Recht und Steuern

A 1 Nr. 197

§§ 248 Abs. 1 S. 1, 249 Abs. 1 S. 1 AktG, § 138 BGB, § 1040 Abs. 3 ZPO – Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten im Gesellschaftsrecht. Anforderungen an die Schiedsklausel und an das schiedsgerichtliche Verfahren
Beschlussmängelstreitigkeiten sind auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung der Wirkungen der §§ 248 Abs. 1 S. 1, 249 Abs. 1 S. 1 AktG grundsätzlich schiedsfähig, sofern und soweit das schiedsrichterliche Verfahren in einer dem Rechtsschutz durch staatliche Gerichte gleichwertigen Weise ausgestaltet ist, d.h. unter Einhaltung eines aus dem Rechtsstaatprinzip folgenden Mindeststandards an Mitwirkungsrechten und damit an Rechtsschutzgewährung für alle ihr unterworfenen Gesellschafter. Die mit einer Schiedsklausel getroffene Anordnung des schiedsrichterlichen Verfahrens muss sich dabei am Maßstab des § 138 BGB messen lassen und folgende Mindestanforderungen erfüllen:
  • Die Schiedsabrede muss grundsätzlich mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter in der Satzung verankert oder außerhalb der Satzung unter Mitwirkung sämtlicher Gesellschafter und der Gesellschaft vereinbart sein. 
  • Jeder Gesellschafter muss – neben den Gesellschaftsorganen – über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens informiert und dadurch in die Lage versetzt werden , dem Verfahren zumindest als Nebenintervenient beizutreten.
  • Sämtliche Gesellschafter müssen an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, sofern nicht die Auswahl durch eine neutrale Stelle erfolgt.
  • Es muss gewährleistet sein, dass alle denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelstreitigkeiten bei ein und demselben Schiedsgericht konzentriert werden.
OLG Frankfurt a.M. Beschl.v. 9.9.2010 – 26 SchH 4/10; NZG 2011, 629 = RKS A 1 Nr. 197

Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin (ASt) wendet sich gegen einen Zwischenentscheid des von der Antragsgegnerin (AGg) angerufenen Schiedsgerichts, mit dem es seine Zuständigkeit bejaht hat. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beschlüssen, die auf der Gesellschafterversammlung der ASt. am 18.5.2009 gefasst wurden. Die Gesellschafterversammlung hatte die Einziehung der Gesellschaftsbeteiligung der AGg. beschlossen. Hiergegen wandte sich die AGg. mit ihrer an das Ständige Schiedsgericht bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt a.M. gerichteten Schiedsklage vom 20.7.2009. Sie stützt sich dabei auf die in Abschnitt XX Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der ASt. vereinbarte Schiedsvereinbarung:
„Alle Rechtsstreitigkeiten, die sich aus diesem Vertrag einschließlich dessen Gültigkeit ergeben, sollen unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges durch das Ständige Schiedsgericht bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt a.M. endgültig entschieden werden.“
Die ASt. hat unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 6.4.2009 BGHZ 180, 221= RKS A 1 Nr. 176 die mangelnde Zuständigkeit des Schiedsgerichts gerügt, weil die streitgegenständliche Schiedsklausel nicht den in dieser Entscheidung aufgestellten Wirksamkeitsanforderungen genüge. Das Schiedsgericht hatte mit Beschluss vom 19.3.2010 seine Zuständigkeit bejaht. Der Antrag der ASt. auf Feststellung der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts hatte Erfolg.
Aus den Gründen:
Der zulässige und fristgerecht erhobene Antrag ist auch begründet, weil das Schiedsgericht zu Unrecht seine Zuständigkeit angenommen hat. Das Schiedsgericht ist nicht zuständig, weil XX Abs.2 des Gesellschaftsvertrages keine Beschlussmängelstreitigkeiten wirksam einschließende Schiedsvereinbarung enthält.
Nach der Entscheidung des BGH vom 6.4.2009 („Schiedsfähigkeit II“ – BGHZ 180, 221 = NZG 2009, 620 = NJW 2009, 1962 = Betriebs-Berater 2009, 1260 = Der Betrieb 2009, 1171 = RKS A1 Nr. 176) sind Beschlussmängelstreitigkeiten auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung der  Wirkungen der §§ 248 I 1, 249 I 1 AktG grundsätzlich schiedsfähig, sofern und soweit das schiedsrichterliche Verfahren in einer dem Rechtsschutz durch staatliche Gerichte gleichwertigen Weise ausgestaltet ist, d.h. unter Einhaltung eines aus dem Rechtsstaatprinzip folgenden Mindeststandards an Mitwirkungsrechten und damit an Rechtsschutzgewährung für alle ihr unterworfenen Gesellschafter. Die mit einer Schiedsklausel getroffene Anordnung des schiedsrichterlichen Verfahrens muss sich dabei am Maßstab des § 138 BGB messen lassen und folgende Mindestanforderungen erfüllen:
Die Schiedsabrede muss grundsätzlich mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter in der Satzung verankert sein; alternativ reicht eine außerhalb der Satzung unter Mitwirkung sämtlicher Gesellschafter und der Gesellschaft getroffene Absprache aus. Jeder Gesellschafter muss – neben den Gesellschaftsorganen – über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens informiert und dadurch in die Lage versetzt werden, dem Verfahren zumindest als Nebenintervenient beizutreten. Sämtliche Gesellschafter müssen an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, sofern nicht die Auswahl durch eine neutrale Stelle erfolgt. Schließlich muss gewährleistet sein, dass alle denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelstreitigkeiten bei ein und demselben Schiedsgericht konzentriert werden (vgl. BGH 6.4.2009 aaO. = RKS A 1 Nr. 176).
Diesen Vorgaben entspricht die hier streitgegenständliche Klausel nicht vollends. So enthält die Schiedsvereinbarung schon keine – zur Sicherung der Beteiligungsmöglichkeit für sämtliche Gesellschafter unerlässliche – Bestimmung dahingehend, dass der verfahrenseinleitende Antrag ohne Festlegung des ASt. auf einen Schiedsrichter bei der Gesellschaft einzureichen und von dort aus sämtlichen Mitgesellschaftern mit der Aufforderung zuzustellen sei, in einer bestimmten Frist über den Beitritt auf Seiten des ASt. oder der Gesellschaft zu entscheiden. Eine entsprechende Regelung findet sich auch nicht in der Schiedsordnung der Rechtsanwaltskammer Frankfurt a.M., die durch die Bestimmung des Ständigen Schiedsgerichts dieser Institution auch für die Parteien verbindlich geworden ist. Dieser Mangel wird auch nicht dadurch geheilt, dass im konkreten Fall die Beteiligung der Gesellschaft und aller Gesellschafter durch die konkrete Verfahrensweise gewährleistet war. Maßgeblich ist allein, dass eine gesellschaftsvertragliche Klausel im GmbH-Recht objektiv auszulegen ist. Die Sittenwidrigkeit einer Schiedsklausel ist – wie die anderer Rechtsgeschäfte – nach den Verhältnissen im Zeitpunkt ihrer Einführung in den Gesellschaftsvertrag zu beurteilen und nicht nach den Verhältnissen im Zeitpunkt, in dem sie ihre Rechtswirkungen entfaltet. Ob eine Schiedsklausel wirksam ist oder nicht und damit die Schiedseinrede eröffnet ist oder nicht, darf nicht nachträglich von Fall zu Fall entschieden werden. Entscheidend ist, ob die Klausel selbst eine entsprechende Vorgehensweise vorsieht (BGH 6.4.2009 aaO. = RKS A 1 Nr. 176; OVG Bremen SchiedsVZ 2009, 338), was hier nicht der Fall ist.
Lückenhaft ist die Schiedsklausel auch insoweit, als sie eine Einflussnahme aller von der Rechtskraft eines Schiedsspruchs nach §§ 248 I 1, 249 I 1 AktG potentiell Betroffenen auf die Besetzung des Schiedsgerichts nicht sichert. Diese Sicherung ist aber als Kompensation für den Verlust des unabhängigen staatlichen Richters als Entscheidungsträger unverzichtbar. Die Schiedsklausel verfehlt diese Sicherung, weil sie die Bestimmung der Partei-Schiedsrichter nicht von einer Vorabunterrichtung sämtlicher Gesellschafter abhängig macht. Zwar wird die Auswahl der Schiedsrichter durch die Vereinbarung der Zuständigkeit des Ständigen Schiedsgerichts bei der RA-Kammer Frankfurt und die damit verbundene Geltung der maßgeblichen Schiedsordnung dieses Schiedsgerichts zunächst einer neutralen Stelle übertragen (§ 2 der Schiedsordnung). Darin erschöpft sich diese Regelung indes nicht, da nach dieser Vorschrift die Parteien auch berechtigt sind, selbst einen Schiedsrichter zu benennen. Für diese Konstellation fehlt aber eine Verpflichtung zur Vorabunterrichtung sämtlicher Gesellschafter. Dieser Mangel kann aus den oben dargelegten Gründen auch nicht dadurch geheilt werden, dass es den Gesellschaftern möglicherweise auf Grund ihrer Treuepflichten verwehrt ist, von dieser Möglichkeit der Schiedsrichterstellung Gebrauch zu machen. Insoweit kommt es allein darauf an, ob die Klausel für sich genommen die geforderte Verfahrensweise sicherstellt.Damit bleibt schon aus den vorstehend dargelegten Gründen die hier maßgebliche Schiedsklausel so weit hinter dem Standard eines Verfahrens vor den staatlichen Gerichten zurück, dass sie am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB scheitert. Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht darauf an, ob die Klausel in ausreichendem Maße gewährleistet, dass alle denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelstreitigkeiten bei einem Schiedsgericht konzentriert werden.
Schließlich ist es der ASt. auch nicht unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Treuepflicht bzw. allgemein nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Schiedsklausel zu berufen.
Zwar wird in der Literatur die Ansicht vertreten, die Gesellschafter seien, sofern der Gesellschaftsvertrag eine unwirksame, weil lückenhafte Schiedsklausel enthalte, aus dem Gesichtspunkt der gesellschafterlichen Treuepflicht gehalten, die Schiedsklausel anzupassen (vgl. die Nachweise bei BGH 6.4.2009 aaO. = RKS A 1 Nr. 176). Ungeachtet der Frage, ob dieser Auffassung zu folgen ist, kann eine etwaige Verpflichtung der ASt., an einer Anpassung der unwirksamen Schiedsklausel mitzuwirken, aber nicht dazu führen, im Rahmen eines bereits rechtshängigen Prozesses einer lückenhaften Vereinbarung zum Erfolg zu verhelfen (vgl. BGH 6.4.2009 aaO. = RKS A 1 Nr. 176).
Darüber hinaus kann ein Verstoß gegen Treu und Glauben im Zusammenhang mit der Erhebung einer Schiedseinrede nach der ständigen Rechtsprechung des BGH vorliegen, wenn eine Partei, die vor dem staatlichen Gericht mit Erfolg die Einrede des Schiedsverfahrens erhoben hat bzw. im schiedsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht hat, nicht das Schiedsgericht, sondern das ordentliche Gericht sei zuständig, sich in dem späteren Verfahren darauf beruft, es sei doch die andere Verfahrensart zu wählen gewesen (vgl. etwa BGHZ 50, 191 = NJW 1968, 1928; BGH NJW-RR 2009, 1582 = RKS A 1 Nr. 179). Ein solch widersprüchliches Verhalten der ASt. ist hier jedoch nicht festzustellen; es hat zwischen den Parteien noch kein anderweitiges Verfahren stattgefunden, in dem sich die ASt. im Gegensatz zum Vorbringen in dieser Sache auf die Wirksamkeit der Schiedsklausel berufen hat.
Bei dieser Sachlage war der angefochtene Zwischenbescheid des Schiedsgerichts aufzuheben und dem Feststellungsbegehren der ASt. zu entsprechen.