO (Aussonderung eines dinglichen Rechts) stützt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auf diese Beschränkung kommt es nicht an, maßgeblich ist das Klageziel, das den Streitgegenstand bestimmt, und dieses liegt in der Fortnutzung der Lizenzen auf Grund des CPLA. … Das Schiedsgericht hat ebenso wie das staatliche Gericht das Rechtsschutzziel und den Umfang des Klagebegehrens auf Grund des vorgetragenen Sachverhalts und der begehrten Rechtsfolge zu ermitteln, die Insolvenzfestigkeit des CPLA insgesamt festzustellen. Dies ließe sich nur dann erzielen, wenn der CPLA nicht dem Wahlrecht des Antragstellers unterliegt.