Recht und Steuern

A 1 Nr. 195

Schiedsvereinbarung im Anwalts-Sozietätsvertrag ohne gesonderten Schiedsvertrag
Haben Rechtsanwälte in ihrem Sozietätsvertrag vereinbart, Streitigkeiten aus dem Vertrag vor einem Schiedsgericht auszutragen, kann die Einrede des Schiedsvertrages in der Regel auch erhoben werden, wenn der vorgesehene Abschluss eines gesonderten Schiedsvertrages unterblieben ist.
Kammergericht Berlin Urt.v. 28.4.2011 – 23 U 33/11; Betriebs-Berater 2011, 1538 Volltext BB-Online BBL2011-1538-6 = RKS A 1 Nr. 195
Die Parteien haben in § 14 Nr. 2 S. 1 des Sozietätsvertrags (im Folgenden: SV) bereits eine Einigung darüber erzielt, dass Streitigkeiten nicht von dem staatlichen Gericht, sondern von einem Schiedsgericht entschieden werden sollen, § ZPO § 1029 ZPO. Diese Vereinbarung ist ausreichend (Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 1029 Rdnr. 28). Sie ist zudem formwirksam getroffen worden, § ZPO § 1031 ZPO § 1031 Absatz V ZPO, denn der Bekl. ist kein Verbraucher, § BGB § 13 BGB. Das Fehlen des in § 14 Nr. 2 S. 2 SV in Aussicht genommenen Schiedsvertrags ist unschädlich (Senat, Hinweisverfügung v. 5. 11. 2009 – BGH 20091105 Aktenzeichen 23 U 169/09; KG, NJW 2008, NJW Jahr 2008 Seite 2719; Urt. v. 12. 12. 2006 – 20061212 Aktenzeichen 14 U 6/06; Kröll, SchiedsVZ 2008, SCHIEDSVZ Jahr 2008 Seite 62; a. A. OLG Hamm, AG 2007, AG Jahr 2007 Seite 910 = BeckRS 2007, BECKRS Jahr 15564; der der Entscheidung OLG Köln, MDR 2006, MDR Jahr 2006 Seite 201 = BeckRS 2005, BECKRS Jahr 8961, zu Grunde liegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar). Zwar ist gem. § BGB § 154 BGB § 154 Absatz I 1 BGB, solange die Parteien sich nicht über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen. Diese Bestimmung ist als Auslegungsregel indes unanwendbar, wenn die Parteien sich trotz der noch offenen Punkte erkennbar vertraglich binden wollten (Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 154 Rdnr. 2). Solches ist für den Sozietätsvertrag anzunehmen; insbesondere haben die Parteien mit der Durchführung des unvollständigen Vertrags begonnen (BGH, NJW 2002, NJW Jahr 2002 Seite 817). Regelungslücken sind durch Heranziehung des dispositiven Rechts zu schließen (Palandt/Ellenberger, § 154 Rdnr. 2; BGHZ 41, BGHZ Band 41 Seite 271 [BGHZ Band 41 Seite 275 f.] = NJW 1964, NJW Jahr 1964 Seite 1617). Die Neufassung des Schiedsverfahrens vom 22. 12. 1997 (BGBl I, 3224) enthält eine umfassende und daher hinreichende gesetzliche Regelung (Zöller/Geimer, § 1029 Rdnrn. 11, 31). Zu demselben Ergebnis würde eine für den Fall des Fehlens einer gesetzlichen Regelung gebotene ergänzende Vertragsauslegung (Palandt/Ellenberger, § 154 Rdnr. 2) führen. Die Parteien haben sich in § 14 Nr. 3 S. 2 SV gegenseitig zur strengsten Verschwiegenheit in allen beruflichen und persönlichen Angelegenheiten verpflichtet, soweit ihnen solche anlässlich der gemeinsamen Berufsausübung oder bei Gelegenheit auf Grund gemeinsamer räumlicher Beziehung bekannt geworden sind. Es kam ihnen daher erkennbar und unter Angehörigen ihres Berufsstands weit verbreitet darauf an, die Vorteile des Schiedsverfahrens zu nutzen, hier insbesondere die Nichtöffentlichkeit der mündlichen Verhandlung. Es kann daher nicht angenommen werden, dass die Parteien hierauf und auf die Schnelligkeit und die geringeren Kosten des Verfahrens vor dem Schiedsgericht verzichtet hätten, wenn sie gewusst hätten, dass eine Vereinbarung etwa über die Zahl der Schiedsrichter und das Recht, solche zu benennen, nicht mehr getroffen werden würde.