Recht und Steuern

A 1 Nr. 193

§§ 305 ff. BGB, § 1032 Abs. 1 ZPO – Auslegung einer Schiedsabrede. Zeitliche und inhaltliche Anforderungen an eine Schiedseinrede.
1. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind. Zweifel bei der Auslegung gehen zu Lasten des Verwenders. Dies gilt auch für Schiedsabreden.
2. Die Einrede des Schiedsvertrages ist an keine Form gebunden. Es genügt, dass der Beklagte vor Beginn der mündlichen Verhandlung seinen Willen hinreichend zum Ausdruck bringt, dass die Sachentscheidung nicht von dem angerufenen staatlichen Gericht, sondern von einem Schiedsgericht getroffen werden soll. Erforderlich ist aber, dass der Beklagte bei der Erhebung der Schiedseinrede die Schiedsvereinbarung, auf die er die Einrede stützen will, konkret bezeichnet. Nur dann kann das staatliche Gericht, entsprechend dem Regelungszweck des § 1032 Abs. 1 ZPO, vor der Befassung mit der Begründetheit der Klage prüfen, ob die Schiedsvereinbarung seiner Zuständigkeit entgegensteht oder ob sie nichtig, unwirksam oder undurchführbar i.S.d. § 1032 Abs. 1 ZPO ist.
BGH, Urt. v. 8.2.2011 – XI ZR 168/08; WM Wertpapier-Mitteilungen, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2011, 650 = Betriebs-Berater 2011, 1043 = RKS A 1 Nr. 193.
Aus dem Sachverhalt:
Der Kläger, ein Deutscher mit Wohnsitz in Deutschland, verlangt von dem beklagten US-amerikanischen Broker Schadensersatz wegen Verlusten aus Aktienoperationsgeschäften. Der Beklagte bietet auch Privatkunden Clearing-Dienste für den Handel mit Derivaten an. Privatkunden können über Vermittler Handelsaufträge einreichen, die vom Beklagten abgewickelt werden. Einer dieser Vermittler war G. Er. warb den Kläger für über den Bekl. abzuschließende Optionsgeschäfte .Der Kläger und G. schlossen einen Geschäftsbesorgungsvertrag und am 13./17.1. 2000 einen formularmäßigen Schiedsvertrag, der unter Nr. 3 folgende Klausel enthält:
Einbeziehung von Mitarbeitern. Diese Schiedsvereinbarung gilt auch für sämtliche Ansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, die der Kunde gegen Erfüllungsgehilfen (Geschäftsführer, Angestellte bzw. Mitarbeiter) und Organe des Vermittlers und sonstige auf dessen Seite eingeschaltete Dritte im Zusammenhang bzw. aus Anlass des Vertrages geltend macht, falls der betroffene Angestellte, Mitarbeiter oder Dritte der Entscheidung durch das Schiedsgericht zustimmt.“
Ferner schloss der Kläger mit dem Bekl. ein „Crash and Margin Agreement“, das in Nr. 20 die Geltung des Rechts des Staates N. vorsieht und in Nr. 29 ebenfalls eine Schiedsvereinbarung enthält.
Das Berufungsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Bekl. den Klageabweisungsantrag weiter.
Aus den Gründen:
1. Das Berufungsgericht ist zu Recht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Es hat die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende (BGH 28.11.2002 BGHZ 153, 82, 84ff. = WM 2003, 2206, vom 9.7.2009 BGHZ 182, 24 = WM 1981, 1273 Rdn.9, vom 9.3.2010 BGHZ 184, 365 = WM 2010, 749 Rdn. 17 = RKS A 1 Nr. 190 und vom 23.3.2010 = WM 2010, 928 Rdn. 8 jeweils m.w.N.) internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Klage rechtsfehlerfrei bejaht. Nach dem für die Zuständigkeitsprüfung maßgeblichen Vortrag des Klägers ist der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß der hier anwendbaren Regelung des § 32 ZPO gegeben, weil der Haupttäter, dem der Beklagte Beihilfe geleistet haben soll, in Deutschland gehandelt hat (vgl. Senatsurteile vom 9.3.2010 BGHZ 184, 365 = WM 2010, 749 Rdn. 18 = RKS A 1 Nr. 190, vom 8.6.2010 WM 2010, 2025 Rdn. 17 und 2032 Rdn. 17 = RKS A 1 Nr. 189).
Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, der Bekl. könne sich nicht auf die zwischen dem Kläger und G. getroffene Schiedsabrede berufen, weil er nicht zu dem in Nr. 3 der Abrede genannten Personenkreis gehöre.
Ob der Bekl. von der genannten Formularklausel erfasst wird, ist durch Auslegung zu ermitteln, die der Senat wegen der Verwendung der Klausel über den Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus selbst vornehmen kann (vgl. BGH Urteile vom 5.7.2005 BGHZ 163, 321, 323 = WM 2005, 1768, vom 16.6.2002009 BGHZ 181, 278 WM 2009, 1643 Rdn. 20 und vom 29.6.2010 BGHZ 186, 96 = WM 2010, 1451 Rdn. 28). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl. Urteile vom 29.4.2008 BGHZ 176, 244 = WM 2008, 1465 Rdn. 19, vom 21.4.2009 BGHZ 180, 257 = WM 2009, 1077 Rdn. 11 und vom 28.4.2009 = WM 2009, 1180 Rdn. 21). Zweifel bei der Auslegung gehen nach § 305c Abs. 2 BGB (früher § 5 AGBG) zu Lasten des Verwenders. Außer Betracht bleiben dabei nur solche Verwendungsmöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fern liegend und nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sind (BGH 30.10.2002 BGHZ 152, 262, 265 und vom 21.4.2009 BGHZ 180, 257 = WM 2009, 1077 Rdn. 11 m.w.N.).
Die Auslegung von Nr. 3 der Schiedsabrede ergibt, dass der Bekl. nicht in die Schiedsabrede zwischen dem Kläger und G. einbezogen war. Er gehörte nicht zu den Erfüllungsgehilfen des G. Er ist auch kein sonstiger auf Seiten des G. eingeschalteter Dritter, gegen den ein Anspruch im Zusammenhang bzw. aus Anlass des Vertrages zwischen dem Kläger und G. geltend gemacht wird. Der Bekl. ist nicht auf Seiten des G. eingeschaltet worden. G. hatte dem Bekl. vielmehr auf Grund des Rahmenvertrages vom 18.3.1998 Kunden zu vermitteln, mit denen der Bekl. selbständige Verträge schloss, durch die er eigene vertragliche Verpflichtungen gegenüber den Kunden (Einrichtung und Führung eines Kontos, Durchführung der Optionsgeschäfte, Abrechnung der Gebühren) einging. Bei der Erfüllung seiner Vertragspflichten hatte er die Interessen seiner Kunden zu wahren und stand nicht auf Seiten des G.
Der Kl. nimmt den Bekl. auch nicht im Zusammenhang bzw. aus Anlass seines Vertrages mit G. in Anspruch. Er macht vielmehr geltend, der Bekl. habe sich vorsätzlich an seiner sittenwidrigen Schädigung durch G. beteiligt. Die tatsächlichen Voraussetzungen eines hierauf gestützten Anspruchs stehen im Zusammenhang mit dem tatsächlichen Verhalten des Bekl. und des G., ihrer Geschäftsbesorgung und dem zwischen ihnen geschlossenen Rahmenvertrag vom 18.3.1998, nicht aber mit dem Vertrag zwischen dem Kl. und G.
Im Übrigen ist kein Interesse der Parteien und des G. ersichtlich, den in C. ansässigen Bekl. in die Schiedsabrede vom 13./17.1. 2000 einzubeziehen, die in Nr. 9 die Geltung der DIS-Schiedsgerichtsordnung vorsieht. Der Bekl. selbst hatte mit dem Kl. in dem „Agreement“ eine Schiedsabrede getroffen, nach der der Federal Arbitration Act und die Gesetze des Staates N. anzuwenden waren.
Die vorstehende Auslegung nimmt der Klausel, soweit sie Ansprüche gegen Dritte betrifft, nicht jeden Anwendungsbereich. Als Dritte kommen z.B. Verrichtungsgehilfen des G. im Sinne des § 831 Abs. 1 BGB und Untervermittler in Betracht. Selbst wenn der Klausel nicht eindeutig zu entnehmen wäre, dass der Bekl. nicht als Dritter anzusehen ist, gingen etwaige Zweifel gemäß § 305c Abs. 2 BGB (früher § 5 AGBG) zu Lasten des Verwenders und des Beklagten.
2. Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht die in Nr. 29 des „Agreements“ enthaltene Schiedsklausel entgegen. In diesem Zusammenhang bedarf keiner Entscheidung, ob die Auffassung des Berufungsgerichts, diese Klausel erfasse nicht die mit der Klage geltend gemachten deliktischen Schadensersatzansprüche, rechtlicher Überprüfung standhält. Jedenfalls hat der Bekl. eine auf diese Klausel gestützte Schiedseinrede nicht vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache erhoben (§ 1032 Abs. 1 ZPO).
Die Einrede des Schiedsvertrages ist an keine Form gebunden. Es genügt, dass der Bekl. seinen Willen hinreichend zum Ausdruck bringt, dass die Sachentscheidung nicht von dem angerufenen staatlichen Gericht, sondern von einem Schiedsgericht getroffen werden soll (Senat 13.1.2009 WM 2009, 402 Rdn. 30 = RKS A 4 b Nr. 48). Erforderlich ist aber, dass der Bekl. bei der Erhebung der Schiedseinrede die Schiedsvereinbarung, auf die er die Einrede stützen will, konkret bezeichnet. Nur dann kann das staatliche Gericht, entsprechend dem Regelungszweck des § 1032 Abs. 1 ZPO, vor der Befassung mit der Begründetheit der Klage prüfen, ob die Schiedsvereinbarung seiner Zuständigkeit entgegensteht oder ob sie nichtig, unwirksam oder undurchführbar i.S.d. § 1032 Abs. 1 ZPO ist. Gemessen hieran hat der Bekl. die auf Nr. 29 des Agreements gestützte Schiedseinrede nicht rechtzeitig erhoben. Er hat zwar in der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 9.1.2007 die Einrede des Schiedsvertrages erhoben, sich aber bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich auf Nr. 3 des Schiedsvertrages zwischen dem Kläger und G. berufen. Erst nach dem 9.1.2007, als der Kläger aus der Schiedsklausel des Agreements Einwände gegen die auf den Schiedsvertrag zwischen dem Kläger und G. gestützte Schiedseinrede herzuleiten versuchte, hat der Bekl. die Unzulässigkeit der Klage auch im Hinblick auf die Schiedsklausel des Agreements geltend gemacht. Dies war verspätet.