Recht und Steuern

A 1 Nr. 189

Art. II Abs. 1, Art. VII UNÜ, § 37hWpHG, Art. 27ff. EGBGB a.F.,§ 1031 Abs. 5 ZPO – Formerfordernis für Schiedsabreden über Streitigkeiten aus internationalen Wertpapier- und Finanztermingeschäften. Anwendbares Recht, Kaufmannseigenschaft, Verbraucherverträge, Meistbegünstigungsgrundsatz
1. § 37h WpHG  Schiedsvereinbarungen über künftige Rechtsstreitigkeiten aus Wertpapierdienstleistungen und Finanztermingeschäften sind nur verbindlich, wenn beide Vertragsteile Kaufleute oder juristische Personen des öffentlichen Rechts sind  beschränkt nur die subjektive Schiedsfähigkeit und verstößt damit nicht gegen Art. II Abs. 1 UNÜ. Bezüglich der subjektiven Schiedsfähigkeit sieht das UNÜ keine autonome Regelung vor, sondern eröffnet über Art. V Abs. 1 a ausdrücklich den Rückgriff auf das für die Parteien maßgebliche persönliche Recht.
2. Wenn die im Vertragsformular der einen Partei enthaltene Schiedsabrede nicht von dieser, sondern nur von der anderen Partei unterschrieben wurde, ist das Schriftformerfordernis gem. Art. II Abs. 1 UNÜ nicht erfüllt.
3. Trotzdem kann die Abrede über den Meistbegünstigungsgrundsatz des Art. VII UNÜ formwirksam sein, wenn das auf die Schiedsabrede anwendbare Recht geringere Formanforderungen stellt und diese erfüllt sind.
4. Zustandekommen und Wirksamkeit einer Schiedsabrede bemessen sich im Kollisionsfall nach den Regeln des deutschen internationalen Privatrechts. Art. 27ff. EGBGB a.F. führen zur Geltung des Statuts des Hauptvertrages, mit dem die Schiedsabrede regelmäßig die engste Verbindung i.S.v. Art. 28 EGBGB a.F. aufweist, wenn eine ausdrücklich darauf bezogene Rechtswahl fehlt.
5. Gilt demnach deutsches Recht, so hängt gem. § 37h WpHG die Wirksamkeit der Schiedsabrede davon ab, ob beide Vertragsteile Kaufleute sind und ob – auch bei Kaufleuten – der Vertragszweck ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Bei Bank- und Börsengeschäften, die der Pflege des eigenen Vermögens dienen, trifft das nicht zu: Es liegt ein sog. Verbrauchervertrag vor. Dieser führt zur Anwendung des Rechts des gewöhnlichen Aufenthaltsstaats der Kläger (Art. 29 Abs. 1 Nr. 2 Abs. 2, Art. 35 EGBGB a.F.): Nach deutschem Recht (§ 1031 Abs. 5 ZPO) ist die Form nicht gewahrt, die Schiedsabrede ist unwirksam.
6. Der Beklagte, der sich vor dem ordentlichen Gericht auf die Schiedsklausel beruft, ist für deren Wirksamkeitsvoraussetzungen – Kaufmannseigenschaft, kein Verbrauchervertrag - darlegungs- und beweisbelastet.
BGH 8.6.2010 – XI ZR 349/08; Betriebs-Berater 2010, 2983 = ZIP 2010, 2505 = RKS A 1 Nr. 189
Aus dem Sachverhalt:
Die Kläger, Deutsche mit Wohnsitz in Deutschland, verlangen von der Beklagten, einem Brokerhaus mit Sitz im US-Bundesstaat New Jersey, Schadensersatz wegen Verlusten im Zusammenhang mit Terminoptionsgeschäften an US-amerikanischen Börsen. Sie unterzeichneten ein englischsprachiges Formular der Beklagten („Option Agreement and Approval Form“), das in Ziffer 15 seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch eine Schiedsklausel enthält. Die Beklagte selbst unterzeichnete es nicht.
Aus den Gründen:
1. Die Schiedsvereinbarung wäre unverbindlich, wenn die Kläger keine Kaufleute wären. Nach § 37h WpHG sind Schiedsvereinbarungen über künftige Rechtsstreitigkeiten aus Wertpapierdienstleistungen, Wertpapiernebendienstleistungen oder Finanztermingeschäften nur verbindlich, wenn beide Vertragsteile Kaufleute oder juristische Personen des öffentlichen Rechts sind (vgl. Senatsurteil vom 9.3.2010 – XI ZR 93/09 WM 2010, 749 Tz. 20ff = RKS A 1 Nr. 190). Das gilt auch im Anwendungsbereich des UNÜ. § 37h WpHG verstößt nicht gegen Art. II Abs. 1 UNÜ (vgl. Assmann/Schneider/Sethe WpHG 5. Aufl. 37h Rd-Nr. 36 mit Fn.6; Reithmann/Martiny/Mankowski, Internationales Vertragsrecht, 7. Aufl. Rd-Nr. 2541; Schwark/Zimmer KMRK 3. Aufl. § 37h WpHG Rd-Nr. 5, 7; a.A. Lehmann SchiedsVZ 2003, 219, 224f.; ihm folgend Jordans Schiedsgerichte bei Termingeschäften und Anlegerschutz S. 263 ff, 267; Iffland Börsenschiedsgerichtsbarkeit in Deutschland und Russland S. 183 f.). § 37h WpHG enthält eine Beschränkung nur der subjektiven Schiedsfähigkeit (Senatsurteil vom 9.3.2010 –IX ZR 93/09 aaO. RKS A 1 Nr. 90). und kann daher nicht mit § 91 GWB a.F. (BGBl. 1957 I S. 1081, 1098) verglichen werden (vgl. Assmann/Schneider/Sethe aaO. § 37h Rd-Nr. 36 mit Fn. 6 a.E.). In Bezug auf die subjektive Schiedsfähigkeit sieht das UNÜ indes keine autonome Regelung vor, sondern eröffnet vielmehr über Art. V Abs. 1 a UNÜ ausdrücklich den Rückgriff auf das für die Parteien maßgebliche persönliche Recht (so auch Lehmann SchiedsVZ 2003, 219, 224); dies ist hier deutsches Recht. Das Berufungsgericht hat jedoch ausdrücklich offengelassen, ob die Kläger Kaufleute i.S.v. § 1 HGB sind. Mangels diesbezüglicher Feststellungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob die Schiedsvereinbarung hier nach § 37h WpHG verbindlich oder unverbindlich ist und ob die Schiedsklausel formgültig ist.
2. Die Schiedsklausel erfüllt allerdings nicht die in Art. II UNÜ vorgeschriebene Form, die auch in der – hier gegebenen – Einredesituation des § 1032 Abs. 1 ZPO gewahrt sein muss, wenn die Schiedsabrede –wie hier – zu einem ausländischen Schiedsspruch i.S.v. Art I Abs. 1 UNÜ führen kann (BHH 15.6.1987 – II ZR 124/86 WM 1987, 1155 = RKS A 1 Nr. 56; Beschl.v. 21.9.1993 – XI ZR 52/92 WM 1993, 2121, 2122 = RKS A 1 Nr. 76). Art. II Abs. 1 UNÜ fordert eine schriftliche Vereinbarung. Darunter ist nach Art. II Abs. 2 UNÜ eine Schiedsklausel in einem Vertrag oder eine Schiedsabrede zu verstehen, sofern der Vertrag oder die Schiedsabrede von den Parteien unterzeichnet oder in Briefen oder Telegrammen enthalten ist, die sie gewechselt haben. Beides ist hier nicht der Fall. Die erste Schriftformalternative ist nicht erfüllt, weil der Kontoführungsvertrag, auf dessen Rückseite unter anderem die Schiedsklausel der Beklagten abgedruckt ist, nur von den Klägern unterzeichnet worden ist und damit nicht das beiderseitige (sog. volle) Schriftformerfordernis wahrt (vgl. dazu Reithmann/Martiny/Hausmann, Internationales Vertragsrecht, 7. Aufl. Rd-Nr. 6678; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl. § 1031 Rd-Nr. 22f., jeweils m.w.N).Auch ein Schriftwechsel i.S.d. Art. II Abs. 2 Alt. 2 UNÜ liegt nicht vor. Ein solcher lässt sich nicht aus der nach Vertragsschluss erfolgten Übersendung des den Kontoauszügen jeweils beigefügten Merkblatts mit der darin befindlichen Schiedsklausel herleiten. Abgesehen davon, dass die Bekl. sich auf diese inhaltlich von Ziff. 15 der Geschäftsbedingungen abweichende Schiedsklausel nicht berufen hat, befand sie sich nur in dem Merkblatt, das die Bekl. den Kl. übersandte, mithin nicht in gewechselten Schriftstücken (vgl. auch BGH Beschl.v. 21.9.2995 – III ZB 18/05 WM 2005, 2201, 2202 = RKS A 4 a Nr. 78). Die Kl. verhalten sich auch nicht widersprüchlich, indem sie sich auf die Formungültigkeit der Schiedsklausel berufen. Dabei kann dahinstehen, ob das Verbot widersprüchlichen Verhaltens dem UNÜ inhärent ist und es danach einer Partei, die eine Schiedsvereinbarung unterschrieben hat, verwehrt sein kann, unter Hinweis darauf, dass der die Schiedseinrede erhebende Vertragspartner sie selbst nicht unterschrieben hat, die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung geltend zu machen (vgl. Reithmann/Martiny/Hausmann, Internationales Vertragsrecht aaO. m.w.N.) Denn die Bekl. hat sich selbst widersprüchlich verhalten (wird ausgeführt).
3. Trotz der Nichteinhaltung der Form des Art. II UNÜ kann die Schiedsvereinbarung aber über den Meistbegünstigungsgrundsatz des Art. VII UNÜ formwirksam sein, wenn das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht geringere Formanforderungen stellt und diese erfüllt sind (vgl. BGH Beschl.v. 21.9.2005 – III ZB 18/05 aaO. RKS A 4 a Nr. 78). Allerdings reichen die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht aus, um entscheiden zu können, welche nationalen Formvorschriften auf die streitgegenständliche Schiedsvereinbarung anwendbar sind.
4. Zustandekommen und Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung bemessen sich im Kollisionsfall nach den Regeln des deutschen internationalen Privatrechts (BGH 28.11.1963 -VII ZR 112/62 BGHZ 45, 320, 322; 29.2.1968 - VII ZR 102/65 BGHZ 49, 384, 386). Die danach im Streitfall zeitlich noch anwendbaren Art. 27ff. EGBGB a.F. (BGH Beschl.v. 21.9.2005 aaO RKS A 4 a Nr.78) führen zur Geltung des Statuts des Hauptvertrages, mit dem die Schiedsvereinbarung regelmäßig die engste Verbindung i.S.v. Art. 28 Abs. 1 EGBGB a.F. aufweist (vgl. BGH 21.9,2005 aaO. RKS A 4 a Nr. 78), wenn eine ausdrücklich auf sie bezogene Rechtswahl fehlt. Das ist hier der Fall. Die Parteien haben in Bezug auf die Schiedsklausel, die keinen bestimmten Schiedsort festlegt, eine Rechtswahl nicht getroffen (wird ausgeführt). Nichts anderes würde sich ergeben, wenn dem von der Rechtsprechung abweichenden Schrifttum zu folgen wäre, nach dem das Recht des vereinbarten Schiedsortes auf die Schiedsvereinbarung anzuwenden sein soll (vgl. Reithmann u.a., Intern. Vertragsrecht 7. Aufl. Rdnr. 6612, 6620 m.w.N.). Nach der streitgegenständlichen Schiedsvereinbarung kann zwischen mehreren Schiedsorten unterschiedlicher Rechtsordnungen frei gewählt werden, so dass ein bestimmter Schiedsort noch nicht feststeht. Für einen solchen Fall ist auch nach dieser Auffassung das für den Hauptvertrag geltende Recht maßgeblich (Hausmann aaO. Rd-Nrn. 6615, 6627 m.w.N.). Der Senat kann indessen die Frage, welches Recht auf die zwischen den Parteien zustande gekommenen Kontoführungsverträge anzuwenden ist, nicht abschließend beantworten, weil es dafür entscheidend darauf ankommt, ob es sich dabei um Verbraucherverträge handelt.
5. Das Berufungsgericht hat keine näheren Feststellungen dazu getroffen, ob –was auch bei gegebener Kaufmannseigenschaft der Kl. möglich wäre – die zwischen den Parteien zustande gekommenen Verträge jeweils einem Zweck dienen, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit der Kläger zugerechnet werden kann (Palandt/Ellenberger, BGB 69. Aufl., § 13 Rd-Nr. 3). Dabei gelten Bank- und Börsengeschäfte, die der Pflege des eigenen Vermögens dienen, grundsätzlich nicht als berufliche oder gewerbliche Tätigkeit (vgl. Senat BGHZ 149, 80, 86; OLG Frankfurt WM 2009, 718, 719; Reithmann u.a., Internationales Vertragsrecht, 7. Aufl. Rd-Nr. 2351; Staudinger/Magnus, BGB [2002], Art. 29 EGBGB Rd-Nr. 33). Liegen Verbraucherverträge vor, führt das zur Anwendung des Rechts des gewöhnlichen Aufenthaltsstaates der Kläger (Art. 29 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Art. 35 EGBGB a.F.), mithin zur Anwendung deutschen Sachrechts. Dessen über Art. 29 Abs. 3 S. 2 EGBGB a.F. berufene Formvorschrift des § 1031 Abs. 5 ZPO ist vorliegend nicht gewahrt, so dass die Schiedsvereinbarung unwirksam wäre. Art. 29 (Abs. 1 bis 3) EGBGB a.F. ist hier ggf. nicht durch Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB a.F. ausgeschlossen. Die Bekl. hatte nach dem maßgeblichen Vertragsinhalt (vgl. Senatsurteil vom 25.1.2005 – XI ZR 78/04 WM 2005, 423, 425) Geldleistungen in den gewöhnlichen Aufenthaltsstaat der Anleger zu übermitteln, so dass es sich bei dem Kontoführungsvertrag nicht um einen ganz in einem anderen Staat als dem gewöhnlichen Aufenthaltsstaat der Kläger abzuwickelnden Dienstleistungsvertrag i.S.v. Art. 29 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EGBGB a.F. handelt (Huber, IPRax 2009, 134, 139 in Fn. 58; E. Lorenz in FS Kegel [1987] S. 303, 320 f.; Soergel/von Hoffmann, EGBGB, 12. Aufl. ,Art. 29 Rd-Nr. 27; Spindler, IPRax 2001, 400, 408) mit Hinweis auf parallele Behandlung von Art. 29Abs. 4 S. 1Nr. 2 EGBGB und §§ 31ff. WpHG; ferner jeweils zu § 31 Abs. 3 WpHG a.F.: Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften [Zweites Finanzmarktförderungs-gesetz] in BT-Drucksache 12/7918 S. 104 zu § 30a Abs. 3 WpHG mit Hinweis auf die „entsprechende Regelung“ des Art. 29 Abs. 4 EGBGB; Assmann/Schneider/Koller,WpHG,5. Aufl. § 31 Rd-Nr. 67; Fuchs/Fuchs, WpHG, 1. Aufl. § 31 Rd-Nr. 325; von Hein, Das Günstigkeitsprinzip im internationalen Privatrecht, S. 361; KK-WpHG/Möllers, WpHG, 1. Aufl., § 31 Rd-Nr. 310; Reithmann/Martiny/Mankowski, Internationales Vertragsrecht, 7. Aufl. Rd-Nr. 2505 a.E.; a.A. Giesberts, Anlegerschutz und anwendbares Recht bei ausländischen Börsentermingeschäften, S. 271 f.; Schlosser in FS Steindorff, S. 1379, 1384).
6. Das Berufungsgericht wird zunächst Feststellungen zur Kaufmannseigenschaft der Kläger bzw. zum Vorliegen von Verbraucherverträgen nachzuholen haben, wobei in der hier gegebenen Einredesituation die Bekl. für das wirksame Zustandekommen der Schiedsvereinbarung darlegungs- und beweisbelastet ist (vgl. Senatsurteil v. 9.3.2010 – XI ZR 93/09, WM 2010 Tz. 22 = RKS A 1 Nr. 190).