Recht und Steuern

A4b Nr. 40

A4b Nr. 40
§§ 330 ff., 1059 Abs. 2, § 1063 Abs. 2 ZPO - Versäumnisbeschluss im Vollstreckbarerklärungsverfahren
Nach § 1063 Abs. 2 ZPO hat das Gericht die mündliche Verhandlung anzuordnen, u.a. wenn bei einem Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO in Betracht kommen. In diesem Falle einer notwendigen mündlichen Verhandlung gelten die Regeln des Versäumnisverfahrens.
Ist der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung säumig, sind seine schriftsätzlich vorgetragenen Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 nicht zu berücksichtigen, da sie nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind.
Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (z.B. Verstoß gegen den ordre public) sind auch im Rahmen einer Säumnisentscheidung von Amts wegen zu berücksichtigen.
OLG Hamm Beschluss vom 11.10.2006 - 8 Sch 5/06; MDR 2007, 483 = RKS A 4 b Nr. 40
Aus den Gründen:
Die nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO von der Antragsgegnerin schriftsätzlich vorgebrachten Aufhebungsgründe bleiben unberücksichtigt, da die ordnungsgemäß geladene Antragsgegnerin im Senatstermin nicht vetreten war und der Senat deshalb eine Säumnisentscheidung getroffen hat. Das bedeutet, dass lediglich schriftsätzlich angekündigte, im Senatstermin aber nicht vorgetragene Ausführungen keine Berücksichtigung finden können. Eine Säumnisentscheidung war auch im vorliegenden Verfahren zur Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen zulässig. Zwar ist die entsprechende Geltung der §§ 330 ff. ZPO in den Verfahrensregeln für die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen nicht ausdrücklich angeordnet. In Rechtsprechung und Literatur ist deswegen auch umstritten, ob im Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren bei Anordnung einer mündlichen Verhandlung Säumnisentscheidungen zulässig sind. Der BGH hat diese Frage ausdrücklich offengelassen (BGH 27.5.2004 - II ZB 53/03 MDR 2004, 1315 = NJW 2004, 2226 = RKS A 2 Nr. 31). Einige Stimmen im Schrifttum lehnen eine Säumnisentscheidung bei den hier vorliegenden Fallgestaltungen ab (Münch in MünchKomm/ZPO 2. Aufl. § 1063 Rz.6; Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 2. Aufl. Rz. 1293; Musielak/Voit ZPO 1. Aufl. § 1063 Rz. 2). Zur Begründung wird nicht nur darauf verwiesen, dass das Säumnisverfahren im 10. Buch der ZPO vom Gesetzgeber nicht vorgesehen ist, sondern auch darauf abgestellt, dass die §§ 330 ff. ZPO eine notwendige mündliche Verhandlung voraussetzen, was nach § 1063 ZPO nicht der Fall sei, auch nicht bei der "erzwungenen" mündlichen Verhandlung nach § 1063 Abs. 2 ZPO (Münch a.a.O. § 1063 Rz. 6).
Der Senat vermag sich dem nicht anzuschließen und folgt der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, die zu Recht die Anwendung der Grundsätze einer Säumnisentscheidung nach §§ 330 ff. ZPO jedenfalls im Verfahren nach § 1063 Abs. 2 ZPO befürwortet (BayObLG 24.2.1999 - 4Z Sch 14/98 NJW-RR 2000, 807f ; OLG Koblenz 27.11.2003 - 2 Sch 4/03 - OLGReport Koblenz 2004, 232; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 28 Rz. 10; Musielak/Voit ZPO 4. Aufl. § 1063 Rz. 5; Stein/Jonas/Schlosser ZPO 22. Aufl. § 1063 Rz. 8a; Zöller/Geimer ZPO 25. Aufl. § 1063 Rz.7). Zwar wird die entsprechende Anwendung der §§ 330 ff. ZPO im Beschlussverfahren regelmäßig nicht in Betracht kommen, doch liegt dies weniger an der Form der Entscheidung als an dem Umstand, dass die Regeln der Säumnisentscheidung eine notwendige mündliche Verhandlung voraussetzen (Zöller/Vollkommer/Herget ZPO, vor § 330 Rz. 2), was im Regelfall ebenso wenig der Fall ist wie bei Entscheidungen über die sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO, die nach freigestellter mündlicher Verhandlung ergehen können (vgl. § 128 Abs. 4 ZPO). In diesen Fällen hat die mündliche Verhandlung lediglich Informationscharakter und soll zur Ergänzung, Berichtigung und Vervollständigung des bereits schriftlich vorliegenden Prozessstoffes dienen; Entscheidungsgrundlage ist danach nicht das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, sondern der gesamte Akteninhalt einschließlich des mündlichen Vorbringens (Münch a.a.O. § 1063 Rz. 4).
Anders stellt sich die Situation dar, wenn bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1063 Abs. 2 ZPO zwingend eine mündliche Verhandlung zur Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung anzuberaumen ist. In dem Fall handelt es sich entgegen der von Münch (a.a.O. § 1063 Rz. 6) vertretenen Auffassung um eine notwendige mündliche Verhandlung. Ist das Verfahren aber demjenigen des allgemeinen Erkenntnisverfahrens im ersten Rechtszug derart weitgehend angenähert, gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, die Regeln des Versäumnisverfahrens nicht anzuwenden. Neben den aufgezeigten formellen Gesichtspunkten sprechen hierfür auch inhaltliche Gründe. Gibt eine Partei durch ihre Säumnis in der mündlichen Verhandlung über die Vollstreckbarerklärung zu erkennen, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - an dem Verfahren nicht weiter mitzuwirken beabsichtigt, ist es im Interesse der gegnerischen Partei geboten, das Verfahren mit geringstmöglichem Aufwand abzuschließen. Wollte man trotz Säumnis etwa des Antragsgegners gleichwohl den gesamten schriftsätzlich vorgetragenen Akteninhalt der zu treffenden Entscheidung zugrundelegen, müsste ggf. über schriftsätzlich vorgetragene Aufhebungsgründe Beweis erhoben werden, sofern deren tatsächliche Voraussetzungen streitig waren. Das wird den wohlverstandenen Interessen beider Parteien nicht gerecht. Die Bejahung etwa einer Säumnisentscheidung gegen den Ast. (§ 330 ZPO) oder der Geständnisfiktion des § 331 ZPO gegen den Antragsgegner stellt die säumige Partei nicht schutzlos, da dies konsequenterweise mit der Möglichkeit des Einspruchs nach § 338 ZPO verbunden sein muss (Musielak/Voit ZPO 4. Aufl. § 1063 Rz. 5).
Nach alledem sind im Streitfall die schriftsätzlich vorgetragenen Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen, da sie nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind. Die Rügen wären nach vorläufiger Beurteilung des Senats auch erfolglos geblieben, was nicht näher ausgeführt werden soll. Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (zB. Verstoß gegen den ordre public), die auch im Rahmen einer Säumnisentscheidung von Amts wegen zu berücksichtigen wären (Musielak/Voit ZPO 4. Aufl. § 1063 Rz. 5; Zöller/Geimer ZPO 25. Aufl. § 1059 Rz. 84), kommen nicht in Betracht. Insbesondere kann dem Akteninhalt nicht entnommen werden, dass etwa im Schiedsverfahren der Anspruch der Ag. auf rechtliches Gehör verletzt wurde.
Hinweis
Siehe dagegen BGH 23.2.2006 RKS A 4 b Nr. 37: Dem durch das Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrens neu gestalteten Vollstreckbarerklärungsverfahren ist ein Versäumnisverfahren fremd.