Recht und Steuern

A 1 Nr. 192

Art. II, VII UNÜ, §1031 Abs. 5 ZPO, Art. 29 Abs.3 a.F. EGBGB. Verbrauchervertrag zwischen ausländischem Broker und inländischem Wertpapier-Anleger; Schiedsvereinbarung ohne Rechtswahl, anwendbares Recht und Wirksamkeitsvoraussetzungen im Kollisionsfall; Beweislast.
Zustandekommen und Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung bestimmen sich lt. ständiger BGH-Rechtsprechung im Kollisionsfall nach dem deutschen internationalen Privatrecht. Wenn ein ausländischer Broker und ein inländischer Verbraucher in einem Vertrag über Wertpapierdienstleistungen für die Schiedsvereinbarung keine Rechtswahl getroffen haben, führen Art. 27 ff. EGBGB a.F. zur Geltung des Sachrechts des Staates, in dem der Anleger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Die danach auf Schiedsvereinbarungen anzuwendende deutsche verbraucherschützende Formvorschrift § 1031 Abs. 5 ZPO ist nicht erfüllt, wenn die Urkunde außer den das schiedsrichterliche Verfahren betreffenden auch andere Vereinbarungen enthält und nicht eigenhändig von beiden Parteien unterzeichnet wurde.
Der beklagte Broker, der sich trotzdem auf die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung berufen will, muss die der Verbrauchereigenschaft des Anlegers entgegenstehenden Umstände darlegen und beweisen.
Eine selbständige Tätigkeit z.B. als Bauingenieur steht der Verbrauchereigenschaft des Anlegers nicht entgegen, wenn er die Geschäfte zu privaten Zwecken getätigt hat. Bank- und Börsengeschäfte zwecks Pflege des eigenen Vermögens gelten grundsätzlich nicht als berufliche oder gewerbliche Tätigkeit.
BGH, Urt. v. 25. Januar 2011 – XI ZR 350/08. WM Wertpapier-Mitteilungen, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2011, 548 = RKS A 1 Nr. 192.
Die Kläger, deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in Deutschland, verlangen vom beklagten Broker mit Sitz im amerikanischen Bundesstaat N. Schadensersatz wegen Verlusten aus Aktiengeschäften an US-amerikanischen Börsen.
Aus den Gründen:
Das Berufungsgericht hat zutreffend die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Klage bejaht. Nach den im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung maßgeblichen Vortrag der Kläger ist der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß der hier anwendbaren Regelung des § 32 ZPO gegeben (vgl. Senatsurteile vom 9.3. 2010 BGHZ 184, 365 = WM 2010, 749 = RKS A 1 Nr. 190 und vom 8.6.2010 WM 2010, 2025, 2032 = RKS A 1 Nr. 189).
Der Geltendmachung eines Anspruchs wegen Beihilfe zu einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung steht auch die durch die Beklagte erhobene Einrede des Schiedsvertrages nicht entgegen. Dem Kläger zu 3 fehlt bereits die subjektive Schiedsfähigkeit, weil er nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts kein Kaufmann ist, so dass die in den Geschäftsbedingungen enthaltene Schiedsklausel, auf welche die Bekl. sich stützt, nach § 37h WpHG unverbindlich ist (vgl. Senatsurteile vom 9.3.2010 aaO. = RKS A 1 Nr. 190 und 8.6.2010 aaO. = RKS A 1 Nr. 189 jeweils m.w.N.). Ob der Kl. zu 1 Kaufmann ist, hat das Berufungsgericht offen gelassen, so dass nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag der Bekl. § 37hWpHG in Bezug auf ihn der Verbindlichkeit der Schiedsklausel nicht entgegensteht. In Bezug auf das im Jahr 2001 begründete Rechtsverhältnis des Kl. zu 2 ist der am 1.7.2002 in Kraft getretene § 37h WpHG – wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat – zeitlich noch nicht anwendbar.
Im Verhältnis zu den Kl. zu 1 und 2 ist die Schiedsklausel deswegen unwirksam, weil sie formungültig ist. Wie der Senat bereits zu einer vergleichbaren von der Bekl. verwendeten Schiedsklausel entschieden und im Einzelnen begründet hat, wahrt sie die Schriftform des Art. II UNÜ nicht (vgl. Senatsurteile vom 8.6.2010 aaO. = RKS A 1 Nr. 189 m.w.N.). Schließlich genügt die Schiedsklausel auch nicht den Formvorschriften des deutschen Rechts (§ 1031 Abs. 5 ZPO), dessen Anwendung hier über den Meistbegünstigungsgrundsatz (Art. VII UNÜ) eröffnet ist.
Zustandekommen und Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung bemessen sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH im Kollisionsfall nach den Regeln des deutschen internationalen Privatrechts (BGH Urteile vom 28.11.1963 = BGH 40, 320, 322 f = WM 1964, 321; vom 29.2.1968 = BGHZ 49, 384, 386 = WM 1986, 689; Senatsurteile vom 8.6.2010 aaO. = RKS A 1 Nr. 189). Die danach im Streitfall zeitlich noch anwendbaren Art. 27 ff. EGBGB a.F.(vgl. BGH Beschl.v. 21.9.2005 = WM 2005, 2201, 2203 = RKS A 4 a Nr. 78) führen in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem für die Schiedsvereinbarung keine Rechtswahl getroffen ist, zur Geltung des Sachrechts des Staates, in dem der Anleger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn die Schiedsklauseln in Verbraucherverträgen i.S.v. Art. 29 EGBGB a.F. enthalten sind (vgl. Senatsurteil v.8.6.2010 aaO. RKS A 1 Nr. 189).
Danach ist deutsches Recht anzuwenden, da die Kl. zu 1 und 2 ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland haben und es sich bei den Kontoführungsverträgen, in denen die Schiedsklausel enthalten ist, um Verbraucherverträge handelt. Die Kl. haben ausdrücklich vorgetragen, dass sie die streitgegenständlichen Geschäfte zu privaten Zwecken und damit als Verbraucher getätigt haben. Demgegenüber haben die in der Einredesituation für das wirksame Zustandekommen der Schiedsvereinbarung darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (vgl. Senatsurteil vom 9.3.2010 = BGHZ 184, 365 = WM 2010, 749 = RKS A 1 Nr. 190) keine der Verbrauchereigenschaft der Kl. zu 1 und 2 entgegenstehenden Umstände dargelegt. Der allgemeine Hinweis auf eine „selbständige“ Tätigkeit dieser Kläger bzw. der Tätigkeit des Kl. zu 2 als Bauingenieur stehen der Verbrauchereigenschaft schon deswegen nicht entgegen, weil Bank- und Börsengeschäfte, die der Pflege des eigenen Vermögens dienen, grundsätzlich nicht als berufliche oder gewerbliche Tätigkeit gelten (vgl. Senatsurteile vom 23.10.2001 = BGHZ 149, 80, 86 = WM 2001, 2379 und vom 8.6.2010 aaO. = RKS A 1 Nr. 189; OLG Frankfurt WM 2009, 718, 719; Reithmann/Martiny/Mankowski Internationales Vertragsrecht 7. Aufl. RD-Nr. 2351; Staudinger/Magnus BGB [2002], Art. 29 EGBGB Rd-Nr. 33).
Art. 29 (Abs. 1 – 3) EGBGB a.F. ist vorliegend nicht durch Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB a.F. ausgeschlossen. Die Bekl. hatte nach dem maßgeblichen Vertragsinhalt Geldleistungen – etwaige Gewinne oder bei Vertragsende auf dem Transaktionskonto vorhandene Anlagegelder – in den gewöhnlichen Aufenthaltsstaat der Anleger zu übermitteln, so dass es sich bei dem Kontoführungsvertrag nicht um einen ganz in einem anderen Staat als dem gewöhnlichen Aufenthaltsstaat der Kläger abzuwickelnden Dienstleistungsvertrag im Sinne von Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB a.F. handelt (vgl. Senatsurteil vom 8.6.2010 aaO. = RKS A 1 Nr. 189).
Da Verträge deutscher Verbraucher vorliegen, sind auf Grund der besonderen Kollisionsnormen des Art. 29 Abs. 3 S. 2 EGBGB a.F. (vgl. dazu PWW/Remien, BGB 5. Aufl. ex Art. 29 EGBGB Rd-Nr. 24 m.w.N.) die Formvorschriften des deutschen Rechts maßgeblich. Die Voraussetzungen der danach auf Schiedsabreden anwendbaren strengen – den Verbraucherschutz betonenden – Formvorschrift des § 1031 Abs. 5 ZPO sind nicht erfüllt. Die Urkunden, in denen sich die Schiedsabreden befinden, enthalten auch andere Vereinbarungen, die sich nicht auf das schiedsgerichtliche Verfahren beziehen, und sind auch nicht eigenhändig von beiden Vertragsparteien unterzeichnet worden.