Recht und Steuern

A5 Nr.32

A5 Nr.32
§§ 317, 319 BGB Offenbare Unrichtigkeit. Vorläufige Bindung. Überschreitung der Entschei­dungs­kompetenz des Schiedsgutachters: „Anpassung” und „Neufestsetzung” des Mietzinses
Eine offenbare Unbilligkeit oder Unrichtigkeit macht das Schiedsgutachten zwar unverbindlich, aber nicht nichtig mit der Folge, dass die Parteien an die getroffene Leistungsbestimmung nicht gebunden wären. Vielmehr muss die offenbare Unbillig­keit oder Unrichtig­keit von einem der Vertragspartner binnen angemessener Frist durch eine Klage auf gerichtliche Leistungsbestimmung geltend gemacht werden. Solange dies nicht geschehen ist, ist das Gutachten vorläufig bindend.
OLG Frankfurt am Main Urteil vom 3.12.1998 - 3 U 257/97; Neue Zeitschrift für Mietrecht 1999 S. 118 = RKS A 5 Nr. 32
Aus den Gründen:
Die Beklagte hat den vertraglich geschuldeten, nämlich den Mietzins entrichtet, der im Schiedsgutachten als zu entrichtender Mietzins bestimmt worden ist. Die mangels gericht­lichen Bestimmungsurteils gegebene Bindungswirkung des Gutachtens wäre allenfalls zu verneinen, wenn der Schiedsgutachter die ihm im Mietvertrag eingeräumte Entschei­dungs­kompetenz eindeutig überschritten hätte, indem er eine Neufestsetzung anstelle einer bloßen Anpassung des Mietzinses vorgenommen hätte. Das trifft hier nicht zu: Aus den vertraglichen Formulierungen „Neufestsetzung des Mietzinses” und „neue Miete” folgt vielmehr, dass der Schiedsgutachter mit der Neufestsetzung beauftragt war. Während bei einer Anpassung Ausgangspunkt bzw. Bezugsgröße eine Äqui­valenz­störung ist, gibt es eine derartige Bezugsgröße bei einer Neufestsetzung nicht, sondern es ist so zu verfahren, als ob die Parteien erstmals in Miet­zins­verhand­lungen treten. Ob der Sach­ver­ständige bei der Ermittlung des marktüblichen Mietzinses richtig vorge­gangen ist, wäre im Rahmen der gerichtlichen Ermessensüberprüfung nach § 319 BGB zu erörtern und tangiert die vorläufige Bindungswirkung des Gutachtens nicht.
Hinweis: Die Klausel im Mietvertrag lautete:
„Verändert sich der vom Statistischen Bundesamt monatlich festgestellte Lebens­haltungs­kostenindex für Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalte mit mittlerem Einkommen künftig gegenüber dem Stande des Vertragsschlusses oder einer Neu­regelung um mehr als fünf Punkte nach oben oder unten, so sind beide Vertragsteile berechtigt, die Aufnahme von Verhandlungen über eine Neufestsetzung des Mietzinses zu verlangen. Einigen sich die Parteien nicht, so entscheidet ein auf Antrag von der IHK zu benennender Sachverständiger als Schiedsgutachter gemäß § 317 BGB nach billigem Ermessen, ob und in welcher Höhe eine Änderung der Miete eintreten soll. Die neue Miete ist dann vom nächsten Monatsersten nach Aufforderung an den Vertrags­partner, in eine Änderung einzuwilligen, für beide Partner verbindlich.”