Recht und Steuern

A5 Nr.29

A5 Nr.29
§ 319 BGB Schiedsgutachterliche Gewerberaum-Mietzinsanpassung. Nachprüfbarkeit
Ein Schiedsgutachten ist nicht offenbar unrichtig, wenn die Ausführungen des Sach­ver­stän­digen insgesamt erkennen lassen, dass alle von ihm heran­gezogenen Unterlagen und Quellen, jedenfalls als Hintergrund seines allge­meinen Erfahrungs­wissens, Eingang in die vorgenommene Bewertung der Markttendenzen und Marktentwicklung für die maßgebenden Erhebungs­zeit­räume gefunden haben.
Es ist nicht ohne weiteres willkürlich, wenn der Sachverständige - statt einen Mittelwert aus allen Quellen zu errechnen - diese nach sachverständigem Ermessen, Markt­beobach­tung und Erfahrungswissen gewichtet und den ermittelten Mietzins-Steigerungs­prozentsatz schwerpunktmäßig auf zwei der mehreren Quellen gestützt hat.
BGH Urteil vom 1.10.1997 - XII ZR 269/95; RKS A 5 Nr. 29 = Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht 1998 S. 196
Aus dem Sachverhalt:
Ein Gewerberaum-Mietvertrag aus dem Jahre 1989 enthielt folgende Klausel:
„Können sich die Mietparteien über die neue Miethöhe nicht einigen, so legt ein von beiden Parteien benannter und zu beauftragender Sachverständiger als Schiedsgutachter den neuen Mietzins nach den Kriterien des Abs. 1 letzter Satz verbindlich fest ...”; dieser Satz lautete: „Die Veränderung des bisher vereinbarten Mietpreises hat sich an der Veränderung der ortsüblichen Marktmiete für Geschäftsräume gleicher Art und Lage seit der letzten Festsetzung des Mietpreises zu orientieren”.
Der Vermieter hält den 1993 durch den von der IHK Köln benannten Sachverständigen festgesetzten Mietzins für zu niedrig. LG und OLG haben die Klage abgewiesen, die Revision hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
Die offenbare Unrichtigkeit eines Schiedsgutachtens - als offenbare Unbilligkeit i.S.v. § 319 BGB (vgl. BGHZ 43, 374 [376] = NJW 1965, 1523; BGHZ 81, 229 [237] = NJW 1981, 2351; BGH NJW1979, 1885 = RKS A 5 Nr. 14; NJW-RR 1987, 21 = BGHR BGB § 319 I Schiedsgutachten 1 = RKS A 5 Nr. 20) - kann sich u.a. daraus ergeben, daß der Gutachter bei seinen Ermittlungen nach dem Sachverhalt, den ihm die Parteien unter­breitet haben, einen unrichtigen Bewertungsmaßstab angewandt hat und deshalb zu einem unrichtigen Ergebnis gelangt ist (vgl.BGHZ 9, 195 [198] = NJW 1953, 939; BGH NJW 1975, 1556 [1557] = RKS A 5 Nr. 7). Ein solcher Vorwurf trifft den Sach­ver­ständigen S nach den getroffenen Feststellungen jedoch nicht....
Er hat die von ihm herangezogenen Erkenntnisquellen offengelegt, nämlich
-- eine eigene Mietdatensammlung
-- den RDM-Immobilienpreisspiegel 1989 bis 1992
-- Mietpreisübersichten der Gutachterausschüsse
-- einzelne Maklerauskünfte
-- Gewerbemieteübersicht der Rheinischen Immobilienbörse und der IHK Köln.
Zu seiner eigenen Datensammlung hat S zwar die Objekte nicht einzeln bezeichnet, sie aber so hinreichend individualisiert, dass einem Fachmann in Verbindung mit den weiteren Quellen, insbesondere dem RDM-Mietpreisspiegel, eine Überprüfung der Angaben möglich wäre. Maßgeblich und für das gewonnene Ergebnis tragend ist ein von S gebildeter Mittelwert aus der Mietpreisentwicklung anhand der eigenen Daten­sammlung und aus dem RDM-Mietpreisspiegel gewesen.....
Insgesamt lassen die Ausführungen des Schiedsgutachtens erkennen, dass alle von S herangezogenen Unterlagen und Quellen, jedenfalls als Hintergrund seines allgemeinen Erfahrungswissens, Eingang in die vorgenommene Bewertung der Markttendenzen und Marktentwicklung für die maßgeblichen Erhebungszeiträume gefunden haben, auch wenn die ermittelten Miet-Steigerungsprozentsätze letztlich auf die Werte des RDM-Preispegels und der eigenen Datensammlung gestützt worden sind. Da nach dem Gutachten die Miet­wert­über­sicht des Gutachterausschusses auf einer Befragung zwischen Oktober 1991 und November 1992 basiert, also nicht die Werte von 1989 und 1993 gegenüberstellt, und die Mieten­übersicht der Rheinischen Immobilienbörse und der IHK Köln auf den Zeitpunkt August 1993, ebenfalls ohne Vergleichswerte aus 1989, abstellt, war es weder fehlerhaft noch willkürlich, dass der Gutachter die Zahlen aus diesen Übersichten bei dem angestellten Miet­preis­vergleich nicht im einzelnen heran­gezogen hat.....
Zwar ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein auf die Bewertung von Vergleichsobjekten gestütztes Gutachten nur dann überprüfbar und demgemäß verbindlich, wenn die Vergleichsobjekte, ihre Wertmerkmale und die Vergleichspreise in dem Gutachten mitgeteilt werden (vgl. BGH WM 1985, 174; NJW-RR 1988, 506 = WM 1988, 276 [277] = RKS A 5 Nr. 21; BGH NJW-RR 1995, 1225 = BGHR BGB § 319 I Schiedsgutachten 4). Der Sachverständige S hat sein Gutachten jedoch nicht in diesem Sinn auf die Vergleichsobjekte aus seiner eigenen Datensammlung gestützt. Er hat seiner Bewertung vielmehr den RDM-Mietpreisspiegel zugrundegelegt, hat daraus nach den angenommen Werten von 18 DM/qm im Jahre 1989 und 20 DM/qm Anfang 1993 einen Steigerungsprozentsatz von 11,11% ermittelt und diesen anhand der aus seinem eigenen Datenmaterial gewonnenen allgemeinen Erkenntnisse „nach sachverständigem Ermessen auf eine durchschnittliche Preisentwicklung von 10%” ermäßigt. Auf diese Weise hat er sich bei der Beurteilung der Mietpreisentwicklung an den Angaben des RDM-Mietpreisspiegels orientiert, bei der Festlegung des letztlich für zutreffend gehaltenen Wertes indessen seine eigenen Marktbeobachtungen und sein Erfahrungs­wissen als Sachverständiger maßgeblich mit eingebracht. Ein derartiges Vor­gehen unterliegt im Hinblick auf § 319 BGB keinen rechtlich durchgreifenden Bedenken (vgl. etwa für einen gerichtlichen Sachverständigen BVerfGE 91, 176 [182, 183] = NJW 1995, 40) - wird im einzelnen ausgeführt.