Recht und Steuern

A4b Nr. 38

A4b Nr. 38
§ 1038 Abs. 1 Satz 2, § 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO - Gerichtliche Beendigung des Schiedsrichteramtes
Vermeintliche oder tatsächliche Fehler des Schiedsrichters bei der Erfassung des Sachverhalts und dessen rechtlicher Würdigung rechtfertigen es nicht, durch gerichtliche Entscheidung die Beendigung des Schiedsrichteramtes auszusprechen.
OLG München Beschluss vom 23.10.2006 - 34 Sch 008/06; RKS A 4 b Nr. 38
Aus den Gründen:
Unter den Parteien war ein Schiedsverfahren anhängig. In diesem ging es zum einen um Ansprüche des Antragstellers im Zusammenhang mit dem behaupteten Bestehen einer BGB-Gesellschaft zum Zwecke des Betriebs einer Autowaschanlage, zum anderen um widerklageweise erhobene Ansprüche des Antragsgegners auf Freistellung aus einem Darlehensvertrag sowie aus ungerechtfertigter Bereicherung aufgrund Zahlung für angeblich beauftragte Planungs- und Architektenleistungen.Das Schiedsgericht erließ am 30.6.2006 einen Schiedsspruch, in dem es die Schiedsklage abwies und der Schiedswiderklage teilweise stattgab. Ferner traf es eine Entscheidung über die Verfahrenskosten. Unter dem 3.8./11.9.2006 hat der Schiedskläger Antrag auf Ergänzung und Auslegung des Schiedsspruchs gestellt. Das Schiedsgericht hat über diesen Antrag am 12.9.2006 mündlich verhandelt und mit Beschluss vom 27.9.2006 die Anträge auf Ergänzung und Auslegung des Schiedsspruchs zurückgewiesen. In diesem Schiedsspruch hat das Schiedsgericht ausgeführt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen eines Rücktritts des Vorsitzenden gemäß § 1038 Abs.1 ZPO nicht vorliegen. Mit Antrag vom 25.9.2006 hat der Antragsteller die Entscheidung des Oberlandesge­richts über die Beendigung des Schiedsrichteramts des Vorsitzenden des Schiedsgerichts - Rechtsanwalt Dr. E. - begehrt. Der Antragsteller begründet seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts nicht in der Lage sei, die von ihm - dem Antragsteller- aufgezeigten Lücken, Widersprüche und Unklarheiten im Schiedsspruch zu beseitigen und einen ordnungsgemäßen Ergänzungsschiedsspruch zu erlassen. Das Verlangen an den Antragsteller, "konkrete" Anträge zu stellen, sei unzumutbar, weil er dann von seinem rechtlichen Ausgangspunkt, zwischen ihm und der Rechtsvorgängerin des Antragsgegners habe eine Innengesellschaft bestanden, abweichen müsste. Der Vorsitzende des Schiedsgerichts komme seinen Aufgaben nicht nach. Er verkenne die Bedeutung des § 1058 ZPO, gebe unrichtige Hinweise und verweigere letztendlich die Abfassung eines ordnungsgemäßen Ergänzungsschiedsspruchs. Insbesondere hinsichtlich unstreitiger und nachweislich geleisteter Einlagen sei der Schiedsspruch lückenhaft, unverständlich und unklar. Der Schiedsspruch lasse den Umstand unberücksichtigt, dass Einlagen geleistet worden seien. Diese erlaubten als wesentliche Umstände den Schluss auf eine existente BGB-Innengesellschaft. Der Schiedsspruch sei auch grob unbillig, weil dem Schiedsbeklagten hiernach beispielsweise die Einlagen verbleiben sollten. Auch hinsichtlich der weiteren Streitpunkte wie Honorar für November 2003 sowie Schadensersatzforderungen habe der Schiedsspruch die faktisch-gesellschaftsrechtliche Berechtigung des Antragstellers nicht beachtet.
Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten. Für den Antrag auf Entscheidung über die Beendigung des Schiedsrichteramtes (§ 1038 Abs. 1 Satz 2 ZPO) ist das Oberlandesgericht München örtlich und sachlich zuständig (§ 1062 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 16.11.2004 = GVBl S.471).
1. Es ist fraglich, ob derAntragsteller für die begehrte Entscheidung noch ein Rechtsschutzinteresse hat. Das Schiedsgericht hat nach Erlass des Schiedsspruchs am 30.6.2006 am 27.9.2006 über die Anträge des Schiedsklägers (Antragstellers) nach § 1058 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO entschieden. Im Hinblick auf die Präklusionsfrist in § 1058 Abs. 2 ZPO besteht eine zeitliche Schranke für die Geltendmachung von Ansprüchen auf Auslegung und Ergänzung, die inzwischen abgelaufen ist. Es ist nicht erkennbar, inwieweit das Schiedsgericht und dessen Vorsitzender noch weitergehend in diesem Verfahren mit Anträgen der Parteien befasst werden könnten.
Letztlich kann dies jedoch auf sich beruhen, weil der Antrag jedenfalls unbegründet ist.
2. Nach § 1038 Abs. 1 ZPO hat das Gericht die Beendigung des Amtes konstitutiv auszusprechen, wenn der Schiedsrichter rechtlich oder tatsächlich außer Stande ist, seine Aufgaben zu erfüllen, oder aus anderen Gründen seinen Aufgaben in angemessener Frist nicht nachkommt. Keiner dieser Gründe liegt vor.
a) Rechtliche Hindernisse wie etwa Geschäftsunfähigkeit, Parteiidentität oder fehlende dienstrechtliche Genehmigungen (siehe etwa MüKo/Münch ZPO 2. Aufl. § 1038 Rn. 8) stehen der Tätigkeit des Schiedsrichters Dr. E. nicht entgegen.
b) Tatsächliche Hindernisse für dessen Tätigwerden bestehen ebenfalls nicht. Dazu rechnen namentlich dauerhafte Verhinderung wie schwere Erkrankung, Wegzug in ein entferntes Land, Verurteilung zu einer längeren Freiheitsstrafe (MüKo/Münch § 1038 Rn. 9). Die Möglichkeit, durch das staatliche Gericht in das Schiedsverfahren einzugreifen, soll dessen ungebührliche Verzögerung verhindern. Davon kann hier keine Rede sein.
Die dritte Fallgruppe erfasst die verzögerliche Aufgabenerfüllung und betrifft insoweit, jedenfalls in erster Linie, die zeitliche Komponente (MüKo/Münch § 1038 Rn. 10). In zeitlicher Hinsicht ist die Vorgehensweise des Schiedsgerichts, namentlich im Zusammenhang mit dem Antrag auf Auslegung und Ergänzung des Schiedsspruchs vom 30.6.2006, jedoch nicht zu beanstanden. Dazu fehlt auch jeglicher substanzieller Vortrag.
d) Ersichtlich geht es dem Antragsteller darum, die Beendigung des Schiedsrichteramtes von Dr. E. wegen dessen rechtlicher Bewertung des dem Schiedsgericht unterbreiteten Streitstoffs durchzusetzen. Dazu dient das Verfahren nach § 1038 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht. Ob in Ausnahmefällen fehlende juristische oder sonstige von den Parteien vorausgesetzte technisch-wissenschaftliche Kenntnisse eines Schiedsrichters für die Bewältigung des unterbreiteten Streitstoffes einen Beendigungsgrund unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher subjektiver Unmöglichkeit bilden können, mag auf sich beruhen. Etwaige Fehler in der Erfassung des Sachverhalts und dessen rechtlicher Würdigung, wie sie hier gerügt werden, fallen nicht darunter. Im Übrigen gilt für Kollegialschiedsgerichte das Beratungsgeheimnis (vgl. Zöller/Geimer ZPO 25. Aufl. § 1035 Rn. 31). Der gegen ein einzelnes Mitglied des Schiedsgerichts gerichtete Antrag erweist sich auch deshalb als unschlüssig.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Geschäftswert wird entsprechend dem der Hauptsache festgesetzt (§ 3 ZPO, § 45 Abs. 1 Satz 3, § 48 Abs. 1, § 63 Abs. 2 GKG). Der Senat legt für Schiedsrichterbestellungen und -ablehnungen in ständiger Rechtsprechung den vollen Streitwert der Hauptsache zugrunde (z.B. Beschluss vom 4.9.2006, 34 SchH 006/06). Nichts anders kann für die Entscheidung über die Beendigung des Schiedsrichteramtes gelten.