Recht und Steuern

A 1 Nr. 207

A 1 Nr. 207 § 1062 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 GZVJu v.16.11.2004 (BayGVBl. S. 471) – OLG München in Bayern für Schiedsangelegenheiten ausschließlich zuständig. Schiedsabrede nur ausnahmsweise kündbar.

In Bayern sind alle Schiedsangelegenheiten landesweit gesetzlich ausschließlich dem OLG München übertragen. Könnten die Parteien ein anderes, mit Schiedsangelegen-heiten gesetzlich nicht befasstes bayerisches OLG vereinbaren, wären die mit der Konzentration bewirkten und beabsichtigten Effekte der Spezialisierung, Rationalisierung sowie stetigen Rechtsfortbildung gefährdet.
 
Eine Schiedsvereinbarung kann nach Beginn des Schiedsverfahrens gemäß oder entsprechend § 314 BGB „aus wichtigem Grund“ gekündigt werden. Wichtiger Grund ist jeder Umstand, der es der kündigenden Partei unzumutbar macht, das Schieds-verfahren fortzusetzen.

Dabei ist aber zu beachten, dass es keiner Partei möglich sein darf, durch Geltendmachung von Fehlverhalten der anderen Partei das Verfahren zu sabotieren. Weiter ist zu beachten, dass jedes Schiedsverfahren grundsätzlich dem staatlichen Gerichtsverfahren gleichberechtigt ist und gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeiten bietet, einschließlich der Würdigung des gegnerischen Verhaltens.

Die Schwelle für den Eingriff des staatlichen Gerichts in ein laufendes Schiedsverfahren ist hoch anzusetzen, wenn es um die Kündigung der Schiedsabrede wegen angeblich nicht mehr gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes geht. Die Kündigung würde die Tatsachenermittlung zunächst oder parallel in ein staatliches Verfahren verlagern und dann -- sollte sich der Vortrag des Kündigenden betreffend das Fehlverhalten des Gegners, ggf.erst nach aufwändiger Beweisaufnahme, nicht bestätigen – wieder allein dem Schiedsgericht überantworten. Zudem lässt sich im laufenden Verfahren oft nicht feststellen, ob das behauptete Fehlverhalten des Gegners überhaupt Auswirkungen auf den künftigen Schiedsspruch haben würde.

OLG München Beschl.v. 29.9.2012 – 34 SchH 6/11; SchiedsVZ 2012, 96, 99 f. = RKS A 1 Nr. 207
 
Aus den Gründen:

Die Schiedsvereinbarung kann nach Beginn des Schiedsvertrages gemäß oder entsprechend § 314 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden (h.M.; Musielak/Voit ZPO 8. Aufl. § 1029 Rd-Nrn. 12, 26). Die Schiedsabrede begründet ein besonderes Pflichtenverhältnis zwischen den Parteien. Ein Verstoss gegen diese Pflichten, etwa die Pflicht zur Verfahrensförderung oder zur Loyalität (Musielak/Voit § 1029 Rd.-Nr. 12, 27), kann bei sehr groben Verletzungen zur Kündigung berechtigen. Denkbar sind auch Gründe, die nicht im Verhalten einer Partei liegen. Ein wichtiger Grund ist jeder Umstand, der es der kündigenden Partei unzumutbar macht, das Verfahren fortzusetzen, wobei darauf zu achten ist, dass es keiner Partei möglich sein darf, durch Geltendmachung von angeblichem Fehlverhalten der anderen Partei das Verfahren zu sabotieren. Daher genügen selbst heftige Auseinandersetzungen der Parteien mit dem Vorwurf, die andere Partei habe gegen die Wahrheitspflicht verstoßen, nicht als Kündigungsgrund (z.B. BGH NJW 1957, 589, 590; NJW 1986, 2765 = RKS A 1 Nr. 53). Wollte man der anderen Partei im Fall – von ihr so empfundener – besonders grober Verstöße gegen die Wahrheitspflicht ein Kündigungsrecht zugestehen, würde dies dazu führen, dass dieselben Fragen parallel zum Schiedsverfahren durch die staatlichen Gerichte geklärt werden müssten und die Tätigkeit des Schiedsgerichts auf lange Zeit hinaus lahmgelegt würde (BGH NJW 1957,589,590) bzw. Gefahr liefe, trotz Verfahrensfortsetzung dann hinfällig zu werden (§ 1040 Abs. 3 S. 3 ZPO). Da jedes Schiedsverfahren – grundsätzlich dem staatlichen Gerichtsverfahren gleichberechtigt – darauf gerichtet ist, unter den Parteien mit einem abschließenden, dem Urteil staatlicher Gerichte gleichgestellten Schiedsspruch (vgl.§ 1055 ZPO) Rechtsfrieden zu schaffen, muss eine Lösung vom Schiedsvertrag durch Kündigung zwar dann, aber auch nur dann, statthaft sein, wenn Umstände eingetreten sind, auf Grund deren nicht mehr mit einem  effektiven Rechtsschutz im Schiedsverfahren gerechnet werden kann, der Schiedsvertrag also undurchführbar geworden ist (BGH 1986, 2765 = RKS A 1 Nr. 53). Solange dies aber nicht der Fall ist, muss sich die Partei an der Schiedsvereinbarung festhalten lassen und sind auch schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten im Schiedsverfahren zu klären. Das Schiedsgericht hat, ebenso wie das staatliche Gericht, Möglichkeiten, Verstöße gegen die Wahrheitspflicht, aber auch eine Beweisvereitelung, zu erkennen und darauf prozessual zu reagieren. Das aktuelle Schiedsverfahrensrecht geht demnach von dem Grundsatz aus, dass die Schiedsgerichtsbarkeit im Prinzip gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeiten bietet wie die staatliche Gerichtsbarkeit (Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. Vor 1025 Rd-Nr. 1). Schon deshalb ist die Eingriffsschwelle für das staatliche Gericht in ein laufendes Schiedsverfahren hoch anzusetzen, wenn es um die Aufkündigung der Schiedsabrede wegen nicht mehr gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes geht. Auch wenn ein durch Prozessbetrug erwirkter Schiedsspruch gegen den ordre public verstoßen würde und vom staatlichen Gericht im Verfahren nach § 1059 ZPO aufzuheben wäre, folgte daraus nicht, dass bereits während des Schiedsverfahrens im Hinblick auf eine spätere, möglicherweise dem ordre public widersprechende Entscheidung das Schiedsverfahren zu beenden wäre. Denn derartiges lässt sich naturgemäß kaum sicher voraussehen. Damit würde entgegen der Schiedsvereinbarung die Tatsachenermittlung zunächst (oder parallel) in ein staatliches Verfahren verlagert, und dann, sollte sich der Vortrag des Kündigenden – ggf.erst nach aufwändiger Beweisaufnahme – nicht bestätigen, wieder allein dem Schiedsgericht überantwortet werden. Zudem läßt sich im laufenden Verfahren auch nicht feststellen, dass ein bestimmtes als Prozessbetrug oder Beweisvereitelung –zu Recht oder zu Unrecht – bezeichnetes Verhalten überhaupt Auswirkungen auf den zukünftigen Schiedsspruch hat.
Nach diesen Grundsätzen kann nicht davon die Rede sein, dass ein effektiver Rechtsschutz für den Antragsteller nicht gewährleistet wäre.
Das verfahrensbezogene Verhalten der Antragsgegner gibt dazu keinen genügenden Anlass.
Die Antragsgegner haben nicht die Einleitung des Schiedsverfahrens sabotiert, etwa schuldhaft die Schiedsrichterbenennung verzögert oder das Verfahren verschleppt. Die Beurteilung von Prozesshandlungen der Antragsgegner obliegt zunächst dem Schiedsgericht. Diese kann, wenn es etwa davon ausgeht, dass die Verhaltensweise einer Partei verfahrensfremden Zielen dient, hieraus seine Schlüsse und Konsequenzen im Rahmen der Beweiswürdigung (§ 1042 Abs. 4 ZPO) ziehen. Präklusions- (z.B. § 1027 ZPO) und Säumnisvorschriften (§ 1048) geben dem Schiedsgericht Möglichkeiten an die Hand, Verfahrenssabotage einer Partei zu begegnen. Angesichts der Zusammensetzung des Schiedsgerichts, dessen Vorsitzender ein erfahrener staatlicher Richter ist und dessen Beisitzer ebenfalls Volljuristen sind, hat der Senat keinerlei Zweifel, dass dieses Schiedsgericht auch mit schwierigen Parteien und umfangreichem Verfahrensstoff  sachgerecht und einem staatlichen Gericht gleichwertig umgehen kann.
Das vom Antragsteller behauptete strafrechtlich relevante Verhalten wird – naturgemäß – vom Antragsgegner bestritten. In dem derzeitigen Stadium obliegt es dem Schiedsgericht, die für seine Entscheidung notwendigen Tatsachengrundlagen festzustellen. Es kann daher in dieser Phase des Verfahrens nicht Sache des staatlichen Gerichts sein, durch Einholung von Sachverständigengutachten zu überprüfen, ob etwa Leistungsphasen richtig zugeordnet sind oder der für einzelne Projekte notwendige Zeitaufwand richtig angesetzt ist. Dasselbe gilt für eventuelle Verjährung von Forderungen zu ziehende Konsequenzen.
Die persönliche, wirtschaftliche Lage des Antragstellers rechtfertigt die Kündigung der Schiedsabrede ebenfalls nicht. Der Antragsteller ist nach Überzeugung des Senats auch nicht in einer Weise mittellos, dass er im Schiedsverfahren, das keine Prozesskostenhilfe kennt, effektiven Rechtsschutz nicht erlangen könnte (wird ausgeführt).

Der Antragsteller kann sich ferner nicht darauf berufen, dass der Verkauf seiner Immobilie unzumutbar sei, weil zu einem anderen Zeitpunkt ein höherer Kaufpreis zu erzielen wäre und weil stille Reserven mit entsprechender steuerlicher Belastung aufgedeckt würden. Dies wäre im Übrigen nur das Spiegelbild früherer Steuervorteile, die ihm zugeflossen sind.