Recht und Steuern

A 1 Nr. 204

 A 1 Nr. 204  §§ 242, 310 BGB, § 1031 Abs. 5 ZPO  –  Schiedseinrede vor dem staatlichen Gericht; Berufung auf  Formmangel vor dem Schiedsgericht;Verstoß gegen Treu und Glauben

Eine Partei, die vor dem staatlichen Gericht mit Erfolg die Einrede des Schiedsvertrags erhoben hat, handelt widersprüchlich und treuwidrig, wenn sie sich später im  Schiedsverfahren auf einen Formmangel des Schiedsvertrages beruft, weil die Schiedsabrede entgegen § 1031 Abs. 5 S. 1 und 2 ZPO nicht in einer von den Parteien eigenhändig unterzeichneten, keine anderen als das Schiedsverfahren betreffenden Urkunde enthalten ist. 

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Vorstand bei Abschluss seines Vorstandsdienstvertrages mit der Aktiengesellschaft als „Verbraucher“ (§ 1031 Abs. 5 S. 3  ZPO ) gehandelt hat und die Formvorschrift deshalb auf die darin enthaltene Schiedsabrede  anwendbar ist - oder nicht. Denn für die Beurteilung der Treuwidrigkeit kommt es nicht auf die materiell-rechtliche Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Schiedsabrede, sondern auf den in der Erhebung der Schiedseinrede zum Ausdruck gebrachten Standpunkt an, der Streit sei nicht von einem staatlichen, sondern von einem Schiedsgericht zu entscheiden.
 
Für den Gesichtspunkt von Treu und Glauben kann es auch nicht entscheidend darauf ankommen, ob die Einrede in einer vorprozessualen Korrespondenz gegenüber einer Klageandrohung oder (wie in diesem Fall) im Rahmen eines bereits eingeleiteten Verfahrens erhoben wird.
 
OLG Frankfurt Beschl.v. 4.4.2011 – 26 SchH 1/11; Betriebs-Berater 2012, 81 = RKS A 1 Nr. 204
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin, eine Aktiengesellschaft,  wendet sich gegen eine Zwischenentscheidung vom 15.12.2010 des von dem Antragsgegner, ihrem ehemaligen Vorstand,  angerufenen Schiedsgerichts, in der es seine Zuständigkeit bejaht hat.

Der Antragsgegner war gemäß Dienstvertrag Dezember 2007/Januar 2008 für die Antragstellerin als Vorstand tätig. § 11 Abs. 3 dieses Vorstandsdienstvertrages enthält folgende Schiedsabrede:
„Über alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag und über die Wirksamkeit dieses Vertrages sowie etwaiger Nachträge entscheidet ein Schiedsgericht.“

Nachdem die Schiedsbeklagte (Antragstellerin) den Vorstandsdienstvertrag gekündigt und die Bestellung des Antragsgegners (Schiedsklägers)  zum Vorstand widerrufen hatte, erhob der Schiedskläger (Antragsgegner) zunächst Klage vor dem LG Würzburg mit dem Ziel festzustellen, dass der Anstellungsvertrag über den 21.1.2009 hinaus bis längstens zum 30.6.2010 fortbesteht. Die Schiedsbeklagte (Antragstellerin) berief sich in ihrer Klageerwiderung unter Hinweis auf die im Vorstandsdienstvertrag enthaltene Schiedsklausel  in erster Linie auf die Unzulässigkeit der vor dem LG Würzburg erhobenen Klage, hilfsweise auf deren Unbegründetheit. Zugleich erhob sie Widerklage auf Zahlung von Nutzungsentschädigung sowie vorgerichtliche Anwaltskosten.

In der Folgezeit erhielt der Antragsgegner (Schiedskläger) einen telephonischen Hinweis des Vorsitzenden der zuständigen Kammer des LG Würzburg, dass wegen der von der dortigen Beklagten (Antragstellerin) erhobenen Schiedseinrede von der Unzulässigkeit der Klage auszugehen sei. Hierauf nahm der Antragsgegner die vor dem LG Würzburg erhobene  Klage zurück und berief sich seinerseits gegenüber der Widerklage auf deren Unzulässigkeit im Hinblick auf die getroffene Schiedsabrede. Zugleich regte der Antragsgegner (Schiedskläger) in einem an die Antragstellerin (Schiedsbeklagte) gerichteten Schreiben vom 3.9.2009 die Aufnahme von Vergleichsverhandlungen an, „bevor die Auseinandersetzung zwischen uns nun im Schiedswege weiter fortgesetzt wird“.        

Mit Schriftsatz vom 7.9.2009 erweiterte die Antragstellerin (Schiedsbeklagte) ihre vor dem LG Würzburg erhobene Widerklage und führte im weiteren erstmals aus, dass die getroffene Schiedsvereinbarung wegen Formmangels nach § 1031 Abs. 5 S. 1 ZPO unwirksam sei, weshalb die Schiedseinrede für das Widerklageverfahren nicht greife. Gleichwohl nahm die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 26.10.2009 ihre Widerklage zurück und begründete dies später damit, dass der Aufsichtsrat der Beklagten  (Antragstellerin) nunmehr Schadensersatzansprüche gegen den Antragsgegner (Schiedskläger) prüfe, nachdem die Hauptversammlung diesem für seine Tätigkeit als Vorstand die Entlastung verweigert habe.

Mit Schriftsatz vom 3.3.2010 hat der Antragsgegner (Schiedskläger) einen Antrag auf Durchführung eines Schiedsverfahrens gestellt, Schiedsklage erhoben auf  Feststellung seines Vorstandsdienstvertrages bis zum 30.6.2010 sowie auf Zahlung von Gehältern, und Rechtsanwältin X. als Schiedsrichterin benannt.

Nachdem die Antragstellerin (Schiedsbeklagte) Herrn R. als Schiedsrichter benannt und die beiden Schiedsrichter sich auf Herrn O. als Obmann geeinigt hatten, erhob die Antragstellerin auf die erste verfahrenseinleitende Verfügung des Schiedsgerichts am 16.8.2010 die Rüge der Unzuständigkeit wegen des Formmangels.

Der Antragsgegner (Schiedskläger) hält die Schiedsabrede für wirksam, weil er als Vorstand der schiedsbeklagten AG bei Abschluss des Vorstandsdienstvertrages nicht als „Verbraucher“ gehandelt habe, die Formvorschrift daher nicht gelte.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem bei Gericht am 20.1.2011 eingereichten Antrag auf gerichtliche Entscheidung.  Sie hält die Schiedsabrede in dem Vorstandsdienstvertrag nach wie vor für formunwirksam und sei nicht nach Treu und Glauben gehindert, sich im Schiedsverfahren auf die Unwirksamkeit zu berufen.
Aus den Gründen:
Der Antrag auf Aufhebung des Zwischenentscheids vom 15.12.2010 und auf Feststellung der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Es entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung, einer Partei, die in einem Verfahren vor dem staatlichen Gericht mit Erfolg die Einrede des Schiedsvertrages erhoben hat, im späteren schiedsrichterlichen Verfahren die Rüge der Zuständigkeit des Schiedsgerichts wegen Verstoßes nach § 242 BGB zu versagen (BGH 20.5.1968 – VII ZR 80/67 BGHZ 50, 191 BB 1968, 931ff.; 30.4.2009 – III ZB 91/07 NJW-RR 2009, 1582). Ein solches gegensätzliches Verhalten einer Partei läuft auf den Versuch hinaus, dem Gegner in jeder der beiden Verfahrensarten den Rechtsschutz abzuschneiden und ihn praktisch rechtlos zu stellen. Dem Gegner ist es nicht zumutbar, sich durch ein solches widersprüchliches Verhalten abwechselnd von einem Rechtsweg in den anderen verweisen zu lassen. Vielmehr muss sich die Partei,  die im Verfahren vor dem staatlichen Gericht den Standpunkt eingenommen hat, dieses sei nicht zuständig, der Streit gehöre vor ein Schiedsgericht, an dieser Auffassung auch später im Verfahren vor dem Schiedsgericht festhalten lassen (BGH 30.4.2009 – III ZB 91/07 NJW-RR 2009, 1582 f.; vgl. auch MüKo-Münch ZPO 3. Aufl. 2008 Rd-Nr. 21 zu § 1032; Zöller/Geimer ZPO 28. Aufl. 2010 Rd-Nr. 20 zu § 1032 m.w.N.).

Mit Recht hält das Schiedsgericht diese Erwägungen im vorliegenden Fall für einschlägig. Die Antragstellerin hat sich in dem Verfahren vor dem Landgericht Würzburg primär auf die  mangelnde Zulässigkeit der Klage wegen der im Dienstvertrag enthaltenen Schiedsklausel berufen und lediglich hilfsweise Ausführungen zu deren Begründetheit gemacht, obwohl sie – wie im hiesigen Verfahren eingeräumt – schon seinerzeit Zweifel an der Begründetheit der Schiedseinrede hegte.

Wenn sodann der Antragsgegner mit Blick auf diese Schiedseinrede, und auf Grund eines telefonischen Hinweises des Vorsitzenden der zuständigen Kammer für Handelssachen, die vor dem staatlichen Gericht erhobene Klage zurücknimmt und später die schon im außergerichtlichen Schriftsatz vom 3.9.2009 angekündigte Schiedsklage erhebt, so setzt sich die Antragstellerin mit dem im Schiedsverfahren erhobenen Einwand der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts  in unlösbaren Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten, weshalb ihr die Rüge nach § 1040 Abs. 2 ZPO verwehrt ist.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist eine andere Beurteilung auch nicht unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles geboten. Zwar kann es Ausnahmefälle geben, wenn etwa beachtliche Gründe die gegensätzliche Einlassung in beiden Verfahrensarten verständlich und gerechtfertigt erscheinen lassen (vgl. BGH 20.5.1968 – VII ZR 80/67 BGHZ 50, 191 ff. = BB 1968, 931); derartige Umstände vermag der Senat hier indes nicht zu erkennen.

Insbesondere kann dem hiesigen Antragsgegner nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dieser habe es schuldhaft versäumt, die Formwirksamkeit der Schiedsklausel in eigener Verantwortung zu überprüfen, weshalb die durch die Klagerücknahme vor dem Landgericht Würzburg verursachten Kosten hätten vermieden werden können.

Die Antragstellerin verkennt, dass es für die Beurteilung der Treuwidrigkeit ihres Verhaltens nicht auf die tatsächliche materiell-rechtliche Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Schiedsklausel, sondern vielmehr auf den in der Erhebung der Schiedseinrede zum Ausdruck gebrachten Standpunkt abkommt, der Streit sei nicht von einem staatlichen, sondern von einem Schiedsgericht zu entscheiden.
 
Hat aber die Antragstellerin damit zu erkennen gegeben, über die Klage nur vor einem Schiedsgericht verhandeln zu wollen, so ist sie nunmehr gehindert, sich gegenüber der Schiedsklage auf die Unwirksamkeit der Schiedsklausel zu berufen. Dies gilt umso mehr, als die Antragstellerin nach eigener Darstellung schon seinerzeit Zweifel an der Wirksamkeit der Schiedsklausel hegte, die Schiedseinrede aber gleichwohl primär erhob.
 
Zudem ist für die Beurteilung des Verhaltens der Antragstellerin im späteren Schiedsverfahren die Ursächlichkeit ihres früheren Verhaltens für die Entschließung des Antragsgegners (hier: Klagerücknahme vor dem staatlichen Gericht) ohne Bedeutung. Im einen wie im anderen Fall verstößt die Antragstellerin gegen Treu und Glauben, weil die Rüge der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts mit ihrem früheren Verhalten in Widerspruch steht (vgl. hierzu ausdrücklich BGH 2.4.1987 – III ZR 76/86 BB 1987, 1767 = NJW-RR 1987, 1194 f.).

Soweit die Antragstellerin meint, die zitierte Entscheidung des BGH sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil in jener Fallgestaltung die Schiedseinrede außergerichtlich erhoben worden war, vermag der Senat diese Auffassung in Übereinstimmung mit dem Schiedsgericht nicht zu teilen. So stellt der BGH in der genannten Entscheidung ausdrücklich klar, dass es für den Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht entscheidend darauf ankommen kann, ob die Einrede in einer vorprozessualen Korrespondenz gegenüber einer Klageandrohung oder aber im Rahmen eines bereits eingeleiteten Verfahrens erhoben wird (BGH aaO.).

Schließlich rechtfertigt sich die beantragte Aufhebung des Zwischenentscheids des Schiedsgerichts auch nicht mit Rücksicht darauf, dass die Antragstellerin sich noch während des laufenden Verfahrens vor dem LG Würzburg – allerdings erst nach erfolgter Klagerücknahme durch den Antragsgegner – auf die Formunwirksamkeit der Schiedsklausel berufen hat. Die erstmalige Offenlegung dieser Zweifel an der Formunwirksamkeit der Schiedsklausel läßt den Einwand der Treuwidrigkeit bezogen auf das Verhalten im Rahmen des später eingeleiteten Schiedsverfahrens nicht entfallen.

Denn die Ausführungen zur Formunwirksamkeit der Schiedsklausel erfolgten erst, nachdem der Antragsgegner seine Klage vor dem staatlichen Gericht bereits zurückgenommen hatte und lassen deshalb die gegenüber der Klage erhobene Schiedseinrede und die mit ihr zum Ausdruck gebrachte Rechtswegzuständigkeit unberührt. Bei anderer Betrachtungsweise würde der Antragstellerin ihr eigenes prozessual widersprüchliches Verhalten vor dem LG Würzburg zum Vorteil gereichen. Denn durch die Geltendmachung der Schiedseinrede einerseits bei gleichzeitiger Widerklageerhebung vor dem als unzuständig gerügten staatlichen Gericht hat sich die Antragstellerin in einen unauflösbaren Selbstwiderspruch gesetzt, der darauf beruhte, dass sie ihre eigenen Zweifel an der Formwirksamkeit der Schiedsklausel nicht offenbarte. Hieraus kann die Antragstellerin jedoch keine für sie günstigen Rechtsfolgen herleiten. Vielmehr muss sie sich an dem ursprünglich eingenommenen Standpunkt von der  Zuständigkeit des Schiedsgerichts festhalten lassen.

Hinzu kommt, dass die Antragstellerin ihre Widerklage vor dem LG Würzburg durch Schriftsatz vom 26.10.2009 schließlich zurückgenommen hat, obgleich die Zuständigkeit des staatlichen Gerichts ihrer Ansicht nach gegeben war, und ohne die Motive für dieses prozessuale Verhalten offenzulegen. Der Antragsgegner wiederum konnte und durfte diese Vorgehensweise dahin verstehen, dass auch die Antragstellerin die Streitigkeit insgesamt von einem Schiedsgericht verhandelt haben möchte. Dies gilt insbesondere mit Rücksicht darauf, dass der Antragsgegner   bereits in dem außerprozessualen Begleitschreiben vom 3.9.2009, mit dem die Aufnahme von Vergleichsverhandlungen angeregt wurde, die Fortführung der Angelegenheit in einem Schiedsverfahren angekündigt hatte. Auch wenn die Antragstellerin in der Folgezeit ihre Widerklage zunächst erhöht und die Formunwirksamkeit der Schiedsklausel gerügt hatte, so war jedenfalls nach der aus der Sicht des Antragsgegners unmotivierten Widerklagerücknahme nicht ohne weiteres damit zu rechnen, dass sich die Antragstellerin einem künftigen Schiedsverfahren widersetzen würde.

Bei dieser Sachlage ist dem Begehren der Antragstellerin auch mit Blick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles nicht zu entsprechen.