Recht und Steuern

A 5 Nr. 51

A 5 Nr. 51 § 317 ff. BGB – Schiedsgutachtenvertrag im engeren Sinne, mittelbare Bestimmung der Leistung, einseitige Information des Schiedsgutachters
1. Ein Schiedsgutachtenvertrag im engeren Sinne liegt vor, wenn der Schiedsgutachter nicht unmittelbar die Leistung (z.B. eine Ausgleichszahlung), sondern die für die Bestimmung der Leistung maßgeblichen Tatsachen (z.B. den Unternehmenswert) zu ermitteln und verbindlich festzustellen hat. Auf eine Schiedsgutachtenvereinbarung dieses Inhalts, die nur mittelbar der Bestimmung der Leistung dient, sind §§ 317 – 319 BGB entsprechend anzuwenden, wenn die Parteien einen entgegenstehenden Willen nicht ausdrücklich erklärt haben.
2. Ein Schiedsgutachtenvertrag im engeren Sinne enthält i.d.R. die stillschweigende Vereinbarung, dass der Anspruch auf die zu bestimmende Leistung für die Dauer der Erstattung des Gutachtens weder gerichtlich noch außergerichtlich geltend gemacht werden kann mit der Folge, dass der Anspruch in diesem Zeitraum noch nicht fällig ist.
3. Hat ein Schiedsgutachter für sein Gutachten nur von einer Partei vorgelegte Informationen verwendet, ist er nur mit dieser Partei in Kontakt getreten und hat die andere Partei nicht über der Fortgang der Begutachtung sowie die einseitig vorgelegten Informationen unterrichtet, so ist das Gutachten nicht verbindlich.
4. Im Fall des Übergangs der Leistungsbestimmung auf das Gericht ist die Leistung erst mit Rechtskraft des Gerichtsurteils fällig.
BGH Urteil v. 4.7.2013 – III ZR 52/12 WM 2013, 1452 RKS A 5 Nr. 51
Aus den Gründen:
1. Die Parteien haben am 25./28.5.2004 einen Schiedsgutachtenvertrag geschlossen. Dabei sollte der Schiedsgutachter nicht unmittelbar die „Bestimmung der Leistung“ (hier: die Erfolgsvergütung bzw. Ausgleichzahlung) als zur Rechtsgestaltung befugter Dritter i.S.d. § 317 BGB vornehmen, sondern den „Unternehmenswert (Verkehrswert der Beteiligungen)“ zum Kündigungsstichtag entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen verbindlich feststellen (BGH 9.6.1983 WM 1984, 318 = NJW 1983, 2244, 2245, vom 26.10.1989 = WM 1990, 399 = NJW 1990, 1231, 1232 m.w.N.;  s. zur Abgrenzung des Schiedsgutachtens im engeren und weiteren Sinne BGH Urt.v. 26.4.1991 = WM 1991, 1602 = NJW 1991, 2761 = RKS A 5 Nr. 24; MünchKomm/Würdinger  BGB 6.Aufl., § 317 Rd-Nrn. 29- 32 m.w.N.; Palandt/Grüneberg BGB 72. Aufl. § 317 Rd-Nrn. 3, 5, 6). Auf eine Schiedsgutachten-vereinbarung dieses Inhalts, die nur mittelbar der Bestimmung der Leistung dient, sind mangels einer anderen Vereinbarung der Parteien die §§ 317 – 319 BGB entsprechend anzuwenden (BGH Urt.v. 26.10.1989 aaO.; OLG Düsseldorf  NJW-RR 2000, 279, 281 m.w.N.; MünchKomm/Würdinger BGB aaO. § 317 Rd-Nr. 38; Palandt/Grüneberg aaO. § 317 Rd-Nr. 3 m.w.N.).
2. Da er sonst seinen Zweck weitgehend verfehlen würde, enthält ein Schiedsgutachtenvertrag im engeren Sinne i.d.R. die stillschweigende Vereinbarung, dass der Gläubiger für die Dauer der Erstattung des Gutachtens aus der Forderung gegen den Schuldner nicht vorgehen werde (BGH Urt.v. 26.10.1989  aaO.). Es handelt sich dabei um eine Abrede, wonach die Feststellung der betroffenen Tatsachen einem Dritten überlassen werden soll mit der Folge, dass diese Tatsachen einer gerichtlichen Beweisaufnahme (zunächst) unzugänglich sind und die Begleichung der Forderung (zunächst) weder gerichtlich durchgesetzt noch außergerichtlich verlangt werden kann. Eine Klage ist insgesamt als verfrüht („als z.Zt. unbegründet“) abzuweisen, wenn die beweispflichtige Partei die rechtserhebliche Tatsache, deren Feststellung dem Schiedsgutachter übertragen ist, nicht durch Vorlage des Schiedsgutachtens nachweist (BGH Urt.v. 8.6.1988 = WM 1988, 1500 = NJW-RR 1988, 1405 und 7.6.2011 WM 2011, 1374 = NJW-RR 2011, 1059, 1060 Rd-Nr. 13 = RKS A 5 Nr. 48). Daraus wird deutlich, dass die Schiedsgutachtenvereinbarung im engeren Sinne auch eine Regelung der Leistungszeit i.S.v. § 271 BGB enthält, und zwar dahingehend, dass die Fälligkeit der Forderung bis zur Vorlage des Gutachtens aufgeschoben wird.
3. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. R ist kein verbindliches Schiedsgutachten, weil es einseitig unter Verwertung nur von der Klägerin zur Verfügung gestellter Informationen erstellt worden ist und der Gutachter nur mit der Kl., nicht aber mit der Beklagten in Kontakt getreten ist, wobei die Bekl. auch von der Kl. nicht über den Fortgang der Begutachtung und die zur Verfügung gestellten Informationen unterrichtet wurde (zur Unverbindlichkeit eines „einseitigen“ Schiedsgutachtens: BGH Urt.v. 6.6.1994 WM 1994, 1778 = NJW-RR 1994, 1314, 1315).
Die Leistungsbestimmung (Tatsachenfeststellung)  ist analog § 319 Abs. 1 S. 2 BGB immer dann, wenn sich die von den Vertragsparteien in erster Linie gewollte Bestimmung durch einen Dritten als nicht durchführbar erweist, durch das Gericht vorzunehmen (BGH Urt.v. 6.6.1994 aaO. und vom 7.4.2000 WM 2000, 2104 =NJW 2000, 2986, 2987).
4. Im Falle des Übergangs der Leistungsbestimmung auf das Gericht  (§ 319 Abs. 1 S. 2 BGB) wird die Forderung erst mit Rechtskraft des Gerichtsurteils fällig, so dass Zinsen vorbehaltlich anderer Vereinbarungen nicht verlangt werden können (BGH Urt.v. 10.3.1993 = BGHZ 122, 32, 32, 45 f. = WM 1993, 696, vom 24.11.1995 = WM 1996, 445 = NJW 1996, 1054, 1056, vom 30.5.2003 = WM 2004, 186 = NJW-RR 2003, 1355, 1357 f.; vom 5.7.2005 = WM 2005, 1768 = NJW 2005, 2919, 2920 und vom 4.4.2006 = BGHZ 167, 139, 149 f. = WM 2006, 1921 Rd-Nrn. 22 f., 16.4.1999 = WM 1999, 1715). Hier wird die streitige Forderung mit dem (gestaltenden) Gerichtsurteil erst bestimmt; sie steht bis zu dessen Rechtskraft noch nicht fest und kann somit auch keinen Zinsanspruch auslösen. Für Schiedsgutachtenvereinbarungen im engeren Sinne, auf welche §§ 317 – 319 BGB entsprechend anwendbar sind, gilt im Ergebnis nichts anders (wird ausgeführt).
19.8.2013