Recht und Steuern

A 1 Nr. 199

Art. I Abs. 1, II, VII UNÜ, §§ 1031 Abs. 5, 1032 Abs. 1 ZPO –  Formnichtige Schiedsabrede, „Schriftwechsel“. Meistbegünstigungsgrundsatz
1. Die in Art. II UNÜ vorgeschriebene Form muß auch in der Einredesituation des § 1032 Abs. 1 gewahrt sein, wenn die Schiedsabrede zu einem ausländischen Schiedsspruch im Sinne von Art. I Abs. 1 UNÜ führen kann. Ein Schriftwechsel im Sinne von Art. II Abs. 2 UNÜ liegt nicht vor, wenn die Vertragsunterlagen mit der Schiedsklausel dem Kläger nicht vom beklagten Vertragspartner, sondern von einem Dritten übersandt wurden.
2. Es kann dahinstehen, ob der Meistbegünstigungsgrundsatz (Art. VII UNÜ) so verstanden werden kann,  dass er – unter Durchbrechung einer Rückverweisung nationalen Rechts auf das UNÜ – unmittelbar auf im Vergleich zu Art. II UNÜ zurückhaltendere nationale Formvorschriften der lex fori verweist. Die Formalien des danach berufenen § 1031 Abs. 5 sind – da insoweit keine geringeren Anforderungen gelten als nach Art. II UNÜ – nicht erfüllt, wenn der Kläger als Verbraucher anzusehen ist.
3. Zustandekommen und Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung bemessen sich im Kollisionsfall nach den Regeln des deutschen Internationalen Privatrechts. Wenn die im Streitfall noch anwendbaren Art. 27 ff. EGBGB a.F. auf Grund der Rechtswahl im Vertrag der Parteien, die mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auch für die darin enthaltene Schiedsklausel gilt, zur Geltung eines ausländischen Rechts führen, der Vertrag aber ein Verbrauchervertrag ist, richtet sich die Form gemäß Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3 S. 2 EGBGB nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Klägers, einschließlich des Deliktsrechts.
BGH Urt.v. 3.5.2011 – XI ZR 373/08; WM (Wertpapier-Mitteilungen) 2011, 1465 = RKS A 1 Nr. 199
Aus dem Sachverhalt:
Der Kläger, ein Deutscher mit Wohnsitz in Deutschland, verlangt von dem beklagten US-amerikanischen Broker Schadensersatz wegen Verlusten aus Aktienoperationsgeschäften. Der Beklagte bietet auch Privatkunden Clearing-Dienste für den Handel mit Derivaten an.  Privatkunden können über Vermittler Handelsaufträge einreichen, die vom Beklagten abgewickelt werden. Einer dieser Vermittler war G. Er. warb den Kläger für über den Bekl.  abzuschließende Optionsgeschäfte . Der Kläger und G. schlossen einen Geschäftsbesorgungsvertrag und am 13./17.1. 2000 einen formularmäßigen Schiedsvertrag, der unter Nr. 3 folgende Klausel enthält: „Einbeziehung von Mitarbeitern. Diese Schiedsvereinbarung gilt auch für sämtliche Ansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, die der Kunde gegen Erfüllungsgehilfen (Geschäftsführer, Angestellte bzw. Mitarbeiter) und Organe des Vermittlers und sonstige auf dessen Seite eingeschaltete Dritte im Zusammenhang bzw. aus Anlass des Vertrages geltend macht, falls der betroffene Angestellte, Mitarbeiter oder Dritte der Entscheidung durch das Schiedsgericht zustimmt.“
Ferner schloss der Kläger mit dem Bekl. ein „Crash and Margin Agreement“, das in Nr. 20 die Geltung des Rechts des Staates N. vorsieht und in Nr. 29 ebenfalls eine Schiedsvereinbarung enthält.
Aus den Gründen:
Der Kläger nimmt die Beklagte nicht im Zusammenhang bzw. aus Anlass seines Vertrages mit G. in Anspruch. Er macht vielmehr geltend, die Beklagte habe sich vorsätzlich an seiner  sittenwidrigen Schädigung durch G beteiligt. Die tatsächlichen Voraussetzungen eines hierauf gestützten Anspruchs stehen im Zusammenhang mit dem tatsächlichen Verhalten der Beklagten und G, ihrer Geschäftsbeziehung und dem zwischen ihnen geschlossenen Rahmenvertrag, nicht aber mit dem Vertrag zwischen dem Kläger und G. 
Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht die Schiedsklausel in Nr. 29 des Agreements entgegen. Sie ist formungültig.
1. Die Schiedsklausel erfüllt nicht die in Art. II UNÜ vorgeschriebene Form, die auch in der hier gegebenen Einredesituation des § 1032 Abs. 1 ZPO gewahrt sein muss, wenn die Schiedsabrede wie hier zu einem ausländischen Schiedsspruch im Sinne von Art. I  Abs. 1 UNÜ führen kann (Senatsurteil vom 8.6.2010 WM 2010, 2032 = RKS A 1 Nr. 189). Die erste Schriftformalternative – Vereinbarung – ist nicht erfüllt, weil das Agreement nur vom Kläger unterzeichnet, also nicht beiderseitig ist (vgl. Senatsurteil vom 8.6. aaO). Ein Schriftwechsel i.S.d. Art.II Abs. 2 Alt. 2 UNÜ liegt nicht vor, weil dem Kläger die zur Durchführung der Optionsgeschäfte erforderlichen Vertragsunterlagen von G und nicht von der Beklagten übersandt worden sind.
Der Kläger verhält sich nicht widersprüchlich, indem er sich auf die Formungültigkeit der Schiedsklausel beruft. Dabei kann dahinstehen, ob das Verbot widersprüchlichen Verhaltens dem UNÜ inhärent ist. Denn dem Kl. kann schon deshalb kein widersprüchliches Verhalten vorgeworfen werden, weil die Bekl. sich selbst widersprüchlich verhalten hat. Sie stützt ihre Schiedseinrede auf zwei verschiedene Schiedsabreden, die Schiedsverfahren vor verschiedenen Schiedsgerichten nach verschiedenen Verfahrensordnungen vorsehen.
2. Die Schiedsvereinbarung genügt auch nicht den Formvorschriften des nationalen Rechts, deren Anwendung über den Meistbegünstigungsgrundsatz (Art. VII UNÜ) (Art. VII UNÜ) eröffnet ist.
Dabei kann dahinstehen, ob der Meistbegünstigungsgrundsatz so verstanden werden könnte, dass er – unter Durchbrechung einer Rückverweisung nationalen Rechts auf das UNÜ – unmittelbar auf im Vergleich zu Art. II UNÜ zurückhaltendere nationale Formvorschriften der lex fori verweist (vgl. dazu BGH Beschl.v. 21.9.2005 WM 2005, 2203 m.w.N.). Denn die Formalien des danach berufenen § 1031 Abs. 5 ZPO sind nicht erfüllt, da insoweit keine geringeren Anforderungen gelten als nach Art. II UNÜ (vgl. Zöller/Geimer ZPO 28.Aufl. § 1031 Rdnr. 5).
§ 1031 Abs. 5 ZPO ist anwendbar, weil der Kläger als Verbraucher anzusehen ist (wird ausgeführt). Auch Formvorschriften des auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Rechts, das – ebenso wie die zu seiner Ermittlung berufenen nationalen Kollisionsregeln – von der über den Meistbegünstigungsgrundsatz gebotenen Anwendung schiedsfreundlicheren nationalen Rechts umfasst wird (BGH Beschl.v.21.9.2006 WM 2005, 2201, 2203), sind nicht eingehalten.
3. Zustandekommen und Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung bemessen sich im Kollisionsfall nach den Regeln des deutschen Internationalen Privatrechts (BGH 28.11.1963 = BGHZ 40, 320, 322 f. = WM 1964,321). Die danach im Streitfall zeitlich noch anwendbaren Art. 27ff. EGBGB a.F. (BGH Beschl.v. 21.9.2005 = WM 2005, 2201, 2203) führen auf Grund der Rechtswahl in Nr. 20 des Agreements, die mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auch für die darin enthaltene Schiedsklausel gilt (BGH Urteile vom 28.11.1963 aaO. und vom 12.2.1976 = WM 1976, 435, 437; Kröll NJW 2007, 743, 749 m.w.N.)  grundsätzlich zur Geltung des Rechts des Staates New York (Art.27 Abs. 1 EGBGB a.F.). Die zu wahrende Form richtet sich aber, da ein Verbrauchervertrag vorliegt, gemäß Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 und 2,  Abs. 3 S. 2 EGBGB a.F. nach dem Recht des Staates, in dem der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt  hat, d.h. nach deutschem Recht. Die Form des § 1031 Abs. 5  ist aber, wie dargelegt, nicht gewahrt. Art. 29 EGBGB a.F. ist nicht durch Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB a.F. ausgeschlossen, weil die Beklagte nach dem maßgeblichen Vertragsinhalt Geldleistungen, d.h. etwaige Gewinne, in den gewöhnlichen Aufenthaltsstaat des Klägers zu übermitteln hatte (vgl. Senatsurteile vom 8.6.2010 = WM 2010,2025  m.w.N. = RKS A 1 Nr. 189 und vom 25.1.2011 WM 2011, 645 = RKS A 1 Nr. 192).