Recht und Steuern

A 5 Nr. 47

§ 319 Abs. 1 BGB; §§ 485 Abs. 2 S. 2, 493 Abs. 1 ZPO – Kein selbständiges Beweisverfahren neben Schiedsgutachtenabrede. Ausnahme: bei Streit über offenbare Unrichtigkeit des Gutachtens
1. Soweit die Schiedsgutachterabrede reicht, fehlt dem Antrag auf ein gerichtliches Beweisverfahren das Rechtsschutzinteresse. Im Rahmen ihrer Reichweite geht sie dem Ergebnis eines selbständigen Beweisverfahrens nicht nur vor, sondern gilt allein. Jedes auf andere Weise gewonnene Beweisergebnis ist unbeachtlich.
2. Auf das Ergebnis eines selbständigen Beweisverfahrens können sich die Parteien jedoch stützen, wenn und soweit sie die offenbare Unrichtigkeit des Schiedsgutachtens substantiiert geltend machen. Darauf müssen sie sich beschränken und können nicht eine umfassende Neubegutachtung der dem Gutachter vorgelegten Fragestellung erreichen.
OLG Bremen Beschl.v. 30.3.2009 – 1 W 10/09; OLG-Report 2009, 391 = RKS A 5 Nr. 47
Aus den Gründen:
1. Dem Beweissicherungsantrag der Antragsteller fehlt das Rechtsschutzinteresse.
Nach § 493 Abs. 1 ZPO steht die selbständige Beweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich, wenn eine Partei sich im Prozess auf Tatsachen beruft, über die selbständig Beweis erhoben worden ist. Eine Schiedsgutachterabrede schließt regelmäßig in ihrer Reichweite aus, dass das Prozessgericht selbst Beweis erhebt; das Schiedsgutachten hat nämlich einen Tatsachenwert und bindet daher grundsätzlich die staatlichen Gerichte (Baumbach/Hartmann ZPO 67.Aufl. 2009 Grundzüge § 1025 Rd-Nr. 17). Das bedeutet auch, dass das Ergebnis einer gleichwohl stattfindenden Beweisaufnahme nicht verwertet werden darf. Im Hinblick auf § 493 Abs. 1 ZPO zwingt dies zu der Schlussfolgerung, dass auch das Ergebnis eines selbständigen Beweisverfahrens vom Gericht nicht zu beachten ist, soweit die Schiedsgutachterabrede reicht (von Bernuth ZIP 1998, 2081 [2086]). Dies bedeutet: Soweit die Schiedsgutachterabrede reicht, geht sie dem Ergebnis eines selbständigen Beweisverfahrens nicht nur vor, sondern sie gilt allein. Jedes auf andere Weise gewonnene Beweisergebnis ist vollständig unbeachtlich – mit einer wesentlichen Einschränkung:
2. Streiten sich die Parteien, ob das Schiedsgutachten entsprechend § 319 Abs. 1 BGB offenbar unrichtig ist, so können sich die Parteien auf das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens stützen (von Bernuth aaO., OLG Brandenburg 19.4.2002 OLG-Report 2002, 467f. = RKS A 5 Nr. 38; OLG Koblenz Beschl.v. 15.7.1998 – 5 W 464/98 OLG-Report Koblenz 1999, 163 = MDR 1999, 502 = RKS A 1 Nr. 112). Im vorliegenden Fall bestünde ein Rechtsschutzbedürfnis der ASt. für einen Antrag im selbständigen Beweisverfahren mithin allenfalls dann, wenn diese die offenbare Unrichtigkeit des eingeholten Schiedsgutachtens des Dipl.-Ing. S. behaupteten und mit dem Antrag im selbständigen Beweisverfahren die Überprüfung des Schiedsgutachtens allein unter dem Gesichtspunkt seiner offenbaren Unrichtigkeit geltend machten. Beide Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zum einen behaupten die ASt. lediglich, das von dem Sachverständigen S. vorgelegte Schiedsgutachten sei „inhaltlich so schwach, dass eine zufriedenstellende Nachbesserung durch den Sachverständigen nicht mehr zu erwarten“ sei. Damit machen die ASt. selbst nicht geltend, das eingeholte Schiedsgutachten sei „offenbar unrichtig“, wie es indes erforderlich wäre. Zum anderen zielt der in dem selbständigen Beweisverfahren gestellte Antrag auf eine umfassende neue Begutachtung der dem Schiedsgutachter vorgelegten Fragestellung ab. Für eine solche umfassende Neubegutachtung im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens fehlt den Antragstellern – aus den vorstehend genannten Gründen – das Rechtsschutzbedürfnis.