Recht und Steuern

A5 Nr.30

A5 Nr.30
§§ 317, 319 BGB Schiedsgericht als Schiedsgutachter. Bestimmung der Leistung durch einen Dritten, ordentliches Gericht als „Dritter”. Bestimmung der Vergütung durch das Gericht nach gescheiterter Anrufung des vereinbarten Schiedsgerichts
Es bestehen keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, dass die Parteien einer gescheiterten Schiedsvereinbarung dem ordentlichen Gericht anstelle des Schiedsgerichts auch die Bestimmung der Höhe der vereinbarten Vergütung übertragen.
BGH Urteil vom 6.11.1997 - III ZR 177/96; RKS A 5 Nr. 30 = NJW 1998 S. 1388
Aus dem Sachverhalt:
Der Kläger hatte mit der beklagten Stadt als Betreiberin des HO-Theaters einen Intendantenvertrag und eine Schiedsvereinbarung abgeschlossen: Über alle Streitigkeiten aus dem Intendantenvertrag sollte unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs das Schiedsgericht des Deutschen Bühnenvereins entscheiden. Nach § 6 II des Inten­dan­ten­vertrages sollte das Bühnenschiedsgericht auch über die Vergütung des Inten­danten entscheiden, falls sich die Parteien darüber nicht einigen konnten. Nachdem das Bühnen­schieds­gericht Zweifel an der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung geäußert und die beklagte Stadt eine rechtswirksame Erneuerung des Schiedsvertrages abgelehnt hatte, erhob der Intendant vor dem ordentlichen Gericht gegen die Stadt Klage u.a. auf eine nach billigem Ermessen des Gerichts zu bestimmende Vergütung gemäß § 6 II des Intendantenvertrages. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erklärten die Parteien übereinstimmend, dass das Schiedsgericht nicht angegangen werde, insofern werde die Schiedsvereinbarung aufgehoben. LG und OLG haben die Klage auf Bestimmung der Vergütung gemäß § 317 BGB abgewiesen. Der BGH hob das Urteil insoweit auf und verwies an das OLG zurück.
Aus den Gründen:
Der Zusatz im Protokoll, „insofern” werde „die Schiedsvereinbarung” aufgehoben, kann nach dem gesamten Zusammenhang nicht etwa als eine Eingrenzung in dem Sinne verstanden werden, dass nur die eigentliche Schiedsvereinbarung, nicht aber die Übertragung der Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen auf das Bühnen­schieds­gericht, aufgehoben werde. Dieses Verständnis entspricht auch am ehesten den Interessen beider Parteien während des bereits fortgeschrittenen Prozesses. Zwar waren die Bedenken des Bühnenschiedsgerichts unmittelbar nur gegen die Wirksamkeit der eigentlichen Schiedsvereinbarung gerichtet und schlossen an sich nicht ohne weiteres aus, dass das Bühnenschiedsgericht wenigstens mit einer Leistungs­bestimmung i.S.d. § 6 II des Intendantenvertrages hätte betraut werden können und dazu auch bereit und in der Lage gewesen wäre. Nachdem die Möglichkeit einer abschließenden Streit­ent­schei­dung durch ein nicht staatliches Gericht entfallen war, sprach aber unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten alles dafür, es dem staatlichen Gericht auch zu überlassen, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 II die Frage der Vergütung im Sinne einer Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen zu regeln; anderenfalls hätte die Notwendigkeit bestanden, erst außer­gericht­lich eine Leistungs­bestimmung durch eine außenstehende Institution einzuholen, um erforder­lichen­falls anschließend vor dem ordentlichen Gericht um die Billigkeit dieser Leistungsbestimmung und die Voraus­setzungen des Vergütungsanspruchs weiter zu streiten (vgl. § 319 Abs. 1 S. 1 BGB). Dem staatlichen Gericht die Bestimmung der Vergütung zu überlassen bedeutete keineswegs den Verzicht auf den besonderen Sach­verstand der Mitglieder des Bühnen­schieds­gerichts; denn dem ordentlichen Gericht ist unbenommen, sich im Prozess sachverständiger Hilfe von dieser Seite zu bedienen.
Diese Vereinbarung ist nicht im Hinblick auf den Grundsatz unwirksam, dass ein staatliches Gericht an sich im Rahmen seiner Zuständigkeit nicht als „Dritter” i.S.v. § 317 BGB zur Bestimmung der Leistung benannt werden kann, weil der gesetzliche Aufgabenbereich des Gerichts nicht der Parteidisposition unterliegt (BGH LM § 317 BGB Nr. 3; LM § 339 BGB Nr. 21 = WM 1978, 64; NJW 1995, 1360 = LM H.7/1995 § 9 ErbbauVO Nr. 35). Dieser Grundsatz gilt nicht ausnahmslos. So kann nach ständiger BGH-Rechtsprechung eine Anpassungsklausel im Erbbaurechtsvertrag vorsehen, dass die Festsetzung des Erbbauzinses mangels Einigung entsprechend §§ 315 Abs. 3, 319 Abs. 1 S. 2 BGB durch Urteil erfolgen soll (BGHZ 71, 276 [284] = NJW 1978, 1371 = LM § 157 [Ge] BGB Nr. 29; BGH LM § 157 [Ge] BGB Nr. 28 = WM 1978, 228; NJW 1995, 1360 = LM H. 7/1995 § 9 ErbbauVO Nr. 35).
Auch sieht das Gesetz - unabhängig von einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien - vor, dass die Bestimmung der Leistung gem. § 317 BGB durch Urteil erfolgt, wenn der Dritte die ihm übertragene Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert (§ 319 Abs. 1 S. 2 BGB); dafür reicht aus, dass die Handlung nicht innerhalb objektiv angemessener Zeit vorgenommen wird (BGH NJW 1990, 1231 [1232] = LM § 202 BGB Nr. 25). Bei solcher Lage ist eine entsprechende Anwendung des § 319 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 BGB geboten; der säumige Teil kann sich nicht mehr mit Erfolg auf die Schiedsgutachterklausel - und ihre Wirkungen - berufen, was im übrigen auch treuwidrig wäre (BGH NJW 1990, 1231 [1232] = LM § 202 BGB Nr. 25) - wird ausgeführt.